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Göthe's Verlegenheit und Mißmuth.

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erzürnt dem begeisterten Kreise der Körner und Arndt damals zurief: Schüttelt nur an Euern Ketten, der Mann ist Euch zu groß, Jhr werdet sie nicht zerbrechen. Als die ersten Preußen und Kosaken im Frühjahr gegen Weimar streiften, regte sich in Göthe nur in erhöhtem Maße die Schnsucht nach Frieden, und er eilte nach Tepliß, um dem störenden Gedränge zu entgehen. Eifriger als je versenkte er sich in literarische Arbeiten. Wie sich in der politischen Welt' — so äußert er sich selbst — ‚irgend ein ungeheures Bedrohliches hervorthat, so warf ich mich eigensinnig auf das Entfernteste. So trieb er nach seiner Rückkehr aus Böhmen mit allem Ernst chinesische Geschichte, und am Tage der Schlacht von Leipzig schrieb er für die Schauspielerin Wolff den Epilog zu Esser! . .

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„So standen die Heroen unserer classischen Zeit außer Zusam menhang mit der neueren Literatur, die aus den Tagen der Bewegung und des Kampfes erwuchs; jüngere Kräfte schlugen in Gedicht, Lied, in der Presse und in Flugschriften den Ton von 1813 an, vor dem Göthe sich scheu und unmuthig zurückzog. Dieser neue Ton hatte allerdings nichts mehr gemein mit dem ästhetischkritischen Zeitalter, das vorausgegangen war; er athmete nur leidenschaftlichen Haß gegen die Fremden und hohes patriotisches Selbstgefühl. Aus dieser jungen Literatur sprach die tiefe Geringschätzung gegen das bloß literarische Genießen; Charaktere und Thaten galten ihr mehr als aller Geist und alle Bildung. Jene objective Ruhe und Abgeschlossenheit der künstlerischen Zeit stand bei ihr in tiefem Mißcredit; Begeisterung und Haß, Leidenschaft und Opfermuth waren die Anforderungen, die sie an Alle stellte. Auf nationalem Gebiete wie auf dem religiösen war sie zum Ueberlieferten und Volksthümlichen zurückgewendet; die philosophische Speculation mußte einer schlichten und kernhaften Gläubigkeit weichen." 1

Von den Heroen" war übrigens Ende Januar 1813 nur Göthe noch übrig. Wieland wurde in der Nacht vom 10. auf

1 Häusser, Deutsche Geschichte. IV. 242. 243.

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Wielands Tod und Leichenfeier.

den 11. von einem Schlaganfall getroffen und starb zehn Tage später. In seinen leßten Stunden hörte man ihn Hamlets Monolog Sein oder Nichtsein“ halb deutsch, halb englisch recitiren. Da er 1808 mit Göthe wieder in die neu errichtete Loge Anna Amalia" getreten war, übernahmen die „Brüder" die Sorge für seine Leichenfeier, die, im Gegensatz zu jener Schillers, sehr glänzend ausfiel. Bertuch, der 1808 mit neun gegen drei Stimmen, die auf Göthe fielen, „Meister vom Stuhl“ geworden war, ließ den mittlern Theil des LandesindustrieComptoirs mit architektonischen Verzierungen schmücken. Da wurde am Abend des 24. die Leiche ausgestellt, das Haupt mit einem Lorbeerkranz geschmückt, der Körper in weißes Tuch ge= wickelt. Auf dem Sarge prangten neben dem französischen und russischen Orden „Oberon“ und „Musarion“ in Maroquin, ebenfalls mit Lorbeer umwunden.

Am andern Tag ward die Leiche nach Wielands einstigem Landgut Osmannstädt gebracht und neben seiner Frau und seiner Freundin Laroche begraben. Sechzehn Maurerbrüder wechselten im Tragen des Sarges. Die andern Mitglieder folgten dem Trauerzug, welchen-charakteristisch genug — der französische Gesandte Baron St.-Aignan mit Wielands ältestem Sohne Ludwig eröffnete2.

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1 Gruber, Chr. M. Wieland. II. 528 ff. H. Döring, Wielands Biographie. Jena 1853. S. 153. „Weichmüthiger, als bei Wielands Tode," erzählt Falk, „habe ich Göthe nie zuvor gesehen und sah ihn auch nachher nie wieder so.“ Johannes Falk, Göthe aus näherm persönlichem Umgange dargestellt. Leipzig 1836. S. 67. Vgl. das merkwürdige Gespräch über Monaden und Fortdauer nach dem Tode (ebdf. S. 50 ff.), bei dessen Schluß Göthe gesagt haben soll: „Wo das Wissen genügt, bedürfen wir freilich des Glaubens nicht; wo aber das Wissen seine Kraft nicht bewährt oder ungenügend erscheint, sollen wir auch dem Glauben seine Rechte nicht streitig machen. Sobald man nur von dem Grundsaß aus= geht, daß Wissen und Glauben nicht dazu da sind, um einander aufzuheben, sondern um einander zu ergänzen, so wird schon überall das Rechte ausgemittelt werden.“ 2 H. Döring, a. a. D. S. 154.

Göthe's Rede in der Trauerloge.

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Am 18. Februar wurde dann in der Loge eine Trauerfeier gehalten, in welcher Göthe als Sprecher einen sehr feingezeichneten, aber auch ebenso schmeichlerischen Lebensabriß des Verstorbenen gab 2.

„Nur wenige Monate sind es," so heißt es darin, „als die verbundenen Brüder ihre geheimnißvolle Sphing für ihn mit Rosen bekränzten, um auszudrücken, daß, wenn Anakreon, der Greis, seine erhöhte Sinnlichkeit mit leichten Rosenzweigen zu schmücken unternahm, die sittliche Sinnlichkeit, die gemäßigte, geistreiche Lebensfreude unseres Edlen einen reichen, gedrängt gewundenen Kranz verdiene. . .

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Schon als Jüngling mit demjenigen bekannt, was uns von den Mysterien der Alten überliefert worden, floh er zwar nach seiner heitern, klaren Sinnesart jene trüben Geheimnisse, aber verläugnete sich nicht, daß gerade unter diesen, vielleicht seltsamen Hüllen zuerst unter die rohen und sinnlichen Menschen höhere Begriffe eingeführt, durch ahnungsvolle Symbole mächtige, leuch tende Ideen geweckt, der Glaube an einen über Alles waltenden Gott eingeleitet, die Tugend wünschenswerther dargestellt und die Hoffnung auf die Fortdauer unseres Daseins sowohl von falschen Schrecknissen eines trüben Aberglaubens, als von den ebenso falschen Forderungen einer lebenslustigen Sinnlichkeit gereinigt worden...

„Ja wenn dieser altgegründete und nach manchem Zeitwechsel

1 „Ez durften nur Frauen von Maçons," schreibt Charlotte von Schiller, noch dazu nur von hiesigen dabei sein. Ich als die beste Freundin Wielands, die ihn in den letzten Jahren am meisten sah, hätte wohl tiefer gefühlt, was da vorging, als manche Dame, die entweder nur da war, um da zu sein, oder in leere Accla= mation auszubrechen . . . Hätte ich der dicken Hälfte (Christiane Vulpius) für eine Schale Punsch für diesen Abend ihr Recht ab= kaufen können, wie Esau um ein Linsengericht seine Erstgeburt, so glaube ich, wären wir Beide an unserm Plaz gewesen.“ Char= lotte von Schiller. I. 656. 657.

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2 Göthe's Werke [Hempel]. XXVII. 2. Abthlg. S. 54–73.

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Unruhe und Noth zu Weimar.

oft wiederhergestellte Bund eines Zeugnisses bedürfte, so würde hier das vollkommenste bereit sein, indem ein talentreicher Mann, verständig, vorsichtig, umsichtig, erfahren, wohldenkend und mäßig, bei uns Seinesgleichen zu finden glaubte, sich bei uns in einer Gesellschaft fühlte, die er, der besten gewohnt, als Vollendung seiner menschlichen und geselligen Wünsche so gern anerkannte." 1

So predigte Göthe in der Loge von Gott und Unsterblichkeit, Ideen und Tugend, griechischen Mysterien und sittlicher Sinnlichkeit, Anakreon und Rosen, als ob es nie ein Christenthum gegeben, als ob die religiöse und sittliche Bildung Europa's nicht vom Christenthum, sondern aus den griechischen Mysterien herrührte, und als ob Wieland, der Nachschreiber antiker und französischer Pornographen, der Verderber deutscher Sitte, in seinen Schriften der unzüchtigste der deutschen Classiker, ein unvergänglicher Lehrer wahrer Weisheit und Tugend gewesen wäre 2.

Die gewaltige Zeit zog indeß unaufhaltsam mahnend, warnend und aufrüttelnd über Weimar dahin. Schon Ende Februar zeigten sich ganze Schwärme der aus Rußland heimkehrenden großen Armee, schrecklich Verstümmelte, Nervenkranke, kaum der unsäglichen Noth Entronnene. Weimar war noch französisch; aber von Ostpreußen aus hatte sich Deutschland aufgerafft, ge= meinsam mit den Russen, die Unterdrücker zu verjagen. Die Furcht vor den Kosaken wuchs im Laufe des März. Am 2. April zog der französische General Durutte plötzlich mit seinen Truppen fort. Am 7. reiste die Großfürstin nach Teplitz, zehn Tage später folgte ihr Göthe. Er hatte Mühe, durchzukommen. Am 12. besetzten preußische Husaren die Stadt, die sie indeß bald wieder verließen. Sie kamen wieder, wurden aber von nachströmenden Franzosen, Ney's Vorhut, hinausgeworfen. Am 26.

1 Ebds. S. 55. 72.

2 Vgl. Briefwechsel zwischen Göthe und Reinhard. S. 145. 146. Göthe war so sehr über die Zeitläufte verstimmt, daß er schrieb : „Ist wohl in diesen Augenblicken jemand zu bedauern, der hinweg= gehoben wird?" Ebds. S. 147.

Göthe und Theodor Körner.

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kam Napoleon nach Erfurt, den folgenden Tag auf drei Stunden nach Weimar. Die Truppenzüge dauerten noch den ganzen Mai, Juni, Juli fort. Als es ruhiger geworden, am 16. August, erschien Göthe wieder im Lande, amüsirte sich eine Woche mit dem Herzog in Ilmenau und kam dann nach Weimar 1.

Sehr bezeichnend für seine Stellung zu den Freiheitskriegen ist ein Zug, den Frau von Stein erzählt. Sie wollte ihm, dem so lange Geliebten, zu seinem Geburtstag ein Körbchen Ananas bringen. Da sie ihn den ganzen Tag nicht finden konnte, schlich sie Abends spät beim Mondschein in Begleitung einer Kammerfrau in seinen Garten. Da sah sie ihn denn sißen, aber nicht allein. Neben dem alten Herrn saß die junge Theatersängerin Engels und sang ihm zur Guitarre vor. Nun war für Charlotte denn doch die Romantik aus; sie stellte ihm unbemerkt die Ananas in die Nähe und schlich sich unbemerkt davon, wie sie gekommen war 2. Zwei Tage vorher starb der ritterliche Theodor Körner, den seine jugendliche Braut nicht vom Schlachtfeld zurückgehalten, bei Gadebusch den Heldentod. Zwei sprechende Gegenbilder!

Es wurde November, und die Hauptsache war schon gethan, bis die patriotische Bewegung der Freiheitskriege endlich auch in Jena und Weimar zündete 3. Alzs Knebels Karl mit zwei Freun

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1 Dünger, Charlotte von Stein. II. 379 ff. Schöll, Karl= August-Büchlein. S. 127 ff. Charlotte von Schiller. I. 658. Riemer, Briefwechsel zwischen Göthe und Zelter. II. 78. 79. 2 Dünger, Charlotte von Stein. II. 390. „Où peut on être mieux, qu'au sein de sa famille ?" fügt sie der Erzählung in einem Billet bei. Charlotte von Schiller. II. 357.

3 Noch nach der Völkerschlacht von Leipzig scheint Göthe an die Befreiung des deutschen Volkes nicht haben glauben zu wollen. Wenigstens meldet Frau von Stein: „Göthe hat seinen Napoleonsorden müssen ablegen. Graf Colloredo, ein rechter Enragé gegen die Franzosen, logirte bei ihm; er nahm's ihm sehr übel, daß er ihm mit dem Orden entgegenkam, und zwang ihn, ihn abzulegen. So erzählt man's." Dünger, Charlotte von Stein. II. 397.

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