ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Die Dämonen des Krieges, der List u. der Unterdrückung. 135

Heereszüge ziehen singend über die Bühne, „im Kostüm der sämmtlichen Völker, welche von den Römern zuerst bezwungen und dann als Bundesgenossen gegen die übrige Welt gebraucht worden". Der Dämon des Krieges charakterisirt sich selbst in langer Rede als unersättlichen Zerstörer, und ein Brandschein über das ganze Theater hin bestärkt seine Worte. Abermals Heereszüge. Dann kommt der Dämon der List, „kostümirt wie die Hof- und Staatsmänner des 16. Jahrhunderts" (geschichtlicher Grund ist keiner da, es handelt sich nur um möglichst bunte Garderobe). Nachdem der Dämon der List sich selbst gelobt, tritt ihm jener des Krieges entgegen, und sie streiten sich um den Vorrang. Um den Gegner seine Macht fühlen zu lassen, läßt der Dämon der List die stolze Säulenhalle, wo die Scene spielt, von seinen Helfershelfern untergraben. Auf einen Wink bricht der ganze Palast zusammen. Im Kostüm eines orientalischen Despoten tritt nun der Dämon der Unterdrückung auf und beginnt seine Herrschaft über Ruinen. In der Einöde, in welcher er allein genießen will, erscheint die Liebe. Als Orientale macht er ihr den Hof auf ihren Ge sang kommt Schwester Glaube herbei — nun liebkost er beide, hängt ihnen Geschenke an, Armspangen und Brustschmuck, die sich gleich als dämonisch erweisen. Mit Ketten beladen, sinken sie beide nieder.

Getrennt, wie sie gefesselt sind,

Ist Liebe thöricht, Glaube blind." 1

Eine verzweifelte Lage für die zwei theologischen Tugenden! Der übermächtige Dämon der Unterdrückung winkt nun auch die Hoffnung herbei, ebenfalls ein „Mädchenhaupt", um auch sie zu unterwerfen. Aber die Hoffnung schwingt einen Speer gegen ihn und läßt eine solche Vision vor ihm sich entfalten, daß er mit Grauen entflieht. Die fast wahnsinnige Liebe kommt wieder zu sich, der wankende Glaube faßt wieder festen Fuß.

1 Ebds. XI. 179.

136

Glaube, Hoffnung und Liebe in Noth.

Beide sind aber noch gefesselt, bis die Hoffnung kommt und sie von dem verhängnißvollen Schmuck erlöst..

Göthe hat hier wohl Calderon nachahmen wollen, es ist ihm aber schlecht gerathen; denn wenn nicht nur die Liebe, sondern auch der Glaube, Wurzel und Anfang alles Heils, unter die Herrschaft des Dämons gerathen, dann ist eine vernünftige Hoffnung nicht mehr möglich, und es ist nicht Glaube, nicht feste, unwandelbare Ueberzeugung, sondern theatralische Declamation, wenn Göthe der Hoffnung die an sich herrlichen Stanzen in den Mund legt, welche die Gründung und den Sieg des Tugendbundes mit dem Walten und dem Triumph der Christenheit in den Katakomben vergleichen und schließlich den Sieg über Napoleon unter dem Bilde eines Frühlingssturmes schildern:

„Von Osten rollt Lawinen gleich herüber

Der Schnee- und Eisball, wälzt sich groß und größer;
Er schmilzt und nah und näher stürzt vorüber
Das Alles überschwemmende Gewässer:

So strömt's nach Westen, dann zum Süd hinüber,

Die Welt sieht sich zerstört und

[ocr errors]

fühlt sich besser. Vom Ocean, vom Belt her kömmt uns Rettung:

So wirkt das All in glücklicher Verkettung." 1

Nachdem der Dichter glücklich bei seiner pantheistischen AllVorstellung angelangt, erhalten die drei theologischen Tugenden Kronen, und die Hoffnung läßt den Ruf nach Freiheit erschallen. Die Liebe macht den Frauenvereinen ein Compliment und der Glaube sagt ein frommes Sprüchlein.

[blocks in formation]

Rechtzeitiges Erwachen zum Siegesfest.

137

Jezt endlich, nachdem das ganze Kriegskapitel der Weltgeschichte allegorisch abgespielt ist, erwacht der alte Epimenides 1. Ein Komet schreckt ihn. Er schaut nur allgemeine Zerstörung. Er geräth außer sich. Er kommt der Verzweiflung nahe. Die Genien ermuntern ihn aber. Die Hoffnung erscheint mit dem Jugendfürsten und mit den siegreichen Kriegerschaaren über den Ruinen früherer Herrlichkeit. Ein Lied des Chors auf Marschall „Vorwärts" bezeugt, daß der Jugendfürst kein Anderer ist, als er. Glaube und Liebe erscheinen mit einem Chor von Landbewohnern und Frauen. Der Tempel erhebt sich wieder aus den Ruinen. Epimenides erscheint mit zwei Priestern. Glaube, Hoffnung und Liebe wenden sich glückwünschend an die drei Kaiser der heiligen Allianz. Beharrlichkeit und Einigkeit mahnen das Volk daran, was ihm für die Zukunft Noth thut. Ein fröhlicher Chor der Frauen eröffnet das Ballet, zu dessen Schluß noch ein begeistert religiös-patriotisches Chorlied gesungen wird. Göthe hat darin den Ton der Freiheitslyrik meisterlich getroffen, und gezeigt, daß er mit seinem Talent, seiner Sangeskraft und seinem Ansehen den erhabenen Freiheitskampf mächtig hätte unterstützen können, wenn Epimenides nicht geschlafen hätte.

[ocr errors]

Niemand wird so unbillig sein, von ihm, dem älteren Manne, zu verlangen, er hätte sich noch mit in das Waffengewühl stürzen, oder wie einst Gleim, nichts als Kriegslieder dichten sollen. Aber seine Kraft, seine Zeit, seinen Einfluß konnte und mußte er dem Vaterlande weihen, wenn sein Herz wirklich dafür schlug. Sein einstiger Jugendfreund und Altersgenosse Friedrich Leopold zu Stolberg sandte vier Söhne und zwei Schwiegersöhne in den

1 Sogar Dünger hat in jüngeren Jahren eingesehen, daß Epimenides den Eindruck der drei Tugenden stört und verdirbt: „Die Hoffnung erhebt den Glauben, und die Liebe springt wie neugeboren von selbst auf. Diese drei neubelebten Tugenden befie= gen den Dämon der Unterdrückung. Diese Haupthandlung wird durch das Auftreten des Epimenides fast (nicht bloß fast, son= dern ganz) zur Nebensache gemacht und verliert dadurch sehr viel." Dünger, Göthe als Dramatiker. Leipzig 1837. S. 206.

[ocr errors]
[blocks in formation]

heiligen Krieg, und als der eine derselben, Christian, in der Schlacht von Ligny fiel, da pries er Gott, daß er denselben „im heiligen Kampfe für das Vaterland und für seine Sache zu sich genommen habe" 1. Friedrich von Schlegel weihte in dieser Zeit sein ganzes Talent der großen, allgemeinen Sache, theilte die Beschwerden und Gefahren des Kampfes und entflammte die Gemü ther für die höchsten und ehrwürdigsten Interessen. Auch Göthe konnte, ohne den Kreis seines Talents und seiner Thätigkeit zu verlassen, einstimmen in den großen Ruf der Zeit, zurückkehren zu den Grundsäßen des Christenthums, des guten Rechts und der echten Manneschre, durch welche Deutschland aus seiner Schmach sich wieder erhob; er konnte seine Kunst jenen höheren Idealen widmen und so dem neugestalteten Deutschland eine wahre Quelle des Segens werden. Der Greis konnte ausbauen, was die Jüng linge mit Heldenmuth erkämpft und gegründet. Sie hätten sich begeistert um ihn geschaart. Doch dazu war Göthe der Mann nicht. Er hatte den Dämon der Unterdrückung zu lange an: gebetet, und die Zeit der Noth war noch kaum vorüber, als er selbst den orientalischen Kaftan anzog, mit dem er ihn in seinem Festspiel sehr passend kostümirt hatte.

1 Janssen, Stolberg II. 331. O. Hellinghaus, Stolberg und Voß. Münster 1882. S. 18.

6. Dichtung und Wahrheit.

1808-1822.

Der Dichter schafft seine Welt frei, nach seiner eigenen Idee, und darum kann er sie vollkommen und vollendet hinstellen; der Historiker ist gebunden: denn er muß seine Welt so aufbauen, daß die sämmtlichen Bruchstücke hineinpassen, welche die Geschichte auf uns gebracht hat. Deßwegen wird er niemals ein vollkommenes Werk liefern können, sondern immer die Mühe des Suchens, des Sammelns, des Flickens und Leimens sichtbar bleiben."

Göthe im Gespräch mit Luden.

„Es wird also ein großes Werk werden, de se ipso und ein Gemälde, wie man gern von dem gegenwärtigen und künftigen Publikum angesehen sein win." Christian Gottlob von Voigt.

In geschichtlichen Thatsachen bietet Gott der Menschheit die Ausweise dar, womit er seine übernatürliche Offenbarung und ihre Verkörperung, die Kirche, beglaubigt. In geschichtlichen Thatsachen liegt der faßlichste und handgreiflichste Prüfstein für die Wahrheit und Güte menschlicher Systeme. Die Geschichte übt ein unnachsichtliches Gericht über die Einzelnen, wie über die Völker, wenn auch vollständige Gerechtigkeit hienieden nicht eintritt. Kein Studium hat darum so viele bedeutende Männer aus irrigen Anschauungen zur Wahrheit zurückgeführt, als eben jenes der Geschichte. Auch im Völkerleben bietet die Geschichte nächst Religion und Recht eine der wirksamsten erhaltenden Mächte dar. Keine Revolution ist möglich, ohne daß geschichtliche Bande zerrissen, die Geschichte selbst verläugnet oder gefälscht wird.

Wäre Göthe jener tiefe, allumfassende Geist gewesen, als welcher er so oft gepriesen wird, so hätte er sich jener mächtigen

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »