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der von echt Rousseauschem elementaren Hauch der Natur durchweht ist, die Frauen: „So hängt euer Glück von eurer Maske ab?“ und schildert allüberall mit virtuosenhafter Genremalerei das verfeinerte Raffinement des Kulturmenschen. Selbst Schröder gesteht im „Fähndrich“ zu: „Ein Mann nach der Welt der hat eigentlich gar keinen Charakter“, und sein „Vetter in Lissabon“ hat „Menschen gesucht und Bären gefunden." So streben alle diese Dichter mit Rousseau die Erziehung auf natürliche Bahnen zu lenken, und soweit sie sich hier mit Basedow berühren, waren beide Teile Schüler des Franzosen. Das höchste Genie der Periode aber fand, sich an Rousseau anlehnend und sich über ihn erhebend, in genialischer Nonchalance die konventionellen Begriffe von Tugend und Laster einfach kleinlich und langweilig; Zeugnis sind insbesondere,,das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern" und ,,Götter, Helden und Wieland." Dem Marktschreier in der ersteren Farce, welcher rühmt:

,,Hüten uns auch vor Zoten und Flüchen,
Seitdem in jeder grofsen Stadt

Man überreine Sitten hat,"

antwortet der Doktor kurz und bündig:

,,Da wird man sich wohl ennuyieren!"

Und in der letzteren Farce verweist Herkules biderb dem armen Wieland dessen Knechtschaft unter die menschliche Sittenlehre. Aber Goethe überwindet in sich die Rousseau-Stimmung, sie ist ihm ein läuterndes Durchgangsstadium, kein Endziel, und so verspottet er Übertreibungen der Schule des grofsen Jean-Jacques, namentlich die empfindsame Gefühlsschwelgerei, welche sittliche Gefahren im Gefolge hat, im „Pater Brey",,,Satyros" und „,Triumph der Empfindsamkeit“.

Durch Wirkung der,,Nouvelle Héloïse" und des ,,Emile" ist aber der Einflufs Rousseaus auf die Komödie der Sturm- und DrangZeit nicht erschöpft; für den Nachweis der Quellen aus Rousseau ist auch der „,Discours sur l'origine et les fondements de l'inégalité parmi les hommes" heranzuziehen; nicht nur, dafs der glückliche Naturzustand gegenüber der Verderbnis unserer zivilisierten Welt insbesondere auch in diesem Werke verherrlicht ist; vor allem schreiben sich aus ihm all die zahllosen, über das Naturwidrige der Standesunterschiede gegebenen Erörterungen her, wie wir sie als typisches Merkmal aller Sturm- und Drang-Produkte kennen lernten. Man denke namentlich an Rousseaus Herleitung der Vorrechte des Adels, welcher einwillige,

die Ketten der Fürsten zu tragen, um seinerseits Ketten für die Bürger schmieden zu können; während die Fürsten, um ihre illegitime Gewalt usurpieren zu können, einen Teil derselben dem Adel abtreten mussten. Auch die Herleitung der konventionellen Moral unserer Gesellschaft ist hier aus Rousseau zu zitieren: dafs die Glieder derselben mehr auf

das Zeugnis anderer, als auf die eigene Überzeugung hin zufrieden und glücklich sind. Goethe, der sich im „Jahrmarktsfest“ und anderen Farcen mit nicht gerade sehr respektvollen Ausdrücken über die nach politischer Rangstufe Höchststehenden amüsiert hatte, überwindet auch diesen Ausflufs Rousseaus in sich, wie es später sein „Bürgergeneral" und „Die Aufgeregten" dokumentieren. Auch Lenz bleibt durchaus nicht blinder Schüler Rousseaus, sondern geht in mancher Hinsicht über ihn hinaus: So verherrlicht er am Schlufs des „Pandaemonium germanicum“ die Künste und Wissenschaften im direkt ausgesprochenen. Gegensatz zu Rousseau; ferner zieht er unerschrocken gewisse Konsequenzen, denen der Franzose aus dem Wege ging, indem das Liebesverhältnis der Personen verschiedenen Standes von geschlechtlichen Folgen ist wie im „Hofmeister" oder gar zur dauernden Vereinigung der Liebenden führt, wie in dem Drama „Die Freunde machen den Philosophen"; auch ist die Sentimentalität von den Personen im „Hofmeister“ schliesslich glücklich überwunden. Wie jede neue Idee, gab eben auch die von dem grofsen Naturevangelisten ausgehende neue Kraft, und jede neue Kraft will ausgähren, so sind die „Flegeljahre" notwendige Vorbedingung für die Zeit der Reife, und solche „Flegeljahre" der Rousseauschen Ideen waren die Zeiten des deutschen Sturms und Drangs. Hat die französische Litteratur den unsterblichen Ruhm, Gebärerin des neuen Naturevangeliums zu sein, so fällt unserer deutschen Dichtung, und zum nicht unerheblichen Teile gerade der komischen, das Verdienst zu, diese naturevangelistischen Ideen zur geläuterten und geklärten Betätigung übergeleitet zu haben.

Geht man den Quellen der Sturm- und Drang-Komödie weiter nach, so ist nach Rousseau unmittelbar Richardson zu nennen; denn namentlich dessen „Pamela“ und „Clarissa" bilden in den geistigen Strömungen der Zeit nach verschiedenen Seiten eine notwendige und wirksame Ergänzung der von Rousseau gebotenen Elemente. Schuf dieser für die Verführung der Adelstochter durch den schöngeistigen Bürgerlichen das Modell und eiferte er ausdrücklich gegen Standesunterschiede, so hatte Richardson die Versuchung der Bürgerstochter

durch den verführerischen Adligen vorgezeichnet und es dabei an Protest gegen den privilegierten Stand nicht fehlen lassen. Die Probleme der „Pamela“ und „Clarissa" hat die deutsche Komödie ineinanderfliefsen lassen, um einen Konflikt von doppelter Schärfe zu gewinnen. Die bürgerliche Heldin der Lenzschen „Soldaten" ist einesteils nach,,Pamela" durch einen Adligen aus dem Offizierstand um ihren Ruf gebracht; andererseits flieht sie zu dem geliebten Verführer und geräth in Elend wie Clarissa. Der Tugendräuber von Wagners „Evchen Humbrecht“ ist gleichfalls ein verführerisch liebenswürdig gezeichneter adliger Offizier, und es giebt heftige Deklamationen gegen die Vergewaltigung der Bürgermädchen, ganz nach „Pamela“, dabei ist das Motiv der Schändung und des Schlaftrunkes aus,,Clarissa“, mit der Evchen auch darin übereinstimmt, dafs sie nicht ganz schuldlos erscheint, weil sie dem Verführer (allerdings nur in Ballsaal und Wirtshaus) gefolgt ist, und ferner darin, dafs sie sich auch in ihrer verletzten Weiblichkeit, in all ihrem Unglück edel und reuig benimmt. Das letztere Moment der „,Clarissa" ist besonders stark heraus gearbeitet, in Karl Gotthelf Lessings,,Mätresse", welche sich im übrigen, als im Grunde tugendhafte schöne Zofe der Mutter ihres Verführers, enger an,,Pamela" anschliefst; der Protest des gemisshandelten Bürgermädchens gegen den elenden adligen Verführer erklingt in diesem Lustspiel wohl am nachdrücklichsten und eindrucksvollsten. Auch kehrt Verführung mit Ständeunterschied im „,Deutschen Hausvater“ von Gemmingen wieder, aber mit dem freudigen Ausgang der „Pamela“. Aus der,,Clarissa" dagegen ist schliesslich ein vereinzeltes Motiv in den ,,Neuen Menoza" von Lenz übergegangen, wenn zur Verführung oder Schändung der Heldin durch den Grafen die Anwendung eines Schlafpulvers geplant wird. - Und neben all diesen einzelnen äusseren Anlehnungen trug die Sentimentalität Richardsons zu der empfindsamen Stimmung der Zeitprodukte das ihre bei. Trotzdem ist von jenen englischen Romanen zu unseren deutschen Komödien ein bedeutsamer Schritt geschehen, denn die Signatur der Richardsonschen Gestalten ist Loyalität, die sich höchstens zu untertänigen Vorstellungen aufrafft, die Signatur der Sturm- und Drang-Zeit aber ist revolutionärer Protest.

Hatte Rousseau in unserm jungen Dichtergeschlecht begeisterte Jünger des Naturevangeliums geworben, so war es naheliegend, den Blick auf diejenigen Perioden der heimischen Litteratur zurückzuwenden, welche vorzugsweise Ausdruck des Natürlich-Volkstümlichen waren. So erklärt sich das Zurückgreifen auf Elemente der alten deutschen

Volksbühne. Gotthold Ephraim Lessing hatte bereits seiner herzlichen Vorliebe für den Hanswurst Ausdruck gegeben, aber diese Liebe war platonisch geblieben. Jetzt zogen die jungen Genies mit keckem Griff den Hanswurst samt der ganzen alten Volkskomödie ins litterarische Leben zurück. Es geschah damit ein Schritt der Reaktion, der einer Revolution durchaus gleichkam: unter vollständiger Abstrahierung von den Errungenschaften des bestehenden kunstmässigen Lustspiels wurde die alte Farce in Gestalt und Gehalt wiederauferweckt, wurde eine Kunstschöpfung wieder geboren, welche, unmittelbar aus dem Volke herausgebildet, unmittelbar zum Volke sprach. Und erschien unsern. jungen Genies das kleinliche Lebensspiel etwa viel anders denn als Farce, als schnell vergängliches Fastnachtsspiel?! So gab sich diese Kunstform aus mannigfachen Gründen von selbst, und es ist kein Zufall, dass der Genialste unter den Stürmern und Drängern auf diesem Gebiete der Fruchtbarste war. Goethe hat in diesen kleinen Farcen eine Tätigkeit entfaltet, welche durchaus nicht unwesentlich zu seiner Charakteristik ist; denn keine Litteraturform zog ihm so wenig Schranken, wie die der alten deutschen Spiele; hier konnte er ganz er selbst, ungeniert im Negligee, sein. So ist nicht nur in allen Farcen der Zeit der Ton und zum gröfsten Teil auch der Vers des nicht zu unterschätzenden Meisters Hans Sachs angewandt, sondern es fehlen auch Prolog und Epilog selten; jedenfalls bildet den Schlufs immer die Moral von der Geschicht'. Der Hanswurst erscheint in Goethes „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ und in dem auf einem älteren Puppenspiel und einer stehenden Figur der Volksbühne beruhenden Fragment „Hanswursts Hochzeit“ sowie in H. L. Wagners Farce „Prometheus, Deukalion und seine Rezensenten", bei letzterem in althergebrachter Funktion als Epilogus, der seinen heimischen Volksdialekt bewahrt hat. Aus derselben Quelle schöpft Goethe, indem er seinen „,Satyros" und das im 4. Akt des „Triumphs der Empfindsamkeit" gegebene Zwischenspiel mit direkter Anrede an das Publikum beginnt. Von den Fastnachtsspielen schreibt sich die Mummerei im „Pater Brey" her. Direkt auch inhaltlich angelehnt ist "Satyros oder der vergötterte Waldteufel" an des Hans Sachs „Satyros und Waldbruder" sowie das Zwischenspiel des „Jahrmarktsfestes" an desselben „Comedia: die gantze Hystori der Hester;" und zwar ist in der ersten Goetheschen Fassung die Anlehnung im Stil gröfser, während die zweite Fassung, allerdings leider in anderer Form, in satirisch gereimten Alexandrinern, sich eng an den Inhalt des 2. Aktes der Hans Sachsschen Komödie anschliefst. — Eine eigen

artige warme Huldigung hat schliesslich Lenz dem Hanswurst bereitet, dadurch dafs er in einem der künstlerischen Komposition nach ungerechtfertigten Aufsatz auf den Neuen Menoza* den Bürgermeister für das „Puppenspiel schwärmen läfst; dabei erklärt dieser: „Hab den Kerl den Hanswurst so lieb, ich will ihn wahrhaftig diesen Neujahr beschicken. Auf den Rat seines Sohnes, eines Baccalaureus, geht unser Bürgermeister sodann zu einem „regelmäfsigen“ Stück, welches ihn aber dermafsen langweilt, dafs er den törichten Ratgeber schlägt mit den klassischen Worten: Ich will dich lehren mir Regeln vorschreiben, wie ich mich amüsiren soll!“

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Auch sonst nehmen selbst die gröfseren Komödien der Sturm- und Drang-Zeit einzelne Momente der alten Volksbühne an, die in ihrer Durcheinandermischung von Ernst und Komik eine unverkennbare Analogie darbot. Auf Rechnung dieser ist nicht nur mancher derbe Possen namentlich von Lenz zu setzen, sondern eine — sei es bewufste, sei es unbewusste — Anlehnung an diese ist auch die fast durchgehende Schlufsmoral, welche das eine Mal allen Ernstes ausgesprochen wird, z. B. recht prägnant bei Stephanie d. J.: „Noch glücklicher wäre ich, wenn ich durch mein Beispiel alle meine mir ähnliche Schwestern von ihrem dummen Stolz heilen könnte;“ während das andere Mal, vorwiegend bei Lenz, die Moral von der Geschicht' nahe an verzweifelte Ironie streift, so wenn er am Schlufs der „Soldaten“ als Heilmittel für die durch Verführung ihrer Töchter seitens Soldaten zerrütteten Bürgerfamilien die Anlegung von Pflanzschulen für Soldatenweiber empfiehlt.

Wenn wir alledem hinzufügen, dafs Goethe sich in der Tat bis in die Weimarer Jahre hinein ernstlich mit dem Gedanken einer Fortbildung des alten deutschen Lustspiels, derber deutscher Volkskomik beschäftigte, so müssen wir uns darüber klar sein, dafs dieser Gedanke durchaus nicht eine Verläugnung der Lessingschen Reformen in sich zu schliefsen brauchte: einem Genius wie Goethe hätte der kühne Wurf gelingen können, den tiefen komischen Zug des deutschen Volksgeistes mit den Anforderungen einer geläuterten modernen Kunst harmonisch zu versöhnen.

Berlin.

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