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Göthe als vornehmer Recensent.

Wie vorsichtig Göthe selbst in seiner literarischer Thätigkeit jetzt mit dem Publikum rechnete und wie er seine eigene Stellung in der Literatur auffaßte, bezeichnet sehr gut eine Mahnung, welche an die Schriftstellerin Eleutherie Holberg (pseudonym für die Frau des Theologen Paulus) gerichet ist:

„Daß aber der Verfasser (d. h. die Verfasserin) Göthens natürliche Tochter gleichsam an die Stelle der ganzen Literatur seht, können wir nicht billigen. Denn ob wir gleich eingestehen müssen, daß gewisse Werke mehr als andere den Punkt andeuten, wohin eine Literatur gelangt ist, so hätte doch der Verfasser sicherer gehandelt, wenn er den geistigen Sinn der Werke seiner Zeit dargestellt, und, wie die besseren selbst thun, auf einen unendlichen Fortschritt hingedeutet hätte, als daß er sich an ein besonderes Gedicht hält und dadurch den Widerspruch aufreizt." 1

In den sehr wenigen und kurzen Recensionen dieser Zeit zeigt sich Göthe überhaupt nicht als strengen, scharfen Kritiker, sondern als vornehmen, geistreichen Herrn, der seine Gegner ignorirt, sich darbietende Schüßlinge geistreich lobt und ermuthigt, andere an sich zu ziehen sucht und die sich weiter entwickelnde Literatur und Literaturgeschichte schon zum Voraus unter seine Fittige nimmt. Wenn dann so ein Küchlein von literarischer Dame gegen seine Naturphilosophie zu piepen wagt, so pickt er höchstens ein wenig nach dem kleinen Wesen und sagt:

Sollte man mit so viel Liebenswürdigkeit, Gefühl und Lebenslust an Philosophie überhaupt, geschweige an Naturphilosophie, denken ?"

Zur mannigfaltigen Abwechslung des gewöhnlichen Hof- und Geschäftslebens, zu Theaterdirection und Naturstudium, Kunstarchäologie und Literatur gesellten sich als Zuspeisen noch verschiedene Besuche, Reisen, Ausflüge.

Von alten Bekannten erschien im Juni 1805 Fritz Jacobi in Weimar; doch Göthe, der Mann des unendlichen Fortschritts", hing wenig an der Vergangenheit, sondern lebte mit der jungen.

1 Ebds. 378.

Anschluß an Friedr. Aug. Wolf.

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Gegenwart weiter. Jacobi konnte sich in seine Poesie nicht finden, er nicht in Jacobi's philosophische Sprache; sie begnügten sich also, „den alten Bund treulich und liebevoll zu bekräftigen“ und im Allgemeinen vom beiderseitigen Thun und Lassen Kenntnißz zu nehmen. Sehr innig schloß sich Göthe dagegen an den Philologen Friedrich August Wolf an, mit welchem er einst in der Xenienperiode wegen Herders Homer fast in peinliche Händel gerathen wäre. Alles legte sich in schöne, griechische Falten. Göthe nahm Wolfs Hypothese über den Ursprung der homerischen Gedichte an, und Wolf lieh seinen nicht zu ver achtenden Beistand, um Göthe's wankenden Kunst-Hellenismus zu stützen. Während die Schillerfeier zu Lauchstädt vorbereitet wurde, erwiederte Göthe den Besuch Wolfs in Halle und that ihm sogar die Ehre an, einer Vorlesung beizuwohnen. Sehr willkommen war es ihm, daß Dr. Gall eben an der Universität seine Vorlesungen eröffnete. Er besuchte dieselben fleißig und freute sich, daß sie zu seinen eigenen osteologischen Anschauungen ziemlich stimmten; der berühmte Kraniologe aber fand aus der Untersuchung von Göthe's Schädel richtig heraus, daß er eigentlich zum Volksredner geboren sei und nicht den Mund aufthun könne, ohne einen Tropus zu sprechen. Das Lehtere hatten Andere auch schon gefunden, ohne gerade die Hügel und Thäler seiner Hirnschale zu befühlen.

Mit Wolf reiste Göthe nach Helmstedt, der braunschweigischen Landesuniversität, nach Halberstadt, in den Harz. Ueberall glichen

1 Das Verhältniß zu Wolf, die beiderseitigen Besuche und die gemeinschaftliche Reise hat Göthe weitläufig beschrieben (Tag- und Jahreshefte. 1805), indem er Wolf fofort an die durch Schiller erledigte Freundes"-Stelle treten läßt. Tiefes Gefühl verräth daz nicht, aber kluge Berechnung; denn in Wolf zog er die deutsche Philo= Logie huldigend an seine Seite, um später die Huldigung mit Zinsen und Zinseszinsen wieder an sich zu bringen. Göthe's Werke [Hempel]. XXVII. 116 ff. M. Bernays, Göthe's Briefe an Fr. August Wolf. Berlin 1868. Lothholz, G., Das Ver= hältniß Wolfs und W. von Humboldts zu Göthe. Wernigerode 1863.

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Das Heidenthum in der claffischen Philologie.

fich alte Abneigungen aus, überall wurden neue Freundschaften angeknüpft, alte erneuert, größere oder kleinere Ovationen in Empfang genommen. Die glänzendste erfolgte an einer großen Abendtafel zu Helmstedt, bei welcher die Universitätsprofessoren sowohl den Erklärer des Homer, als den neuen Homer von schöner Hand mit einem Lorbeerkranz bekrönen ließen. Göthe bezahlte den Kranz mit einem Kuß, Wolf dagegen wollte weder Kranz noch Kuß. Der Göthe-Cultus blühte munter auf. Die Damen fanden den Gefeierten höchst liebenswürdig, die Gelehrten wußte er mit seiner allseitigen Wißbegier zu gewinnen.

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Wolf war ebenso wie Göthe dem Christenthum völlig abgewandt. Das Neue Testament ist nach ihm nichts weiter als griechische Moral, vermischt mit jüdischen Vorstellungen" 1. Als das Hauptziel der humanistischen Bildung und damit aller Bildung überhaupt betrachtete er die Ablösung des griechischen Elements von allen jüdischen, d. h. christlichen Zusäßen und eine völlige Rückkehr zur griechischen Cultur. Auf dem Boden dieser gemeinsamen Grundanschauung völlig eins mit Göthe, schwärmte er zeitweilig für ihn wie für einen Abgott und legte ihm in einer Dedication seine ganze Philologie und Pädagogik zu Füßen:

"Ihr Wort und Ansehen, Würdigster unserer Edeln, helfe hinfort uns kräftig wehren, daß nicht durch unheilige Hände dem Vaterlande das Palladium dieser Kenntnisse entrissen werde; wie wir denn gegründete Hoffnung hegen, daran ein unverlierbares Erbgut für die Nachkommen zu bewahren. Wo auch der Grund zu suchen sei, in der Natur unserer Sprache oder in Verwandtschaft eines unserer Urstämme mit dem hellenischen, oder wo sonst etwa: wir Deutschen, nach so manchen Verbildungen, stimmen am willigsten unter den Neuern in die Weisen des griechischen Gesanges und Vortrags: wir am wenigsten treten zurück vor den Befremdlichkeiten, womit jene Heroen andern den Zutritt erschweren; wir allein verschmähen immer mehr, die einfache Würde

1 J. F. J. Arnold, Fr. Aug. Wolf in seinem Verhältniß zum Schulwesen. Braunschweig 1861-1862. II. 395.

Göthe's Jugendfünden auf der Weimarer Bühne.

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ihrer Werke verschönern, ihre berühmten Unanständigkeiten meistern zu wollen. Wer aber bereits so viel von dem göttlichen Anhauch daheim empfand, dem wird der ernsthafte Gedanke schon leichter, in den ganzen Kultus der begeisternden Götter einzugehen."

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Wie Paulsen bemerkt, war Wolfs Streben auf nichts Geringeres gerichtet, als an die Stelle des Christenthums „eine neue Religion" zu sehen und nach dieser den ganzen Plan des gelehrten Unterrichts umzugestalten. Mochte sich auch später seine freundschaftliche Beziehung zu Göthe etwas lockern, so hat er doch in verhängnißvollster Weise mit ihm zusammengewirkt, christlichen Geist und christlichen Glauben aus den philologisch-humanistischen Kreisen des neueren Deutschland zu verdrängen.

Den Winter über kamen hauptsächlich die Naturwissenschaften und das Theater zu Ehren. Da Göthe dem Theater seit der „Natürlichen Tochter" nichts Neues mehr zu bieten hatte, hatte er schon von 1803 an begonnen, außer dem „Göß“, „Iphigenie“ und „Tasso" auch seine armseligen Jugenddramen aus der Mappe hervorzuziehen und neben Schillers Meisterwerken aufführen zu lassen. Geändert wurde wenig daran; denn der geniale Mann des unendlichen Fortschritts" war entsetzlich unproductiv gewor den. In der „Stella" mußte natürlich die schwärmerische Doppelliebschaft stehen bleiben, worauf das Stück beruhte; um aber der „Moral“ besser zu entsprechen, heirathete Fernando die beiden Weiber nicht mehr, sondern mußte sich erschießen, während Stella sich vergiftete. Von Schillers Dramatik zu solchem „Quark“ war ein Rückschritt um 30 Jahre; aber etwas Neues von Göthe mußte doch erscheinen, um den Glauben an ihn aufrecht zu erhalten, und so machte er das Alte zum Neuen. Nicht bloß die schwachen Stückchen der Geniezeit, wie „Die Geschwister“ und „Jery und Bätely“, auch „Die Mitschuldigen“ und „Die Laune des Verliebten", diese schülerhaften Hervorbringungen der Leipziger Rococo-Zeit, kamen im hellen 19. Jahrhundert auf die Bühne

1 Fr. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts. Berlin 1885. S. 538.

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Badeleben in Karlsbad.

von Weimar und wurden applaudirt. Alle Aesthetik und alles Kunstgerede von zehn Jahren hatten den Geschmack unendlich wenig gehoben. Göthe selbst aber hing lange nicht so sehr an den großen idealen Zielen der Kunst, als an seiner eigenen kleinlichen Individualität mit all ihren. gegenwärtigen Schwächen und früheren Jugendfünden.

Der lockere Student, der diese Dinge gedichtet, war indeß längst eine steife Excellenz geworden, von vielen Sorgen und Unterleibsleiden (besonders Nierenkolik) geplagt. Gegen Ende Juni 1806 mußte Göthe Karlsbad aufsuchen und ward daselbst fürder ein regelmäßiger Badegast. Bei einer völligen Tagedieberei", wie er das Badeleben nennt, erholte er sich sichtlich, benügte seine Spaziergänge und Ausflüge zu mineralogischen Studien und knüpfte mit allerlei vornehmen Leuten Bekanntschaft an, unter Anderen mit dem Fürsten Heinrich XIII. von Reuß.

Schon das Jahr zuvor, während Göthe sich in Halle und Helmstedt feiern ließ, war mit der Coalition der große Weltsturm ausgebrochen. Das Vordringen Napoleons in Italien und sein Verlangen nach der italienischen Königskrone trieb die österreichischen Staatsmänner endlich zum Entschluß, sich schlagfertig zu machen. Vom Mincio und Po bis nach Pommern und Hannover sollten österreichische, russische und schwedische Truppen. eine große Offensivlinie bilden, Russen und Engländer die Franzosen aus Neapel werfen. Um Mitte Juli ward der Plan in Wien berathen. Doch Napoleon kam allen Plänen der Coalition zuvor. Göthe war kaum wieder in seinem Weimar angelangt, als schon Bayern sein Bündniß mit Frankreich geschlossen hatte und eine französische Armee von 200 000 Mann auf Deutschland losmarschirte. Anfangs September wurden die diplomatischen

1 1804 kamen erst „Jery und Bätely“, sowie „Die Geschwister“ in's ständige Repertoir, dann 1805 „Die Mitschuldigen“ und „Die Laune des Verliebten", 1806 die verbesserte „Stella" mit Gift und Pistole, 1807 der „Tasso". S. Burkhardt, Göthe's Werke auf der Weimarer Bühne. Göthe-Jahrbuch. IV. 120. 121.

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