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Die Ursache der verfehlten Theorie.

schrieben, über ihre Richtigkeit ist kein Streit. Die entscheidenden Versuche mit möglichst gereinigtem, einfachem Lichte, auf welche Newtons Theorie gegründet ist, scheint er nie nachgemacht oder gesehen zu haben. Seine übermäßig heftige Polemik gegen Newton gründet sich mehr darauf, daß dessen Fundamentalhypothesen ihm absurd erscheinen, als daß er etwas Erhebliches gegen seine Versuche oder Schlußfolgerungen einzuwenden hätte. Der Grund aber, weßhalb ihm Newtons Annahme, das weiße Licht sei aus vielfarbigem zusammengesett, so absurd erschien, liegt wieder in seinem künstlerischen Standpunkte, der ihn nöthigte, alle Schönheit und Wahrheit unmittelbar in der sinnlichen Anschauung ausgedrückt zu suchen."

In ausführlicherer Darlegung entwickelt Helmholz ander wärts: wie Göthe nicht an einzelnen Theilen der Theorie Newtons Anstoß nahm, weil sie etwa im einzelnen gegebenen Falle nicht ausreichte, sondern sie auch da bekämpfte, wo sie eine consequente, ausreichende Erklärung gibt; wie er ferner in seiner Polemik ihr weder innere Widersprüche nachwies, noch Thatsachen bestritt, sondern sich begnügte, die von Newton erklärten Thatsachen anders zu erklären; wie er endlich, mit den geometrischen Verhältnissen unbekannt, einige Versuche Newtons selbst anzustellen nicht im Stande war, und die Möglichkeit, reines farbiges Licht abzuscheiden, in Abrede stellte, ohne wahrscheinlich je mit den hierzu nöthigen complicirten Apparaten beobachtet zu haben.

Es fehlten ihm also nicht bloß die mathematischen Vorkennt nisse, die wissenschaftlichen, physikalischen Grundbegriffe, sondern auch seine empirischen Beobachtungen waren höchst unvollständig und nicht hinreichend, ein Theorie darauf zu bauen. Alles läuft darauf hinaus, daß er Newton nicht verstand und deßhalb seine Theorie für absurd hielt. „Es scheint ihm namentlich der Gedanke undenkbar gewesen zu sein, daß weißes Licht aus farbigem zusammengesetzt werden könne."

1 Helmholz, Populär - wissenschaftl. Vorträge. Braunschw. 1876. 1. Heft. S. 46-54.

Mildernde Erklärung.

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Der Milderungsgrund, den Helmholtz zu Göthe's Gunsten geltend macht, ist dessen Eigenschaft als Dichter:

,,Man kann einigermaßen einsehen, daß der Dichter eine ganz andere Betrachtungsweise, als die physikalische, in die Naturforschung einführen wollte, und wie er dazu kam. In der Dichtung kommt es ihm nur auf den ‚schönen Schein' an, der das Ideale zur Anschauung bringt; wie dieser Schein zu Stande komme, ist gleichgültig. Auch die Natur ist dem Dichter sinnbildlicher Ausdruck des Geistigen. Die Physik sucht dagegen die Hebel, Stricke und Rollen zu entdecken, welche hinter den Coulissen arbeitend diese regieren, und der Anblick des Mechanismus zerstört freilich den schönen Schein. Deßhalb möchte der Dichter gern die Stricke und Rollen hinwegläugnen, für die Ausgeburten pedantischer Köpfe erklären und die Sache so darstellen, als veränderten die Coulissen sich selbst oder würden durch die Idee des Kunstwerks regiert.

„Wir können aber den Mechanismus der Materie nicht dadurch besiegen, daß wir ihn wegläugnen, sondern nur dadurch, daß wir ihn den Zwecken des sittlichen Geistes unterwerfen. Wir müssen seine Hebel und Stricke kennen lernen, wenn es auch die dichterischen Naturbetrachtungen stören sollte, um sie nach unserem eigenen Willen regieren zu können, und darin liegt die große Bedeutung der physikalischen Forschung für die Cultur des Menschengeschlechts und ihre volle Berechtigung gegründet!" 1

Diesem Urtheil des angesehenen Physikers haben wir nur das Eine hinzuzufügen: daß durch Göthe's Farbenlehre auch die Poesie lediglich nichts gewonnen hat. Sie hat ihn jahrelang der dichterischen Thätigkeit entfremdet, um frohen Muth und glückliche Stimmung gebracht. Dagegen hätte kein einziges seiner bedeutenden Werke etwas dadurch verloren, wenn er, statt gegen Newton einen unfruchtbaren Krieg zu führen, die großartige Einheit und Harmonie der Naturkräfte, welche dessen Theorie beherrscht, erkannt und anerkannt hätte. Echte Poesie ruht nicht

1 A. a. O. 52. 53.

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Auch die Poesie heischt Wahrheit.

auf dem bloßen schönen Schein“, sondern auf der wahren und wirklichen Harmonie zwischen Erscheinung und Idee, Form und Inhalt, Stoff und Geist. Das hat Göthe selbst empfunden, als er in gemüthlicher Stunde seines naturalistischen Streberthums vergaß und sich freudig seines Dichterberufs erinnerte:

„Dem Glücklichen kann es an nichts gebrechen,
Der dieß Geschenk mit stiller Seele nimmt:
Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit,

Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit.“

5. Des Epimenides Schlaf und Erwachen.

1808-1815.

„Ich habe nie in meinem Leben mich gegen den übermächtigen Strom der Menge oder des herrschenden Princips in feindliche, nuglose Opposition stellen mögen; lieber habe ich mich in mein eigenes Schneckenhaus zurückgezogen und da nach Belieben gehauset." Göthe, Unterredungen mit Kanzler Müller.

„Auch in der Literatur verlor das Spielen und Tändeln seinen Werth, die ästhetische und künst= lerische Selbstgenügsamkeit ihre Alleinherrschaft. . . . Die classische Schule, deren Mittelpunkt Weimar war, verschloß sich vor der neuen Strömung; Göthe kam ihr selbst mit unverhohlener Ungunst entgegen.“ Ludwig Häusser, Deutsche Geschichte.

Vom Jahre 1808 bis 1814 bietet Göthe's Leben nichts Hervorstechendes, nichts, was mit den großen Zeitereignissen in näherem Zusammenhang stände. Er zog sich in sein eigenes Schneckenhaus zurück, wie er selbst sagt. Sein Leben war das eines vornehmen Hofherrn, der, mit mehreren Orden geschmückt, sich vorzugsweise literarischen und wissenschaftlichen Arbeiten widmete, daneben die wissenschaftlichen und Kunst- Anstalten des Herzogthums überwachte, das Hoftheater leitete und durch einen umfangreichen Briefwechsel mit einer Menge von angesehenen Leuten in literarischem Verkehr stand. Obwohl er als der größte lebende Dichter Deutschlands galt, entglitten doch die Zügel der zeitgenössischen Literatur seinen Händen. Es trat eine unabhängigere Kritik auf. Junge Kräfte machten sich geltend. Die patriotische Bewegung gegen Napoleon rief Elemente wach, die bis dahin vernachlässigt worden waren. Die Noth der Zeit

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Literarische Thätigkeit von 1808-1813.

gab den religiösen Ideen und der nationalen Begeisterung der Romantik eine mächtigere Anregung und praktische Ziele. Die „Wahlverwandtschaften" traf von mancher Seite harter Tadel. Die Farbenlehre", von den Fachmännern zurückgewiesen, erweckte in der allgemeinen Bewegung der Zeit wenig Interesse. Am meisten Anklang fanden noch des Dichters frühere Leistungen, besonders der Göz“ und der „Faust". Der „Göt“ entsprach der freisinnigen Stimmung, die gegen Napoleons Gewaltherrschaft beständig zunahm; für den „Faust" schwärmten alle jüngeren poetischen Naturen, die in ihrem Glauben und Wissen keine rechte Befriedigung fanden.

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Durch das Schicksal seiner Werke auf die eigene Jugend zurückgedrängt, begann Göthe im Jahre 1810 seine Lebensgeschichte zu systematisiren; in dem folgenden, dem berühmten Weinjahr 1811, ward der erste Band von „Dichtung und Wahrheit" vollendet, 1812 der zweite, 1813 der dritte. Dann holte der Selbstbiograph die Briefe, Notizbücher und kleinen Auffäße der italienischen Reise hervor und redigirte ein Buch daraus. Es waren 27 Jahre verflossen, daß er dieses zweite Studentenleben durchgemacht, und damals stand er schon den Vierzigen nahe. Was er damals geschrieben, das war noch frisch und lebendig: die neuen Zusätze athmeten schon den feierlichen Orakelton, den Alter, Stellung und Erfahrung mit sich brachten. Es war kein eigentliches Produciren mehr. Die Phantasie zehrte fast nur von alten Erinnerungen. Das Leben des höchst mittelmäßigen Malers Hackert und eine Freimaurergedächtnißrede auf Wieland gehören mit in diesen Kreis. Der Baum trug nur mehr kümmerliche Blüthen, aber es war viel reifes, überreifes Obst da; das ward nun zubereitet, auch wohl gedörrt. Da, die unbedeutende „Wette" abgerechnet, fein eigenes Drama mehr entstehen wollte, ward wenigstens „Romeo und Julie“ für die Bühne gekürzt und arrangirt, auch ein Versuch angestellt, den „Faust“ aufführbar zu machen. Daneben ein paar Prologe, Epiloge und Maskenzüge, einige kleinere Auffäße über „Myrons Kuh“, „Ruysdael“, „Shakespeare“, eine Erzählung („Das nußbraune Mädchen“),

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