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Die Sturm- und Drang-Komödie und ihre fremden

Vorbilder.

Von

Eugen Wolff.

II.*)

Noch eins war es, was die Blicke der jungen Stürmer bei all ihren Zukunftsträumen rückwärts ins 16. Jahrhundert blicken liefs: das war die Geltung des Bürgerstandes in jener Zeit. Wenn man dem geknechteten Bürger der Gegenwart sein Recht gegen die privilegierten Stände erkämpfen wollte, mufste man naturgemäss auf den stolzen Bürger jener goldenen Zeit verweisen, welche von der anmafslichen Herrschaft eines verderbten Adelsstandes, diesem Auswuchs der fortschreitenden Kulturgeschichte, noch frei war. So mufste nicht nur die Litteratur, sondern auch die Kunst des 16. Jahrhunderts eine ergiebige Quelle gerade für die Komödie der Sturm- und Drang-Periode werden. Hatte nicht die germanische Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts das bürgerliche Leben zu einer von der Poesie nicht erreichten Gestaltung gebracht? Und hatte dieselbe Kunst nicht nach Naturwahrheit bis ins Kleinste hinein gestrebt? Danach bot sich doppelter Grund für eine Anlehnung, und nach beiden Seiten, auf Stoff und Form, erstreckt sich die Analogie. Namentlich die poetischen Figuren der Talente, aber auch besonders die Familienväter der genialischen Komödie sind eine Wiederauferstehung aus niederländischen Gemälden, echte Bürgergestalten aus dem Alltagsleben, „teutsche Männer" - wie Gemmingens Hausvater bezeichnend sagt. Unverkennbarer noch als die Stoffwelt ist der Stil der Niederländer und von deutschen Künstlern namentlich Dürers. Das Streben nach jener charakteristischen Genre

*) Vgl. S. 192--220.

malerei, welche das künstlerische Ideal des jungen Goethe war und ihn zu seinem berühmten Lob des männlichen Albrecht Dürer veranlafste, hat dem drängenden Dichtergeschlecht im guten und bösen Sinne den Griffel geführt. Mit künstlerischer Vollendung giebt sich dieser Stil in „Künstlers Erdenwallen" von Goethe: Hier erhebt der Zuspruch der Muse den Künstler über die kleinliche Wirklichkeit. Virtuosenhafte Genrebilder zeichnet Klinger in seinen Lustspielen „Die falschen Spieler“ und „Der Schwur", welche von Anfang bis zu Ende im niederländischen Stile entworfen sind, nur dafs es ihnen an künstlerischer Versöhnung gebricht. Unendlich gröbere Holzschnittarbeit liefern die Grofsmann und Stephanie. An jene Muster der Genre-Kunst anklingend ist auch so manches Photographische bei Lenz und seinem Schüler H. L. Wagner, doch weist deren Stil schon teilweise auf andere Kunstquellen.

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Waren die Blicke der jungen Dichter einmal auf die Malerei gerichtet und wie sollten sie nicht in einer Zeit, da eben seit Lessing das Verhältnis von Dichter und Maler ein oft behandeltes Problem und zugleich nach dem Vorgange desselben Lessing der Maler eine vielbeliebte, immer wiederkehrende Idealgestalt des deutschen Dramas geworden war?, so mufste insbesondere ja in derjenigen Richtung verwandtes Streben begrüfst werden, welche den Naturalismus, dieses Schibboleth der Stürmer und Dränger, zum Prinzip erhoben hatte. Die Befreiung des Individuums von hergebrachten Schranken, die Erschliefsung des ungeteilten und unverfälschten Universums als dichterisches Stoffgebiet, die Wildheit, welche das Häfsliche nicht scheut, das alles waren Züge der italienischen Malerei des 17. Jahrhunderts, welche Auge und Herz der Stürmer sympathisch berührten; war es doch wie selten Geist von ihrem Geist. Für diese Analogie kommt von den deutschen Genies, die alle in diesem Stil schreiben, besonders Klinger in Betracht. In seinem „Schwur gegen die Ehe" wird ein Bild von Guido Reni als Redefigur gebraucht: Hymen bindet Amor an einen Myrthenbaum und verbrennt Köcher und Pfeile des Liebesgottes, um sich an dem Feuer zu wärmen. Dieses Bild ist nicht zufällig herangezogen; in demselben ist die Idee des ganzen Lustspiels vorgezeichnet; denn der geistige Boden, auf welchem der Held und schliesslich auch die Heldin steht, ist die Liebe ohne die Ehe, die Verpönung der Ehe als eines Grabes der Liebe. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass Klinger durch jenes Gemälde von

ist

Guido Reni zu seinem Lustspiel direkt veranlasst wurde, um so mehr, als die sonst in das Stück hineinspielenden Momente gleichsam nur zur weiteren Illustration der Tendenz des Bildes dienen: in einer Familie pflanzt sich der Ehebruch als erbliche Krankheit fort, die Edelfrau fühlt von Geschlecht zu Geschlecht in der Ehe Langeweile und so giebt sie sich einem geliebten Jüngling hin. Schliesslich spricht für unsere Annahme das Geständnis des Helden: „Ich sah das Bild nie ohne einen inneren Schauder an." Es kann wohl kein Zweifel sein, dass hier der Dichter selber aus seinem Helden herausspricht. Dieselbe Malerschule hat noch ein Werk geschaffen, welches die Vorzeichnung eines Klingerschen Lustspiels darbietet. Sollte der Dichter zu seinen „Falschen Spielern" nicht durch das gleichnamige Gemälde des Caravaggio angeregt worden sein? War doch dieser Meister so recht am nächsten ein Kongenialer der wüsten Stürmer, der verwegene Schöpfer verwegener Gestalten! Die Idee des Gemäldes ist derart, dass der gröfste Teil unseres Lustspiels wiederum eine vollkommene Ausgestaltung des einen Motivs ist, wenn auch naturgemäss nur einzelne Situationen die Gestalten des Bildes plastisch vorführen. Der Dichter mufs das Bild während seiner sächsischen Theatercampagne in der königlichen Gemälde-Galerie zu Dresden gesehen haben; dort spielte die Seylersche Gesellschaft, an welcher Klinger Theaterdichter war, im Jahre 1776. Klinger bekennt ausdrücklich in dem bei Rieger abgedruckten ersten zu Dresden geschriebenen Briefe an seinen Freund Schleiermacher, welche gewaltigen künstlerischen Eindrücke er in der sächsischen Hauptstadt empfange: „Von der Bilder-Galerie, das mein Ort der Zuflucht ist, kann ich kaum reden. Tausend Schöpfungen, tausend Welten . . . Gott im Himmel, wo .. Gott im Himmel, wo war ich, was war ich in diesen grofsen Momenten. Und so auch keine Silbe weiter darüber." In dieser Galerie befinden sich nun und befanden sich schon damals ausser dem genannten berühmten Caravaggioschen Gemälde noch eine Reihe von Bildern desfelben Meisters, welche alle in gewissen Variationen das Laster des Spiels zum Gegenstande haben. Eins derselben macht gleichfalls falsche Spieler zu seinem Hauptgegenstande, ein anderes giebt das Leben von Landsknechten wiederum mit einer spielenden Gruppe im Vordergrunde, und noch ein viertes Caravaggiosches Bild führt neben einer Wahrsagerin einen voll besetzten Spieltisch vor. Eine so fortlaufende Behandlung der Leidenschaft des Spiels und der Falschspielerei konnte unmöglich ohne nachdrückliche Wirkung auf einen aufmerksamen, eifrigen, noch dazu geistesverwandten

Beschauer bleiben, und wenn wir ihn wenige Jahre später in demselben Stile genrehafter charakteristischer Zeichnung denselben Stoff behandeln sehen, werden wir füglich von einer aus den Gemälden empfangenen Anregung sprechen dürfen.

Jenes bereits gekennzeichnete Streben, die nächstliegende Natur, die Familie zum Boden der Komödie zu machen, fand eine direkte Aufmunterung durch einen Dichter, welcher in dem doppelten Ruhmesglanze erschien, in den Kämpfen des 18. Jahrhunderts ein Bahnbrecher auf poetischem und philosophischem Gebiete zu sein. So mufste Diderot dem jungen deutschen Dichtergeschlecht eine sympathische Erscheinung sein. Zudem hatte G. E. Lessing durch seine Übersetzung des „Natürlichen Sohnes" und des ',,Hausvaters" bereits für die Herrschaft Diderots in Deutschland den Grund gelegt. Nicht nur die Talente der Sturmzeit gaben sich diesen Einwirkungen hin, nicht also nur an Gemmingens „deutschen Hausvater", an Schröders „Fähndrich", welche sich direkt stofflich ersterer an den „Hausvater“, letzterer an den „Natürlichen Sohn" Diderots-anlehnen, und an alle sonstigen geistig verwandten Dramen dieser Richtung von Schroeder, Grossmann, Stephanie d. J. u. a. ist zu erinnern, sondern auch die Genies Lenz, Klinger, Wagner unterziehen sich diesem Einflusse. Für ersteren hat schon Erich Schmidt auf die Kennzeichen der Diderotschen Quelle hingewiesen: neben dem bürgerlichen Charakter die Vorführung einzelner Stände in typischen Vertretern und die didaktische Absicht. Es sei hier, um die Berührung und die Abweichung beider Dichter zu kennzeichnen, namentlich auch an den „Neuen Menoza“ erinnert, welcher an das Problem des „Natürlichen Sohnes" anklingt, indem ihrer Verwandtschaft unbewusste Geschwister Neigung zu einander fassen, aber nicht wie bei Diderot — nach rechtzeitiger Erkenntnis ihres natürlichen Verhältnisses sich Geschwistertreue weihen, sondern erst nach geschlossener Ehe den verhängnisvollen Zug ihrer Herzen erfahren. In gleicher Weise drohen sich die Helden also gegen die bürgerliche Ordnung zu vergehen, aber bei Diderot beugen sie sich der konventionellen Moral, bei Lenz siegt in Wahrheit der natürliche Zug des Herzens: insbesondere die Heldin will den Gatten nicht mit dem Bruder vertauschen, und es ist ein durchaus nicht ernst gemeinter, sondern nur formell dem Geschmack des Publikums concedierter Schluss, wenn durch Aufdeckung einer zufälligen Verwechselung die bedenkliche Verschwisterung der Gatten aufgehoben wird. Echt Diderotsche Gestalten, schlichte bürgerliche Hausväter, sind aus der Genie

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Periode der Vater von Klingers „Falschem Spieler" und von Wagners Evchen Humbrecht". Der Einfluss Diderots war um so stärker, als er sich mit dem verwandten der englischen Dramatiker des 17. und 18. Jahrhunderts, und zwar nicht nur der komischen, sondern auch Lillo's in seinem berühmten „Kaufmann von London", berührte, einem Einflufs, der namentlich bei Schröder, Karl Lessing und Stephanie d. J., aber auch bei Klinger nachweisbar ist, welches letzteren „Falscher Spieler" die in englischen Dramen des 18. Jahrhunderts vorgeführte Unwiderstehlichkeit verbrecherischer Leidenschaft wiedergiebt. Auf Lillo gehen auch, wie Erich Schmidt richtig angemerkt hat, die Spuren der kriminalistischen Abschreckungstheorie zurück, welche bei Lenz, namentlich in der krassen Zeichnung der ,,Soldaten", unverkennbar sind.

Was in Schröders Dramen nach den Franzosen gearbeitet ist, besteht fast durchgehends in rührenden moralischen Schauspielen oder in kurzen Burlesken. Hauptquelle für seine Lustspiele ist indessen die englische komische Dramatik; den Zeitgenossen und Nachfolgern Shakespeares verdankt er seine meisten und wirksamsten Stoffe: Aufser Shakespeares „doubtful plays" benutzt er in seinen Lustspielen besonders Beaumont und Fletcher, Farquhar, Cibber, Goldsmith, Fielding, Edward Moore, Colman, Cumberland. Charakteristisch ist hierbei dafs in dieser Reihe die schamlosesten Vertreter des Lustspiels der Restaurationszeit fehlen, wie denn in der Tat deren Werke ihrem ganzen Gehalte nach am wenigsten zur Befruchtung der deutschen Komödie geeignet waren.

In ihrem Streben nach Verwertung aller Naturpoesie ging die poetische Revolution des 18. Jahrhunderts noch weiter: dieselbe Strömung, welche die Begeisterung für Ossian gebar, griff auch bis auf die orientalische Dichtung zurück. Gerade Anfang der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts erschien die erste deutsche Übersetzung der Märchensammlung „,1001 Nacht". Schon in den „Neuen Menoza“ von Lenz bringt nun der aufsereuropäische Prinz Tandi einige unverkenn bar orientalische Züge, wenn dieselben auch nicht alle, wie es am natürlichsten gewesen wäre, jenem prinzlichen Helden des wirren Stückes selbst beigelegt sind. Auf den Orient weist es besonders hin, dafs der Prinz die Blinden und Lahmen bewirtet, auf den Koran will sich der Vater, allerdings unter Widerspruch des Prinzen, berufen, um die Ehe seiner leiblichen Kinder für giltig erklären zu lassen, und dem Beza ist, wie der Dichter in seiner Selbstrecension des Stückes ausZtsch. f. vgl. Litt.-Gesch, u. Ren.-Litt. N. F. I.

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