tragung; sie ist spurlos verschollen. Das gleiche Schicksal hat seine oben erwähnte unvollendete deutsche Übersetzung von Miltons Verlorenem Paradies betroffen, zu welcher ihn vielleicht auch persönliche Bekanntschaft mit dem Dichter anregte. Eine Abschrift muss Berge um 1680 erhalten haben, eine andre sandte Haacke in seine Heimat an Johann Sebald Fabricius,*) den Bruder des einflussreichen Heidelberger Hofpredigers, welcher ihm in schmeichelhaften Ausdrücken erwiderte:,,Incredibile est, quantum nos omnes affecerit gravitas stili et copia lectissimorum verborum." Beide Kopien scheinen untergegangen zu sein, dagegen hat sich eine dritte auf der Kasseler Landesbibliothek (Ms. poet. Quart 2) erhalten. Sie führt den Titel: „Das | Ver-Lustigte Paradeiss. | auss und nach | dem Englischen. | I. M, durch T. H. | zu übersetzen angefangen | voluisse sat " und ist von einer Hand des 17. Jahrhunderts leider habe ich sie nicht mit Haackes Handschrift in Merians Stammbuch vergleichen können - auf 56 Blätter in Schmalquart geschrieben. Dafs die Buchstaben T. H. auf Theodor Haacke zu beziehen sind, wird bei näherer Betrachtung unzweifelhaft; gleichwohl ist bisher um dieser undeutlichen Bezeichnung des Übersetzers willen die Handschrift unbeachtet geblieben. Sie enthält die drei ersten Bücher des Paradise lost vollständig und 50 Verse des vierten, also den vierten Teil des ganzen Werkes. Das Versmass ist der reimlose fünffüfsige Jambus des Originals, mit welchem Haacke sicherlich seinen Landsleuten etwas ganz Neues zu bieten dachte; denn davon, dafs schon 1613 ein Kasseler Medikus Joh. Rhenanus dasselbe Metrum in einer Bearbeitung der englischen Morality Lingua angewandt, hatte er schwerlich Kunde, da dieselbe ungedruckt blieb**). Wenn aus diesem Grunde sein Verdienst als Pfadfinder nicht zu gering angeschlagen werden darf, so tritt dasselbe auch durch einen Vergleich mit Berge hervor, welcher keine neuen Bahnen betrat, sondern die Weise des Vorgängers beibehielt, ohne ihn zu übertreffen. Mit Rücksicht auf den mir zur Verfügung stehenden Raum glaube ich Haackes Miltonverdeutschung dem Leser am besten vor Augen zu stellen, wenn *) Geb. 1622 zu Speier, seit 1652 Professor der Logik und griechischen Sprache in Heidelberg, 1657 Doktor der Theologie; sein Todesjahr ist unbekannt. Vgl. Parnassus Heidelbergensis omnium illustrissimae huius Academiae Professorum icones exhibens, Heidelbergae 1660 fol. und Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg 2, 174. 191 (1864). **) Eine eingehendere Untersuchung derselben ist von E. Höpfner verheissen worden. ich sie mit der leichter zugänglichen und von Sauer trefflich charakterisierten Arbeit des kurfürstlich brandenburgischen Dolmetschers zusammenhalte. Zuerst die Verstechnik. Hier sind Unterschiede kaum aufzufinden. Gleich ist bei beiden Übersetzern das Verhältnis der Verse mit klingendem Schluss zu denen mit stumpfem Ausgange: auf 200 Verse des 2. Buches kommen bei Haacke 36 mit klingendem Schlusse, bei Berge 43. Ein paar Sechsfüfsler (II, 85. 186) oder Vierfüfsler (II, 51) hat der Überarbeiter B. auf die ordnungsmässige Länge gebracht. Häufig ist bei beiden das Enjambement, wie die unten folgenden Proben lehren; ziemlich selten der Hiatus, z. B. II, 531 seine Engel (bei H.), I, 30 die erste Eltern (H. B.), III, 641 bedeckte ihm (B.). Mit grofser Härte handhaben sowohl H. als B. die Synkope und Apokope, welche, wie Sauer bemerkt, bei B. oft an die Zeit vor Opitz erinnert: also nicht nur Fewr, Grew1, sondern auch (von vokalischem Anlaut) imm'r, od'r, üb'r, wied'r, Eng'l, Fess'l, Himm'l, Klipp'n, Wag'n, zu g'statten u. s. w. Auffallende Beispiele falscher Betonung bei H. ändert B. meistens, z. B. II, 310 Ewige Kräfte in Ihr ewge Kräfte, III, 13 Einém Crystallen Rock in Crystallen Kleid. Trotz dieser kleinen Besserungen macht Berges Arbeit einen schwerfälligeren und unbeholfeneren Eindruck als seine Vorlage. Wenn Haacke auch darauf hält, dass in jedem Buche die Gesamtzahl der Verse mit dem Originale übereinstimmt, und gewissenhaft die Verszahl am Rande beifügt, so überträgt er doch nicht immer Wort für Wort und Vers für Vers, sondern bemüht sich, in freierer Weise durch ungewöhnliche Worte und neue Zusammensetzungen stili gravitas und copia lectissimorum verborum nannte es der Heidelberger Fabricius die gedrungene Erhabenheit des Miltonschen Stiles wiederzugeben. Dieselbe Absicht und noch öfter wohl der Zwang des Metrums führt ihn auch zu ungewöhnlicher Wortstellung (z. B. Inversion von Präposition und Substantiv), zu häufiger Weglassung des Artikels vor dem Substantiv, zu gewagten Participialkonstruktionen. Bei Berge jedoch erscheinen diese Mängel zu unerträglicher Manier gesteigert. Von den Änderungen, welche die Vorliebe für einen archaistischen, geschraubten, dunklen Ausdruck veranlasst hat, führe ich einige an: III, 563 entzwischen den unzahlbar-hällen Amplen (H.: zwischen alle den unzehlbaren Gestirn. M.: amongst innumerable stars.) III, 271 mit söhnlichen Gehorsam (H.: mit kindtlichen Gehorsam. obedience). II, 26 den Ort übr-eyferen (H.: Umb die Stell eyffern). II, 33 Kein Keib noch Streit (H.: Kein Zanck noch Zwist). II, 99 er entwesent uns zumahl (H.: er macht es gantz aus mit uns). II, 106 Die Rach ist leyden süss (H.: Uns gnüg die süsse Rach). M.: filial II, 204 wann Tollkühne Degen Luft streichend fallen (H.: wann die kühne Degen Luftstreich gethan und fallen). II, 288 die sich an dem Inham Anckerfest mit ihrer Barck gebergt (H.: die sich im sturm mit ihrer Barck entzwischen Der Felsen Spalt da hatten eingebergt auf Anker fest). II, 337 Wiederspanst (H.: Wiederspänstigkeit). II, 381 Ertz-Teuflischer (H.: Teüflischer). II, 686 troll dich, eh ich dir den Stutz versäwre, Höllen-bruht (H.: troll dich, eh ich dir die Lust erleyd, du Höllen Butz). II, 741 dem Urschlufs nach (H.: nach seinen Schlufs). III, 480 Planeten übr (H.: durch alle die Planeten). III, 513 der einem Jasper- oder Perlen-Meer sich ahnt (H.: sich gleicht). III, 727 des Himmels Gurt (H.: Mitt') durchwandrend. (M.: through mid heaven). Selten nur ist der neue Ausdruck wirklich lebendiger und anschaulicher: II, 1055 Sein lang gebrüht (H.: gesucht) verfluchte Rach zu hecken (H.: drin aufszuüben). IV, 27 nach Eden, ob dessen Wonn der Neyd-hart bärsten möchte (H.: auf Eden zu, des Lieblich Wesen da Sein Hertz durchschneidt. M.: towards Eden, which now in his view lay pleasant). zu ab Oft sucht Berge den Vorgänger durch eine im Original gar nicht vorhandene Häufung von Synonymen zu überbieten; um dann die vorgeschriebene Silbenzahl nicht zu überschreiten, greift er schreckenden Synkopierungen und zu der schulmeisterlichen Erfindung des 17. Jahrhunderts, bei gleich auslautenden parallelen Ausdrücken die Endung nur dem letzten zu geben. II, 5 Staat-Stell- und Höll-gemäss (H.: Verdienst- und Höll-gemäss. merit rais'd to that bad eminence). M.: by II, 298 Schalt-walten, Selb-gefällig, Semper-frey (H.: und schalten walten da trotz Himmel selbst). II, 346 ein Nagel-newe Menschen-Welt entstehen (H.: ein andre welt aufstehn). III, 454 Was von Natur unzeitig, missbürtig, Monsters, ganz unschick-unfüglich (H.: Was v. N. unzeitig, verstellt, mifsbürtig, ungeschickt, unfüglich). III, 473 so viel bunt Affenspiel, Gauck-Heuchel-Werck betreiben, sich verkappen und verkutten (H.: allerhand Affenspiel und Gauckelwerk hier treibend sich verkappend und vermummend). III, 692 der sonst so scharf- und tief-sicht-sinn-ig Geyst (H.: und der so scharfsicht-sinnig sonst. M.: the sharpest sighted spirit of all in heaven). Dem Englischen nachgeahmt sind die zahlreichen Verkürzungen von Nebensätzen zu Attributen oder adverbialen Bestimmungen. Aber auch hier geht Berge weiter als Haacke. III, 541 dem, nach viel Ungemach die gantze Nacht, viel ungemach erlitten). (H.: der all die Nacht III, 626 Sein Haare mit Gold gekröhnt, die Locken ihm rückwarts, seinen Fittich übr, abwellend (H.: Von des gekrönten Haupt die Locken Ihm über seine Flügel wellenweis Lafs hiengen). III, 18 Seit, des Himmels Eingab nach, Ich all des Chaos Wüst-Lähr und all der Höllen-Reich hinab- und wiedr heraufgestiegen (H.: Wie der Himmlisch Sin mir's eingab, all das Chaos der Nacht und aller Höllen Reich durch-ab- und wieder aufzusteigen). III, 366 Dann solche [die Kronen] wieder auffgesetzt, ergriffen sie fertig ihre Harffen, zierlich ihnen bey hangend, Köchergleich (H.: Dann wieder aufgesezt, ergreif der Chor Ihr schöne Harfen, welche köcherweis zur Seytten ihnen hiengen). Alles in allem genommen bezeichnet die gedruckte Übersetzung Berges gegenüber der von ihm benutzten Haackes keinen Fortschritt, sondern einen Rückschritt; sie ist dunkler und verworrener und entfernt sich weiter vom Originale als jene. Ich lasse nun den Anfang des 1. und 4. Buchs als Probe von Haackes Verdeutschung folgen und füge zur bequemeren Vergleichung für die ersten 27 Verse Berges Überarbeitung derselben hinzu. Beiläufig möchte ich darauf hinweisen, dafs 1784 ein Ungenannter in Canzlers und Meifsners Quartalschrift für ältere Litteratur und neuere Lektüre 2. Jahrgang 4. Quartal 2. Heft S. 76–82 126 Verse von Berges Arbeit nochmals in einer dem modernen Geschmack angenäherten Gestalt hat abdrucken lassen. Des Ersten Menschen Abfall und die Frucht Ihm hochverbottnen Baums, dafs ihr Versuch Den Tod und all Unheyl hat auf die Welt E. G. von Berge, Das 1682. I. Buch. Des Menschen Fall, an dem ver botenen Baum und dessen schöner Frucht, dafs ihr versuch all Unheyl und den Tod auff diese Welt, Gebracht, und uns aufs EDEN und Uns aufs Eden bracht, biss bifs Gott-Mensch SCHILO*) komm, *) Anspielung auf die Weissagung des sterbenden Jakob: 1. Mose 49, 10, 5 Uns Voll erlös' und Alles wiederbring, Singend, ô Sin, der auf des Und Sinaï dem Schäfer, der zu erst Das Aufserwehlte Volck recht unterwiesen, voll Heyl und Sieg, und Alles wiederbring, hersingend: DICH, der du aut Horebs Spitze und Sinai, dem Schäfer, der zuerst dein aufsgeführtes Volk solt unterweisen, Eingeben hast, Wie Himmel, eingeben hast, wie Himmel, Erd Erd und Meer, 10 Und all ihr Heer anfänglich geuhrständet, Hast nachmahls Lust gehabt an Und Silo's Bach, des Höchsten Fürüber räuschelend; Dich ruf ich an, Zum Beystand eines so gewagten Wercks, 15 Da auf gantz ungemeine Weis Parnass ich über-steig, und Die keinem Dichter ie den Sin O Weiser Reiner Geist, der des Gemühts und Meer, und all ihr Heer anfänglich ge urständet; hast nachmahls Lust gehabt an Sions Berg und Siloês Bach, dein herrlich Heiligthum für räuschlend; dich nu ruf und fleh Ich an, zum Beystand eines so gewagten Wercks; da, auf gantz New und Ungebähnte Art, Parnass ich übersteig, und Ding für bring, Die keinen DICHTER je den Sin O Reiner Weiser Geyst, dem des Aufrichtigkeit für aller Tempeln Aufrichtigkeit für aller Templen Dienst dienst 20 Anschawest, Leyt du mich, du behaget, Leyt mich du, dann bey |