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IV. Aber selbst wenn wir für die vorerwähnten Stellen (unter I-III) fonach einen christlichen Einfluß nicht annehmen, so verbleiben doch zahlreiche Gleichnisse und Sentenzen, für welche wenigstens bis dahin eine andere Quelle als das Neue Testament nicht bekannt wurde. Daß aber alle diese auffallenden Anklänge auf Zufall beruhen, erscheint doch kaum glaubhaft. Beispielsweise seien aus unserer Blütenlese angeführt:

S. 6 Anm. 1 (Gleichnis vom reichen Manne);

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2 (Vom Senfkörnlein);

1 (Vom Abschneiden der ärgernden Hand 2c.); (Dom Knechte mit den Pfunden);

2 (Vom Sonnenschein über Gerechte und Ungerechte);

1 (Vom Säemann);

1 (Von Dornen und feigen).

Ausgehend von unserer Annahme, daß Seneca alles Christliche nur in verschleierter Form erwähnt, dürfen wir wohl die Andeutungen

S. 51/52, sowie S. 173 (Ep. 41), 203 auf Christus und sein Leiden,

S. 179 Anm. 2 auf die Auferstehung Christi,

S. 151 (Ep. 24 und 14) auf christliche Martyrer,

S. 170—173 auf die christliche Lehre von der Erlösungsbedürftigkeit und

S. 185 Anm. 4 auf die christlichen Grabinschriften beziehen1. Warum sollte auch der vielseitige, geistreiche Eklektiker, dessen Schriftstellerdevise lautet: Quod verum est, meum est (Ep. 12. 11). gerade an den (auch rein menschlich betrachtet) so einzig schönen, so schlichten, treffenden Parabeln 2 und Sentenzen des Neuen Testaments intereffelos vorübergegangen sein? Sei es nun, daß

1 Auffallend ist, wie sich der Unklang an Röm. 12, 15, dem wir zuerst in Clem. II. begegnen (S. 126/127), in der um 8 Jahre spätern Ep. 103 (S. 15) dem Wortlaute und Geiste des Römerbriefes genähert hat. Doch zu folgerungen berechtigt das nicht; Senecas Neigung zur Hyperbel mag bei der einen oder der andern oder bei beiden Stellen mitgespielt haben.

2 Vgl. P. Baumgartner, Geschichte der Weltlitteratur I (1897), 140, Anm. 3. Senecas Urteil über Parabeln haben wir oben S. 109, Unm. 3 gesehen.

er die heiligen Bücher der Christen gelesen hat, sei es, daß er den Inhalt was wahrscheinlicher ist — nur mündlich erfuhr: jedenfalls trat ihm in Lehre und Leben der Christen etwas so Neues, so Wunderbares, so Überweltliches und doch so Geistesverwandtes entgegen, daß er sicherlich darauf bedacht war, das Gehörte und Miterlebte in seine Werke zu verweben. Zumal die christlichen Glaubenszeugen boten ihm Beispiele eines todesmutigen Heroismus, wie er auf dem Boden der Stoa freilich nie erblühte, aber doch als Ideal angestrebt wurde.

Endlich ist es doch wohl mehr denn ein zufälliges Zusammentreffen, daß die Gefangenschaft des Apostels Paulus bis zu Senecas Sturz (Ende 62) sehr mild vollzogen worden ist, und daß die Christenverfolgung (64) sowie das Martyrium der Apostelfürsten (67) in die Zeit nachher fallen.

Wie immer jedoch Senecas äußere Beziehungen zum Christentum gewesen sein mögen, das eine steht fest, daß er für die nächsten Jahrhunderte eine Leuchte war am Wege zur christlichen Wahrheit. Auf ihn passen die Verse, die Dante an seinen Führer Virgil richtet:

Facesti come quei che va di notte,

Che porta il lume retro e sè non giova,
Ma dopo sè fa le persone dotte.

(Du warst wie einer, der im Dunkeln schreitet,
Die Fackel hinter sich, die ihm nichts nützt,
Jedoch den Spätern nach ihm Licht verbreitet.)

(Dante, Purg. XX I. 67.)

Schlußwort.

Nicht nur in den Zeiten eines Lactantius, Auguftinus und Hieronymus, jener erlauchten Geister, welche den Glaubensinhalt des Christentums mit den Denkformen des klassischen Altertums zu vermählen suchten, und nicht nur in den Jahrhunderten, da stille Mönche das Erbgut der Klassiker hüteten und uns in den Klosterbüchereien vervielfältigt hinterließen, galt unser Philosoph als Fundgrube goldener Lebensweisheit1: auch neuere Forscher und Denker haben sich in der weltfreien, weltfrohen Geistesatmosphäre erquickt, welche uns aus seinen Schriften entgegenweht 2.

In der That, Senecas stolzes Wort: für die Nachwelt schreibe ich", hat sich durch 19 Jahrhunderte, und zwar auch

1 Dante, welcher ihm im Jenseits den Ehrenplatz bei den Koryphäen des Altertums: Aristoteles, Plato, Cicero (Inf. IV, 141) giebt, führt seine Werke mehrfach an: in Convivio I, 8, 91 (- Ben. II, 1, 4; s. S. 138, Unm. 2); II, 14, 127 (= Nq. I, 1, 3: Meteor beim Tode des Augustus); IV, 12, 89 (= Nq. III, pr. 2 oder Ep. 76, 3?); in De volgari eloquio I, 6 (= Ep. 28, 4: nos, cui [in exilio] patria mundus; s. S. 151, Tranq. 4); in De Monarchia II, 5 (= Haase, Sen. op. III, 473: De iustitia V, I). Vgl. auch den Artikel Seneca in dem gründlichen Dante-Wörterbuch: Scartazzini, Enciclopedia Dantesca II (Milano 1899), 1791; ferner F. X. Kraus, Dante, sein Leben 2c. (1897) S. 263 f.

2 Es dürfte daher auch die Einführung einer Anthologie aus Seneca in die Gymnasien zu erwägen sein, wie dies z. B. von Böhm (Progr. [Berlin 1856]: Seneca und sein Wert für unsere Zeit) sowie von Holzherr (Progr. [Rastatt 1858/59]: Der Philosoph Seneca) angeregt wurde. Letzterer empfiehlt folgende Stücke: Ep. 2. 6. 14. 22. 28. 41. 58. 66. 67. 71. 74. 76. 85. 88. 90. 95. 110. 114. 115. 120. 121; Tranq. 1; Nq. I prol.; Ad H. 8, 4; Ben. IV, 5. 23.

3 Ep. 8, 7. „Ich werde in Gunst stehen bei der Nachwelt und kann Namen [anderer] mit mir emporziehen zu ewiger Dauer“, schreibt er an anderer Stelle (Ep. 21, 5) im Anschluß an Epikurs Briefe an Idomeneus: „Meine Briefe werden dich bekannter machen als alles, was du hochhältst und weshalb du hochgehalten wirst."

nördlich vom Tiberstrom, wieder und wieder bewährt, und so= lange des Menschen Leben hienieden ein „Kriegsdienst" ist1, so lange wird auch die Parole gelten: Placidus et inconcussus (Friedsam und unentwegt)!2

Menschen sind die Menschenkinder
Aller Zeiten, aller Zonen,
Ob sie unter Birkenbüschen,

Ob sie unter Palmen wohnen.

(F. W. Weber, Dreizehnlinden XVII, 3.)

Im Jahre 1541 sammelte Erasmus, dem wir eine Ausgabe der Werke Senecas verdanken, deffen schönste Sentenzen in Flores Senecae.

Der bekannte Altertumsforscher Lipsius († 1606) schreibt: Senecam commentari incepi: pergo sedulo, et in ipso labore fructum eius capio: formari et emendari (Ich habe begonnen, Seneca zu erläutern; ich fahre emsig fort und schon bei der Arbeit pflücke ich deren Frucht: veredelt und durchgebildet zu werden). (Ep. ad Belg. Cent. I, 42.) Selbst der sonst gestrenge Jesuit Possevin anerkennt in seinem Apparatus sacer III (Venet. 1606), 204:

Miris aculeis ad virtutis studium inflammat et ab humilioribus curis ac sordidis voluptatibus avocat (mit wunderbarem Sporn entflammt er zum Tugendeifer und hält zurück von niedriger Sorge und schmählicher Luft).

Der Bischof von Norwich, Hall († 1656), schrieb über Seneca ein Werk: Heaven on earth or of true peace and tranquillity of mind (Der Himmel auf Erden oder vom wahren Frieden und Gleichmut).

Die goldenen Sprüche Senecas bilden ferner einen Hauptbestandteil der Manductio ad coelum, in welcher der als Kardinal und Cisterciensergeneral im Jahre 1674 verstorbene Gelehrte Bona die Schriften der spätern Stoiker, auch des Mark Aurel und Epiktet, aufs glücklichste verwoben hat. Eine deutsche Aus

1 Vgl. S. 52, Anm. 2.

2 Seneca, Ep. 59, 14.

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gabe erschien von Schneider, Bona, Wegweiser zum Himmel". Freiburg, 1876.

Svaning, ein Kopenhagener Gelehrter, ist der Verfasser von Senecae theologia moralis. 1717.

Der Jesuitenpater Schellenberch aus Trier bot der lateinkundigen Christenwelt den Seneca christianus, i. e. flores christiani ex Senecae epistolis collecti (1769) mit dem als Einladung an den geneigten Leser" gewiß rückhaltslosen Motto:

"

Tolle, lege, christiane, et erubesce!

(Nimm, lies, mein Christ, und erröte!)

Und ein Jahrzehnt später ruft sogar der Wortführer der französischen Encyklopädisten, Diderot, aus: „Uch, wenn ich Seneca früher gelesen hätte!... Wie viel Leid würde er mir erspart haben!"

(Essai sur les régnes de Claude et de Néron et mœurs et les écrits de Sénèque. Paris 1779.)

sur les

Aus dem nun zur Neige gehenden Jahrhundert sei neben den früher angeführten Schriften von Böhm, Holzherr und Kickh (S. 39 Anm. 1 und S. 199. 201) insbesondere der belesene und geistvolle Verteidiger des Katholicismus De Maistre erwähnt, welcher Senecas Briefe des trésors de morale et de bonne philosophie nennt und beifügt: Il y a de ses Epîtres, que Bourdaloue ou Massillon auraient pu réciter en chaire avec quelques légers changements.' (Soirées de St-Pétersbourg II [1821], 161.)

Den guten Schluß möge der gottselige Verfasser der „Nachfolge Christi" bilden, Thomas von Kempen (gest. 1471), welcher Senecas Schriften nicht nur kennt und wörtlich anführt1, sondern so recht eigentlich in derselben Luft der Innerlichkeit und der Seelenruhe atmet, verklärt freilich durch das Glück des Glaubens und jenes Friedens, „den die Welt nicht giebt.“

1 Einige Parallelstellen sind auf S. 14 (Anm. 2) und S. 133 (Anm. 1) neben einandergestellt.

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