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1) SELBACH, L.: Das Streitgedicht in der altprovenzalischen Lyrik und sein Verhältnis zu ähnlichen Dichtungen anderer Litteraturen. (Ausgaben und Abhandlungen aus dem Gebiete der romanischen Philologie, veröffentlicht von E. Stengel, LVII) Marburg, Elwert 1886. 128 S. gr. 8°. M. 3,20.

2) KNOBLOCH, H.: Die Streitgedichte im Provenzalischen und Altfranzösischen, Breslau, Diss. 1886, 79. S. 8°.

Eine der eigenartigsten Erscheinungen auf dem Gebiete der altprovenzalischen Lyrik sind die unter der allgemeinen Bezeichnung Tenzonen bekannten Streitgedichte, welche ihrem Inhalte nach im wesentlichen in zwei Hauptgruppen zerfallen: die Tenzonen im engeren Sinn, in denen zumeist persönliche Angelegenheiten der Gegner zum Austrag kommen, und die Partimens oder Jocs partitz, Spielereien des Witzes, in welchen von einem der streitenden Teile dem oder den andern die Wahl zwischen zwei oder mehreren, oft mit grosser Spitzfindigkeit ersonnenen Eventualitäten gestellt wird, wobei jener die Verteidigung dessen, was übrig bleibt, übernimmt.

Fast gleichzeitig sind wir über diesen interessanten Gegenstand von Knobloch und Selbach mit recht fleifsigen und sorgfältigen Untersuchungen beschenkt worden. Die Knoblochsche Arbeit, welche noch in einem Nachtrag von Selbach benutzt wird, beschränkt sich jedoch nicht auf die provenzalischen Streitgedichte allein, sondern zieht auch die französischen mit gelegentlicher Streifung der italienischen Korrespondenzsonette in den Kreis der Betrachtung und kommt zum Schlufs aufserdem auf den vielfach mit jenen sich berührenden Traktat des Andreas Capellanus; „De arte amandi et reprobatione amoris“ zu sprechen. Dafs in einer Dissertation von 79 Seiten ein so umfangreicher Stoff nur auf Kosten der Gründlichkeit der einzelnen Teile bewältigt werden konnte, liegt klar auf der Hand, und so ist es auch gar nicht zu verwundern, wenn die an sich recht saubere Arbeit Knoblochs, welche sich vor der Selbachschen durch eine übersichtlichere und gefälligere Darstellung vorteilhaft auszeichnet, in ihrem Bestreben, ein zu weites Gebiet auf einmal zu umfassen, hinsichtlich der Behandlung des Gegenstandes manches zu wünschen übrig lässt. In vielen Punkten blofs andeutend, dringt sie fast nirgends ganz in den Stoff ein und läfst vor allem Erörterungen über die Entstehung der Streitgedichte und ihr Verhältnis zu den verwandten einheimischen Dichtgattungen, sowie über etwaige Beeinflussungen seitens anderer Litteraturen ganz vermissen, Fragen, denen hingegen Selbach mit anerkennenswertem Eifer gerecht zu werden sich bemüht hat. Indem letzterer die unter dem Einfluss der provenzalischen Tenzonen entstandenen altfranzösischen, spanischen, portugiesischen und mittelhochdeutschen Streitgedichte nur flüchtig erwähnt und dabei kurz an die scherzhaften Nachahmungen einiger moderner Dichter, die zugleich als gründliche Kenner des Mittelalters sich einen Namen gemacht haben, wie Rückert und Uhland, Wackernagel und Simrock, erinnert, wendet von Paragraph 6 ab seine Aufmerksamkeit einzig und allein der

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Ztschr. f. vgl. Litt.-Gesch. u. Ren.-Litt, N. F. I.

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provenzalischen Streitpoesie zu, wobei ihm Knobloch gegenüber der besondere Vorteil zur Seite stand, dass er über das nahezu vollständige handschriftliche Material verfügen konnte, welches, soweit es bis jetzt noch nicht veröffentlicht, in einem Anhang zum Abdruck gelangt. Von besonderem Interesse ist hier für uns der in den Paragraphen 17-27 gemachte Versuch einer Ableitungstheorie der Tenzonen. Nachdem der Verfasser auf die aus der klassisch bukolischen Dichtung bekannten Wettgesänge hingewiesen, die hier jedoch nicht in Betracht kommen können, da es sich in ihnen blofs um die grössere Kunstfertigkeit in der Behandlung eines und desselben Gegenstandes, nicht aber um eine abwechselnde Verteidigung direkt entgegengesetzter Ansichten handelt, verweilt er eingehender bei den im Mittelalter so beliebten Conflictus, welche insofern schon eher einen Vergleich-wenigstens mit den Tenzonen im engern Sinn — zuliefsen, als in ihnen wirklich ein in Rede und Gegenrede geführter Wortstreit vorliegt. Allein eine Annäherung beider wäre darum vorallem bedenklich, weil die Conflictus ihre Entstehung nicht einem Zusammenwirken verschiedener Dichter verdanken, wie es für die provenzalischen Streitgedichte doch wohl -mit Ausnahme der wenig häufigen und auch erst später auftretenden fingierten Tenzonen mit Sicherheit anzunehmen ist; infolgedessen fehlt bei ihnen denn auch naturgemäss die epische Einleitung, wie wir sie regelmässig in den Conflictus finden. Wenn ich oben die Tenzonen im engern Sinn als einen Vergleich zulassend hinstellte, so weifs ich mich damit in direktem Gegensatz zu Selbach, der p. 24 und 34 eher eine Beeinflussung der Partimens durch die Conflictus annehmen möchte; allein daran ist gar nicht zu denken, denn während in den Conflictus die Dinge ähnlich wie in den Tenzonen im engern Sinn die Personen von Anfang an in fertiger Feindschaft sich gegenübertreten, ist bei den Partimens ursprünglich von einer Feindschaft nicht die Rede, vielmehr wird durch das Aufwerfen einer Streitfrage ein Streit erst künstlich geschaffen, wobei - und das ist gerade das Charakteristische für die Partimens der Herausfordernde, nachdem er die Frage zergliedert, seinen oder seine Gegner unter den Eventualitäten wählen läfst. Hiervon ist jedoch in den Conflictus nie die Rede, und auch in der Altercatio Phyllidis et Florae, die ganz abgesehen von der epischen Einleitung noch den Partimens am nächsten kommt, treten die beiden Parteien bereits mit ihrem fertigen Urteil in den Streit ein. Bei einer Untersuchung über die Herkunft der provenzalischen Streitgedichte wird man überhaupt die Tenzonen im engern Sinn und die Partimens ganz getrennt behandeln müssen, denn in der Tat haben sie aufser der Eigentümlichkeit ihre Entstehung einem Zusammenwirken verschiedener Dichter zu verdanken, inhaltlich nichts mit einander gemein, wenn auch beide termini, was die Leys d'amors mit Recht tadeln, von den Trobadors vielfach promiscue gebraucht werden. Wir werden für beide Arten der Streitpoesie demnach auch einen verschiedenen Ursprung anzunehmen haben. Für die Tenzonen im engern Sinn ist es mir nun kaum zweifelhaft, dass wir

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in ihnen lediglich eine Weiterbildung der Sirventese zu erblicken haben, speziell natürlich der Form der Sirventese, wo auf einen in einer einzigen Cobla vorgebrachten Angriff in einer weiteren Cobla mit gleichem Versmafs und eventuell gleichen Reimen entgegnet wird. Von entscheidender Wichtigkeit für diese Frage wäre eine Untersuchung der formellen Seite der Tenzonen, wobei vor allem die Tenzonen im engern Sinn zu berücksichtigen wären, denn wenn dieselben sich aus den Sirventesen entwickelt hätten, wäre auch zu erwarten, dafs sie in ihrem Bau den für letztere gültigen Vorschriften sich fügten. Nun wissen wir aber, dafs von dem Sirventes die Leys d'amors I 340 erklären: „Sirventes es dictatz ques servish al may de vers o de chanso en doas cauzas: la una cant al compas de las coblas, lautra cant al so etc.“, genau wie es in der Doctrina de compondre dictatz (Romania VI p. 358) heifst: „Serventetz es dit per ço serventetz per ço com se serveix e es sotsmes a aquell cantar de qui pren lo so e les rimes", Äusserungen, an deren Glaubwürdigkeit man trotz mehrfach dagegen erhobenen Widerspruchs kaum einen triftigen Grund hat zu zweifeln; denn naturgemäfs mufste man, um dem Lied, in welchem man einen Gegner angriff, eine möglichst schnelle Verbreitung zu sichern und so jenen aufs empfindlichste zu schädigen, es in einem bereits bekannten Ton abfassen; da nun aber im allgemeinen für die lyrische Dichtung der Provenzalen das selbständige Erfinden neuer Singweisen als Haupterfordernis angesehen wurde, konnte man sehr leicht jene aus dem angeführten Grund der Regel nach formell unselbständigen Gedichte nach dieser Äufserlichkeit als Dienst- d. h. abhängige Gedichte bezeichnen. Sollte es nun ganz zufällig sein, dafs die Leys auch für die Tenzone eine Anlehnung an eine bereits vorhandene Strophenform oder Singweise zulassen, wenn sie I 344 erklären: „en aquel cas ques faria al compas de vers o de chanso o dautre dictat quaver deia so, se pot cantar en aquel vielh so“, ja die Doctrina p. 357 sie ausdrücklich fordert: „Si vols far tenso, deus la pendre en algun so que haia bella nota, e potz seguir les rimes del cantar o no"? Natürlich würde einer Untersuchung dieser ganzen Frage zunächst eine andere vorauf gehen müssen, inwieweit das, was die beiden Poetiken von dem Sirventes sagen, sich wirklich nachweisen läfst, wozu jedoch augenblicklich das Material kaum ausreichen dürfte. Was nun die Partimens betrifft, die ja nichts anderes sind als Übungen in der Kunst der Dialektik, so scheint mir das treffendste, nicht nur, wie Selbach p. 13 es will, die mehrfach bezeugten Partimens in Prosa, sondern auch, wie dies Adolf Tobler in seinen Vorlesungen über die Geschichte der provenzalischen Dichtkunst tut, die poetischen mit den in den mittelalterlichen Schulen üblichen juristischen disputationes oder controversiae in Zusammenhang zu bringen. In den Partimens hätte sich dann die Dichtkunst jener Formen bemächtigt und den Inhalt naturgemäfs im wesentlichen nach der erotischen Seite hin ausgebildet.

Als Nachtrag zu dem von Selbach p. 81 erwähnten dreiteiligen Partimen zwischen Savaric de Mauleo, Gaucelm Faidit und Uc de la

Bacalaria (gedruckt Bartsch: Chrest. prov. sp. 155), in welchem die Frage verhandelt wird, welchem von drei Liebhabern eine Dame ihre gröfste Gunst beweisen will, dem, welchem sie verliebte Blicke zuwirft, oder dem, welchem sie die Hand drückt, oder endlich demjenigen, welchen sie auf den Fufs tritt, will ich noch auf einen Aufsatz von W. Wackernagel in Haupts Ztschr. VI 292-294 aufmerksam machen. Daselbst wird auf ein mittelniederländisches Fragespiel (veröffentlicht von Hoffmann in den altdeutschen Blättern I, 70 f). und auf ein in mehreren Handschriften des ,,welschen Gastes" von Thomasin von Zirklære (I, 10) sich findendes Bild hingewiesen, in welchen genau die nämliche Situation wiedererscheint. Wackernagel glaubt eine gemeinsame Quelle für die beiden poetischen und die bildliche Darstellung annehmen zu müssen und findet sie in einer Stelle der,,Origenes" des Isidor; dort werden nämlich unter dem Kapitel I, 25,,de notis digitorum" einige angeblich Ennianische Verse zitiert, welche das Treiben einer gefallsüchtigen Dame ihren verschiedenen Liebhabern gegenüber schildern, wie es ähnlich schon in einer Stelle des Theokrit, die von Wackernagel ebenfalls mitgeteilt wird, einen Ausdruck gefunden hatte. Isidor reiht nun hieran die Bemerkung: „Et Salomon: Annuit oculis, terit pede, digito loquitur", die sich in den Sprichwörtern Salomonis VI, 13 jedoch auf einen ,,vir inutilis" bezieht. Hierin will Wackernagel die gemeinschaftliche Quelle erblicken. Wenn man ganz absieht davon, dafs in der Biographie des Savaric de Mauleo - den provenzalischen Biographieen ist ja in der Beziehung nur sehr wenig zu trauen - das Abenteuer, dem jenes Partimen seinen Ursprung verdanken soll, verzeichnet ist, so könnte man immerhin geneigt sein, die Anregung zu dem Streitgedicht in jener Stelle zu suchen, allein es ist kein Grund vorhanden, dasselbe nun auch für die beiden anderen Darstellungen zu beanspruchen, zumal doch allbekannt ist, dafs die holländischen Dichter mit Vorliebe französische und provenzalische Muster nachahmten und dafs gerade in Norditalien, der Heimat Thomasins, die provenzalische Lyrik einen so mächtigen Einfluss ausübte. Ich glaube gerade in dem Umstand, dass in dem Fragespiel eine Dame um ihr Urteil angegangen wird, eine Anlehnung an jenes Partimen erblicken zu müssen. Interessant ist, dafs noch gegen Ende des letzten Jahrhunderts, wie ich einer freundlichen Mitteilung des Herrn Professor Tobler entnehme, jener Stoff durch den Verfasser des Liedes: „Freut Euch des Lebens", den auch als geschickten Zeichner gerühmten Schweizer Dichter Hans Martin Usteri in dem Malerbuche der von seinem Oheim 1787 begründeten Künstlergesellschaft einen bildlichen Ausdruck fand. Zeichnung mit der Unterschrift,,die Gefallsüchtige" zeigt eine Dame in einer Laube sitzend, umgeben von sechs galanten Herrn; dem einen hat sie eben ein Sträufschen gegeben, dem andern nickt sie zu, dem dritten tritt sie auf den Fufs, dem vierten drückt sie die Hand, die er auf die Stuhllehne gelegt, mit dem Arm, dem fünften reicht sie eine. Rose und vom sechsten endlich lässt sie sich die andere Hand küfsen, Möglich, dafs Usteri hierbei die von Isidor zitierten Verse vorschwebten

Die

wo zwar acht Bewerber erscheinen, für welche alle jedoch das daselbst geschilderte Verhalten der Dame nicht bildlich dargestellt werden konnte.

Um nun noch einen Augenblick auf die Conflictus zurückzukommen, denen Selbach die §§. 20 f und 25 f widmet, möchte ich hierbei auf die mannigfachen tendenziösen Nachbildungen hinweisen, welche dieselben in der čechischen Litteratur gefunden haben. So begegnet uns z. B. ein Smil von Pardubic zugeschriebener,,Streit zwischen Wasser und Wein", den ein Magister der Theologie im Traume im Himmel mit anhört. Schon hat das Wasser gesiegt, da wirft sich derselbe, besorgt, dass es ihm den Wein verderben könne, ins Mittel und sucht die Streitenden zu versöhnen: Gott habe sie beide geschaffen, das Wasser für die Laien, den Wein für die Geistlichkeit; wie von diesen beiden Ständen keiner ohne den andern existieren könne, so müfsten auch Wasser und Wein einträchtig miteinander leben. Noch deutlicher tritt die Tendenz zu Tage in dem zur Zeit der Hussitenwirren entstandenen,,Streit der Wahrheit und der Lüge über die Güter und die Gewalt der Geistlichkeit“, einem Jugendwerke Ctibors, in welchem Wahrheit und Lüge vor dem durch die Apostel unter Vorsitz des heiligen Geistes gebildeten göttlichen Tribunal miteinander streiten; ihnen schliefsen sich alle Tugenden und Laster an, unter letzteren die römische Prinzessin Hochmut, der Hass gebürtig aus Österreich und die Faulheit aus Polen. Schliesslich trägt die Wahrheit den Sieg davon (s. Pypin und Spasovič: Geschichte der slavischen Litteraturen, deutsch von T. Pech, Leipzig 1883, II, 2 p. 60 ff). Noch heutigen Tages 1st jene im Mittelalter so beliebte Dichtgattung nicht ausgestorben. In Spanien finden wir bis auf unsere Zeit den ,,Streit zwischen Leib und Seele", der in seiner dialogischen Form, wie ich mit G. Paris (Romania IX, 312) für unzweifelhaft halte, erst unter dem Einfluss der Conflictus aus einer christlichen Legende entstanden, als Blindenromanze erhalten (s. F. Wolf: Studien zur Geschichte der spanischen und portugiesischen Nationallitteratur, p. 163, Anm. 2); von französischen Volksliedern, die noch heute den,, Streit zwischen Wasser und Wein" besingen, weifs V. Smith (Romania VI, 596) zu berichten; ja sogar in echt dramatischer Form gelangt alljährlich, wie ich einem Artikel der Didaskalia vom 18. März d. J. entnehme, in Steiermark ein Kampf zwischen Sommer und Winter zur Aufführung, wobei freilich, wie ja auch in dem,,Conflictus veris et hiemis", das mythologische Element eine Rolle mitspielt. Der Streit zwischen ersterem und seinen mit leichten leinenen Anzügen und grünen Hüten bekleideten und mit Sensen, Sicheln und Heugabeln bewaffneten Genossen einerseits und dem Winter mit seiner in Pelzröcken eingehüllten und mit Dreschflegeln und Ofengabeln ausgerüsteten Gefolgschaft andrerseits wird in Gegenwart aller Dorfbewohner auf einem freien Platze vor einem Bauernhause ausgefochten. Während die Begleiter die Arbeiten der von ihnen vertretenen Jahreszeit nachahmen, befehden sich ihre Führer in einem Wechselgesang von vierzehn Strophen, wonach der Winter besiegt das Feld räumt. Ein ähnliches gereimtes Kampfspiel soll in der Schweiz verbreitet

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