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VIII.

Am Sonntage Septuagesima.

Text: Pfalm L. v, 16 - 22.

auffallend und merkwürdig auch die Ver. änderungen und Erfolge find, M..3, die wir in der Geschichte finden und im täglichen Le hen gewahr werden: für Menschen von ver nünftiger Besonnenheit und lebendigem Gefühl giebt es doch nichts, was sie machtiger an sich zöge und ihr Nachdenken mehr beschäftigte, als der traurige, überall sichtbare und nie rus hende Kampf des Guten und Bösen. Wahrheit und Irrthum find im Streite gewe. sen, seitdem Menschen auf Erden leben, und find es noch alle Einsichten, alle Anstrengun gen, alle Aufopferungen der weiseften Männer find nicht im Stande gewesen, die Vorurtheile und Thorheiten der grossen Menge zu besiegens vielmehr hat sich die Wahrheit, um nicht ganz unterdrückt zu werden, häuffig sogar verbergen und in den stillen Schoos geheimnißvoller Verbindungen retten müssen. In welchen Kampf Tugend und Laster von jeher verwickelt gewesen

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sind, wer weiß das nicht? Die Tugend kann fich nicht aussern, ohne sich sogleich als die un versöhnliche Feindin des Lasters anzukündigen; und dieses fühlt sich von seiner Gegnerin viel zu sehr beschämt, gedemüthigt und bedroht, als daß es nicht alles wider dieselbe aufbieten follte; und wie schrecklich es zuweilen siegt, wie traurig die Tugend oft unterliegen muß, das ist bekannt. Glück und Unglück endlich, Wohl, feyn und Elend wie entgegengesezt sind sie eins ander, und wie unablässig feinden sie einander an! Was hat man nicht erdacht, gewagt und un ternommen, um der Noth und dem Jammer der Menschen abzuhelfen und den Zustand der selben zu verbessern? Aber ihr wisset, wie we nig diese Anstrengungen gelingen, wie häuffig das Glück der Menschen durch Unfälle aller Art gestört zu werden pflegt; und wie wahr, fcheinlich es ist, daß die meisten Menschen weit mehr leiden, als geniessen, weit mehr Schmerz, als Vergnügen empfinden.

Der Kampf des Gatent und Bösen könn te jedoch, wie es scheint, weder so allgemein und unablässig, - noch so traurig und für Jenes so nachtheilig werden, wenn dem Easter nicht so grosse Freyheit gestattet wåre, wenn es in den Einrichtungen, welche Gott der Welt gegeben hat, mehr Hindernisse ́ und Beschränkungen fånde. Die Wahrheit würde bald einen grösserne Einfluß erhalten und den Irrthum glücklich besiegen, wenn das Caster/

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nicht bey dem Leztern seinen Vortheil' sähe, und ihn daher mit aller Macht, die es besizt, zu erhalten und zu schüßen suchte. Daß dem Wohlseyn der Menschen, daß der Verbesserung ihrer Umstände, nichts hinderlicher ist, als das Caffer; daß es Elend verbreitet, wo es nur hinkommt, bedarf keines Beweises, ・ Wåre- és weniger mächtig, könnte es seinen verderblichen Einfluß nicht mit so groffer Leichtigkeit, erweis tern, so müßte es nothwendig beffer auf Erden stehen, unser Geschlecht müßte sich in weit glück. lichern Umständen befinden. Daß endlich die Tugend selbst so wenig vermag und fast im mer unterliegt; rührt es nicht davon her, weil das Laster schon eine Art von natürlicher Ueber. legenheit behauptet; weil ihm weit weniger Hins dernisse in den Weg gelegt sind, als der Tu gend; weil es munter und mit ungestörter Leichtigkeit wirkt, während die Tugend sich Zwang anthut und mit unzähligen Schwierigkeiten ringt?

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Aber woher diese auffallende Einrichtung ? Warum sehen wir das Easter mehr begünstigt, als die Tugend? Wie kann die Freyheit, die es genießt, wie kann der leichte, beneidenswerthe Einfluß, den es sich zu verschaffen weiß, mit der Weisheit, mit der Gerechtigkeit, mit der Heiligkeit Gottes bestehen? Sollte man, wenn mán es mit Augen sieht, was dem Laster alles gelingt, wie fren und ungeffört es wirken kann, und wie ungestraft es oft nach den schrecklich.

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ften Misserhaten bleibt, nicht auf den Gedan ken gerathen, Gott bekümmre sich nicht um die Angelegenheiten der Menschen, unsern Erdkreis umfasse er nicht mit seiner Regierung; das Gute auf demselben befördere er wenigstens nicht und überlasse die Tugend ihrem eignen Schicksal? Nur allzuoft haben sich solche Ver. muthungen in der Seele guter und böser Men. schen geregt, M. 3., haben jene mit Kummer und Angst, und diese mit Verwågenheit und Uebermuth erfüllt. Sie fällt auch wirklich all. zustark in die Augen, die grosse, fast unbeschrånk, te Freyheit, mit welcher Gott das Laster wirken läßt, als daß denkende und fühlende Menschen nicht aufmerksam werden und das Bedürfniß empfinden sollten, sich über diese wichtige Sache die erfoderliche Auskunft zu verschaffen. Der Tert, welchen ich jezt erklären foll, handelt ausdrücklich von derselben, und ich kann daher nicht umhin, fie dießmal zur Sprache zu brin»: gen. Lasset uns die Schwierigkeiten nicht scheuen, M. Z., die sich hier finden; laffet uns ruhig und vorsichtig forschen, und es wird sich zeigen, auch hier verherrlicht Gott seine weise Regie rung; er ist und bleibt der Heilige und Gerechte, der alles Böse verabscheut und bestraft. Wir flehen jedoch zuvor um seine Erleuchtung und Gnade in stiller Andacht.

Text: Ps. L. v. 16 -22.

7. Hier erklärt sich also Gott selbst über die Schonung, M. 3., die er dem Laster wider{ fahren

'D. Reinh. Pred. Ifter Band 16té Samml.

fahren läßt, und über die Nachsicht, mit der er es duldet; nur gehörig benußen dürfen wir daher den Unterricht, der uns hier gegeben wird, und die grosse Schwierigkeit bey der göttlichen Weltregierung, auf die ich gleich anfangs hin, gezeigt habe, wird sich heben; wir werden alles das Licht erhalten, welches wir zu unsrer Be ruhigung und zu einer weisen Einrichtung uns fers Verhaltens nöthig haben. So wollen wir denn die Freyheit, mit welcher Gott das Laster wirken läßt, dießmal zum Ge, genstand unsers Nachdenkens wählen. Es wird rathsam seyn, und unser Text veranlaßt uns auch dazu, daß wir uns vor allen Dingen mit der Beschaffenheit dieser Freyheit bekannt machen, daß wir es uns nicht im mindesten verhehlen, wie weit sie geht, und sie nach ihrem ganzen limfange- betrachten. So, dann wollen wir die Gründe derselben in Erwägung ziehen; wollen, auch hier von unserm Terte geleitet, nach den Ursachen forschen, warum sie dem Lasterhaften verstattet wird. Zulezt wollen wir noch sehen, welchen Gebrauch wir von diesen Erläuterun gen zu machen haben, wozu die Freyheit, mit welcher Gott das Laster wirken läßt, uns bewegen und antreiben soll.

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Zu läugnen ist es nicht, M. Z., das Bild, welches unser Text von der Freyheit entwirft, die Gott dem Lafter gestattet, hat etwas Auf, fallendes, ich möchte fast sagen, etwas Emps,

,rendes.

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