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Die Freiwilligen von Weimar.

den sich als Freiwillige melden wollte, mahnte Göthe, erst den Aufruf des Herzogs abzuwarten. Als der Medicin-Professor D. G. Kieser in Jena sich einschreiben ließ, rieth ihm Göthe, wenigstens nicht mit den Freiwilligen mitzuziehen, sondern sich den Nervenkranken in Weimar zu widmen. Bis Ende November hatten erst 32 Freiwillige unterzeichnet, und die Geheimräthe Göthe und Voigt thaten ihr Bestes, Jedermann zurückzuhalten, indem sie keinem Angestellten, der sich etwa meldete, seinen Play bis zur Rückkehr offen lassen wollten. Das nationale Philisterthum ward bis auf die Spiße getrieben. Göthe's Sohn August hatte mehr Edelsinn und Ehrgefühl als der Vater. Von dem begeisternden Beispiel seiner Altersgenossen mit fortgerissen, wollte er mit in den Krieg. Daß Göthe es nicht erlaubte, mag einiger maßen damit entschuldigt werden, daß August sein einziges Kind war; aber hochherzigen, opfermuthigen Patriotismus verräth es nicht. Göthe ließ nicht einmal zu, daß August Hofjunker beim Erbprinzen würde, sondern bat den Herzog, ihn bei einem auswärtigen, ungefährlichen Geschäfte zu verwenden. Und so ward August denn mit dem Kammerrath Rühlmann nach Frankfurt gesandt, um statt Pulverdampf Tinte zu schlucken 2.

Unterdessen war der heilige Krieg schon so gut wie entschieden. Der Rheinbund war aufgelöst, Deutschland frei. Am Schluß des Jahres handelte es sich nur mehr darum, den Usurpator in seinem eigenen Land aufzusuchen und seiner Macht für immer ein Ende zu machen. Es folgte wieder Schlacht um Schlacht. Marschall Vorwärts" drang unaufhaltsam in das Herz von Frankreich vor. Alle Kriegskunst Napoleons scheiterte an der Tapferkeit und Entschlossenheit der Alliirten. Schon am 30. März 1814 ward die Schlacht bei Paris geschlagen. Am 31. ritten Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm III. an der

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1 Ebds. II. 398.

2 Ebdf. II. 404. 405. Vgl. dazu die unenträthselbaren Mittheilungen Kiesers über Göthe's große Pläne". Grenzboten. 1874. IV. 449.

Deutschlands Triumph und Göthe's Rheumatismus.

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Spike ihrer Garden in die Kaiserstadt Napoleons ein. Ein unendlicher Jubel erhob sich in den nächsten Tagen durch Deutschland, durch ganz Europa.

Am 9. April traf die Freudenbotschaft in Weimar ein. Von selbst stimmte das Volk das deutsche „Te Deum“ an und begleitete die Großfürstin, die eben aus der Kirche kam, unter nicht endenden Freudenrufen bis an's Schloß. Alle Glocken wurden geläutet, das Freudenschießen dauerte den ganzen Tag. Ganz Weimar jauchzte auf. Nur Einer trauerte und ließ sich nicht sehen Göthe litt an Rheumatismus. Er konnte sich in den Sieg nicht finden, es war für ihn eine Niederlage. Noch am 24. April schrieb Frau von Stein:

Göthe, wie man sagt, hat seinen Sohn nicht wollen mit den Freiwilligen gehen lassen, und ist er der einzige junge Mensch von Stand, der hier zu Haus geblieben. Sein Vater scheint gar unseren jetzigen Enthusiasmus nicht zu theilen; man darf nichts von politischen Sachen bei ihm reden. Und doch ist gewiß seit Jahrhunderten nichts Interessanteres vorgekommen. Er liest auch feine Zeitungen."

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Einen vollen Monat saß der geschlagene Verehrer Napoleons in dieser peinlichen Verlegenheit. Da kam unerwartete Hilfe, und zwar von Berlin. Iffland, der Director der dortigen Hofbühne, wollte, da man gegen Ende Mai den König mit Kaiser Alexander zur Siegesfeier in Berlin erwartete, ein kleines Festspiel haben, das den Tag verherrlichte. Er dachte an Göthe, wagte aber wahrscheinlich weil dessen bisherige ablehnende Haltung in der ganzen Freiheitsbewegung auch ihm bekannt war nicht, sich unmittelbar an ihn zu wenden. Er schrieb deßhalb an Göthe's Theater-Adjutanten, den Geheimen Hofrath Kirms, zwei Briefe: einen für diesen allein und einen zweiten, den er nach seinem Ermessen Göthe mittheilen sollte. Die Hauptfrage war: „ob Herr von Göthe sich entschließen würde, sein Genie für diese Sache wirken zu lassen." Kirms ritt mit der Anfrage

1 Dünger, Charlotte von Stein. II. 410. 412.

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Ein patriotisches Festspiel auf Bestellung.

am 17. nach dem Schwefelbad Berka, wo sich Göthe eben befand. Dieser erbat sich zwei Tage Bedenkzeit, lehnte aber schon am folgenden Tage ab: „Ich habe die Sache seit 24 Stunden nach allen Seiten durchdacht und finde sie unausführbar." Die dargebotene Zeit schien ihm zu kurz; doch erbot er sich, „eine ähn liche Arbeit durchzudenken, die bei einem bevorstehenden Friedensfeste auf einem so würdigen Schauplate, wenn sie glückt, mit Ehren erscheinen dürfte" 1.

Kaum war indeß die Absage abgegangen, so bekam er eine Idee und arbeitete ein Programm aus - acht Quart und zehn Folioseiten. Sie gingen am 22. schon in Reinschrift an Iffland ab. Dieser war hocherfreut. Er schrieb an Kirms:

Seit Luther's Reformation ist kein so hohes Werk, dünkt mich, geschehen, als die jeßige Befreiung von Deutschland. Die Preußen haben sich wieder ganz, größtentheils aus eigener Kraft, zu einer ehrenvollen Nation aufgeschwungen, Begeisterung hat alle Menschen ergriffen. Es gibt keine höhere Feier als die, daß der erste Mann der Nation über diese hohe Begebenheit schreibt." 2

„Der erste Mann der Nation!" Nun raffte sich Göthe vollends auf. Sein Patriotismus war jetzt gerettet. Denn Napoleon war verloren, und die Augen der Welt richteten sich auf Berlin. Die Zeit zur Ausführung erweiterte sich nach Wunsch; denn die Festfeier ward erst auf den October, dann in's folgende Frühjahr verlegt. Der Plan Göthe's gefiel Iffland gut, und seine technischen und praktischen Wünsche hinwieder waren leicht zu erfüllen.

„Vor allen Dingen," antwortete ihm Göthe 3,,,muß ich Ihnen, verehrter Mann, den aufrichtigsten Dank abstatten, daß Sie mir Gelegenheit geben, und zwar eine so würdige, der Nation auszudrücken, wie ich Leid und Freude mit ihr empfunden habe und empfinde. Wenn dieses zuvörderst vor Ihrem Könige, Seinen höchsten Gästen und den werthen Berlinern, unter denen ich

1 Göthe's Werke [Hempel]. XI. 108 ff.

2 Ebds. XI. 111. 112. 3 Ebds. XI. 114.

Des Epimenides Erwachen.

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so viele Gönner und Freunde zähle, geschieht, so ist es ein unerwartetes Glück."

Als Ende Juni gar der Kapellmeister Weber aus Berlin nach Berka kam, um über die musikalische Ausführung mit ihm Rücksprache zu nehmen, da gerieth er vollends in seligste Begeisterung. Ein über das andere Mal rief er aus: „Hätte ich das gewußt, daß meinem Stück die Ehre, im Opernhause gegeben zu werden, widerfahren sollte, was hätte ich noch machen wollen!“

Iffland erlebte die Aufführung nicht mehr. Er starb am 22. September. Erst sein Nachfolger, Graf Brühl, brachte das Festspiel endlich auf die Bühne, den 30. März 1815, dem Jahrestage des Sieges bei Paris. Das Stück hieß auf dem Theaterzettel: Des Epimenides Erwachen. Festspiel in 1 Act von Herrn von Göthe“ 1.

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Ein hohes Kunstwerk ist es nicht. Scenerie, Maschinerie, bunte Militärkostüme und Musik befriedigten zwar in hohem Grade das schaulustige Publikum; da und dort ist es Göthe glücklich gelungen, die begeisterten Lieder der Freiheitskriege künstlich nachzusingen; aber nüchternere und ruhigere Beurtheiler durchschauten bald das Gemachte dieses erst post festum erwachten Patriotismus und ärgerten sich über diese „Bequemung, auf vornehme Manier patriotisch zu sein“ 3. Blind in sich selbst verliebt, vermochte Göthe nicht, sich in den eigentlichen Geist des heiligen Krieges hineinzufühlen, und brachte deßhalb statt einer großen religiös vaterländischen Auffassung seinen gemachten Hellenismus, seine Salonsdiplomatic, sein Winkelbürgerthum und selbst seine

1 Ebds. XI. 151-203.

2 Die Schwäche desselben liegt nicht, wie Hettner (Die romantische Schule. S. 96 ff.) entwickelt, in der Anwendung eines falschen Kunstprincips, d. h. bloßer Allegorie und Symbolik; - denn die allegorischen Autos Calderons sind gewiß Kunstwerke ersten Ranges, - sondern in der unglücklichen Mischung heidnischer und christlicher Symbolik ohne innere lebenskräftige Einheit.

3 Gervinus. V. 713.

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Die Maske des Epimenides.

eigene politische Indolenz mit einem Strahlenschein von Verklärung auf die Bühne.

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Epimenides heißt die Maske, unter welcher er sich, nach einer heidnisch gedachten Musenrede, dem Publikum vorführt ein weiser, von den Göttern begünstigter Mann, der durch sonderbare Schickung eine ganze Lebensepoche verschlafen und dadurch die Erhöhung seiner geistigen Seherkraft gewonnen hat“1. Der feine Epikuräer, der all diese Jahre hindurch nur seinen kleinlichen Leidenschaften, Genüssen und Geschäftchen gelebt, an allen großen Bewegungen der Zeit theilnahmslos oder grollend vorübergegangen, wirft sich in den majestätischen Prophetenmantel eines ehrwürdigen, priesterlichen Greises, und als ob die Begeisterung der gesammten deutschen Jugend ein blindes Treiben gewesen wäre, declamirt er feierlich:

„Der Jugend Nachtgefährt' ist Leidenschaft,
Ein wildes Feuer leuchtet ihrem Pfad;
Der Greis hingegen wacht mit hellem Sinn,
Und sein Gemüth umschließt das Ewige." 2

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Statt des Ewig Weiblichen", das ihn während dieser ganzen Periode sehr lebhaft beschäftigte, statt der Sängerin Engels mit ihrer Guitarre und der Frau von Stein mit ihren Ananas, läßt er zwei Genien auftreten, welche den erhabenen Seher in gött: lichem Auftrage zum Schlafen einladen:

„Wärest du fieberhaft, wärest du krank, Wüßtest dem Schlafe du herzlichen Dank; Zeiten, sie werden so fieberhaft sein,

Laden die Götter zum Schlafen dich ein.“3

Da alles geschieht, was die Götter bestimmt“, so legt sich Epimenides zu Bette, in feierlich griechischem Nachtkostüm statt im prosaischen Schlafrock der deutschen Wirklichkeit. Jezt können die napoleonischen Kriege beginnen.

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