ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Anhang.

Quicquid ultra moror, non servio materiae, sed indulgeo, quae, quo ducit, sequenda est, non, quo invitat. Subinde enim nascetur, quo lacessat aliqua dulcedine animum, magis non supervacuum quam necessarium.

(Wenn ich nun irgendwie länger verweile, so geschieht dies weniger in pflichtmäßiger Ausführung denn in liebender Begünstigung meines Gegen: standes, dem ich eigentlich nur dahin nachfolgen sollte, wohin er mich leitet, nicht, wohin er mich lockt. Denn da wird sich nachgehend mancherlei zeigen, was durch seine Lieblichkeit unser Gemüt anregt, und was eher nicht überflüssig denn notwendig ist.) (Seneca, Ben. V, 1, 1.)

I.

Überblick über Senecas Leben und Schriften.

Multa probanda in eo [Seneca], multa etiam admiranda sunt.

(Vieles bei Seneca verdient Billigung, vieles auch Bewunderung.)

(Quintil., Instit. orat. X, 1, 130 sq.)

Mehrfach und in rühmlicher Weise ist das Geschlecht Unnäus Seneca in der Geschichte des ersten Jahrhunderts vertreten. Nicht nur begegnen wir unter den Philosophen und Dichtern des kaiserlichen Roms drei Sprößlingen dieser Familie: von ihr melden uns auch die Annalen des römischen Weltreiches sowie die heiligen Urkunden des Christentums.

Es war eine geistig hochstrebende, angesehene und wohlhabende familie des römischen Ritterstandes, welcher unser Philosoph Lucius Annäus Seneca, geboren im Jahre 4 vor Christi Geburt zu Corduba (Spanien), entstammte. Sein im Jahre 39 n. Chr. gestorbener gleichnamiger Vater, „ein Mann von altrömischer Strenge, welche aber oft durch liebenswürdigen. Humor gemildert wird, von gesundem und geschmackvollem Urteil", hat außer einem Geschichtswerke mehrere Schriften philosophisch-rhetorischen Inhaltes (besonders zehn Bücher Controversiae) verfaßt, welche aber kaum zur Hälfte erhalten sind.

1 Tacitus, Ann. 14, 53.

[ocr errors]

2 Teuffel Schwabe, Gesch. der röm. Literatur (1890) § 269. Vgl. Schanz, Gesch. der röm. Literatur (1890) § 334. Sen., Ad H. 17, 3: Patris mei antiquus rigor. Von der Schrift unseres Seneca,,De vita patris" besitzen wir nur ein Bruchstück: Haase III, 436.

Den Namen seiner Mutter hat unser Seneca selbst der Nachwelt in dem rührenden Trostbriefe aus seinem Exil,,Ad Helviam matrem" überliefert, worin er auch der Schwester seiner Mutter und ihres Gatten, Vetrasius' Pollio, welcher 16 Jahre lang Präfekt von Ägypten war, dankbar gedenkt.

[ocr errors]

Unser Seneca, im Vergleiche zu seinem Vater der jüngere“ genannt, war der mittlere von drei Brüdern. Der älteste, Novatus, welcher von dem Schriftsteller Gallio1, einem Freunde des Vaters, adoptiert worden war und daher L. Junius Gallio hieß, wurde Konsul, verwaltete sodann (ums Jahr 59 n. Chr.) Achaia, woselbst er für den Apostel Paulus eintrat2, und wurde schließlich von Nero zum Tode verurteilt.

4

Ein Sohn seines jüngern Bruders Mela3 ist der fruchtbare Schriftsteller Marcus Unnäus Lucanus 1 (39-65 n. Chr.), der Dichter des Epos „Pharsalia".

ferner wissen wir, daß Senecas Gattin, Paulina, welcher er in seinen Schriften (bes. in Ep. 104; vgl. S. 96. 98) ein liebevolles Denkmal gesetzt hat, ihn, als er dem Zorne Neros verfiel, nicht überleben wollte, jedoch auf Befehl des Tyrannen. am Leben erhalten wurde.

Zu den für die erste geistige Entwicklung günstigen Familienverhältnissen kam eine sorgfältige Erziehung in Rom, besonders unter den Philosophen Fabianus, Attalus und Sotion, sowie ein mehrjähriger in Ägypten bei seiner oben erwähnten Tante verbrachter Aufenthalt, welcher zwar zunächst durch die Gesundheit 5 veranlaßt war, aber dem jugendlichen Geiste vielfache Anregung

1 Teuffel Schwabe, Gesch. d. röm. Literatur § 268, 7; Tacit., Annal. 6, 9. 2 Upg. 18, 12 ff.; Tacit. l. c. 15, 73. S. 96, Anm. 1; S. 98, Anm. 2. 3 Also ein Enkel Helvias; vgl. S. 95: Ad H. 18, 2. 4 („dein Enkel Marcus“). 4 Teuffel Schwabe a. a. O. § 303; Schanz, Gesch. d. röm. Literatur § 389. In spätern Jahren litt Seneca an Herz- und Atembeschwerden; deshalb tragen seine Ermahnungen (vgl. S. 16 ff.) den unverkennbaren Stempel des Selbsterfahrenen, Selbsterkämpften. Auch die von Tacitus (Annal. 14, 56; 15, 45) berichtete Begründung der Zurückgezogenheit Senecas (,,quasi valetudine infensa", ,,quasi aeger nervis") dürfte thatsächlich mehr medizinische Unterlage gehabt haben als manchmal die stets hilfsbereiten modernen „Gesundheitsrücksichten“. Dgl. Sen., Ad H. 19, 2; Ep. 54, 1. Mary, Das Leiden des Philos. Seneca (Abhandl. der Göttinger Gesellschaft der Wissensch. 1872.).

[ocr errors]

in naturwissenschaftlicher wie in religiös-philosophischer Richtung brachte.

Bedeutsam, auch für das Verständnis seiner philosophischen Schriften, ist Senecas politische Laufbahn, welche kurz dahin zusammengefaßt werden kann: „Unter Gaius Caligula schon Senatsmitglied, wurde er unter Claudius bald nach dessen Regierungsantritt auf Messalinas Betreiben im Jahre 41 nach Corsica verbannt, jedoch nach achtjähriger Abwesenheit im Jahre 49 durch Agrippina zurückgerufen, mit der Erziehung ihres Sohnes Nero betraut und zum Prätor ernannt. Unter Nero erreichte er das Consulat und war eine Zeit lang thatsächlicher Lenker des Staates, fiel aber dann im Jahre 65 wegen angeblicher Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung in Ungnade und wurde genötigt, sich den Tod zu geben.“1

Welch jäher Wechsel! Bald strahlendstes Licht, bald tiefster Schatten! Vom Glanze der Senatorenwürde und der Hofgunst hinweg im schönsten Mannesalter von 45 Jahren auf das unwirtliche Corsica verbannt! Dann Erzieher und Kanzler des weltbeherrschenden Imperators und von diesem mit Gnaden, Gold und Länderbesitz geradezu überhäuft! Dann, während der drei letzten Lebensjahre, als verhaßter Mahner des zum wahnwitzigen Tyrannen gesunkenen Nero 3, vereinsamt in seiner Bibliothek, ein Staatsgefangener im eigenen Amtspalast, args wöhnisch überwacht und täglich der Schergen gewärtig, die ihm schließlich das Todesurteil brachten *.

1 Teuffel-Schwabe a. a. O. § 287.

2 Seneca schließt seine Schilderung Corsicas: Hic sola haec duo sunt: exsul et exsilium (Nichts findst du hier als die zwei: den Verbannten und die Ver bannung). (Epigr. II, 8.)

3 Über den Einfluß Senecas auf die ersten Regierungsjahre Neros vgl. oben S. 145, Anm. 1; ferner Tacit., Annal. 13, 2. 11, 13. Vielleicht ist die Einrichtung der besondern Beschwerdebehörde für die Sklaven auf Seneca zurückzuführen, deffen humane Gesinnung wir oben (S. 123) kennen lernten; vgl. Herders Staatslerikon V (1897), 71 ff.

4 Zutreffend weißt De la Saussaye (Lehrb. d. Religionsgesch. II [1890], 444) darauf hin, daß, wenn Senecas Philosophie in den Tagen des Terrorismus der ersten französischen Revolution Unklang fand, der Grund darin liegt, daß Seneca in einer Zeit ähnlicher allgemeinen Unsicherheit schrieb.

Einen erfreulichen Ruhepunkt inmitten dieser stürmisch auf. und abwogenden äußern Lebensführung bietet dem Biographen die stets gleichmäßig abgetönte Seelenstimmung, welche durch alle Schriften Senecas während dieses vierzigjährigen Zeitraumes hindurchklingt. Gleich entfernt von Selbstüberhebung im Glück wie von Verbitterung im Unglück, hat sein tief philosophisch angelegter und gründlich durchgebildeter Geist in der Schule des Lebens „in welcher Gott, jener erhabene Vater, nach strenger Väter Art den Guten etwas hart erzieht," 1 den edelsten Zielen der Weltweisheit sich zugewandt und seine Muße dem Forschen und Schreiben geweiht 2.

Senecas schriftstellerische Thätigkeit war vielseitig nach Stoff und form. Wir besitzen von ihm in gebundener Sprache Tragödien und Epigramme, während seine Prosawerke teils in Briefform, teils in Abhandlungen (Dialogen) auf Gegenstände der Ethik, der Lebenserfahrung und der Naturbeobachtung sich beziehen. „Den Ausgang bildet die stoische Lehre, aber ihre unfruchtbare Strenge wird gemildert, Härten werden abgeschliffen, die Grübeleien beiseite gelassen und Zuthaten aus andern Systemen nicht verschmäht: das Hauptgewicht ruht auf der eindringlichen, beredten Darlegung und Empfehlung sittlicher Grundsätze zum Besten des Einzelnen und der Gesellschaft. Diese auf Wirkung in weitern Kreisen berechneten philosophischen Schriften fesseln durch Weite des Gesichtskreises, fülle und Feinheit der Beobachtung, Reichtum des Wissens ohne gelehrten Beigeschmack, edle Würde der Gedanken, Wärme der Empfindung und eine glitzernde Darstellung, belebt durch alle Mittel der Rhetorik 3." Andererseits

1 Sieh die Stelle S. 73 (Prov. 1, 5).

2 Gegenüber dem Vorwurfe, daß Leben und Lehre nicht im Einklang stehe, haben wir Senecas Verteidigung aus seinem eigenen Munde gehört (S. 39 und Anm. 1). Auch Teuffel Schwabe (Gesch. der röm. Literatur § 287, 2) und Kreyher (Seneca und das Urchristentum [1887] S. 25) ziehen die ungünstigen Berichte des Kassius Dio (61, 10; 62, 2; 62, 25 u. a.), welcher „häufig den neidischen Stadtklatsch gegen Seneca wiedergiebt,“ entschieden in Zweifel. Jedenfalls haben Senecas letzte Lebensjahre und sein Tod den geläuterten Sittenlehren seiner Schriften den Stempel der Überzeugungstreue und Wahrhaftigkeit aufgedrückt.

3 Teuffel Schwabe a. a. O. § 288.

Beginger, Seneca.

13

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »