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Verschiedenheiten zwischen Schiras und Weimar.

wüstliche Tanzlust bei. Als Nikolaus Meyer ihr 1810 schrieb, daß sein Söhnchen brav gedeihe, sprach sie den schönen Wunsch aus, dereinst auch noch mit diesem, den Windeln noch kaum entwachsenen Weltbürger, zu tanzen:

„Wenn er so fort wächst, und ich bey meiner Tanzlust bleibe, so hoffe ich noch einmal einen Dreher mit ihm zu tanzen, denn hier ist Alles so tanzlustig, daß Alt und Jung wieder Tanzstunden nimmt, und wo Sie sich denken können, daß ich auch dabey bin." 1

Aber sie tanzte nicht mit Hafis, der dafür schon zu alt war, sondern mit den Schauspielern und Studenten in Jena. Selbst ihrem Sohne August war die Gesellschaft nicht gut genug. Er ging nicht mit auf den Tanz. Bei den Damen von Weimar war und blieb Christiane als die „dicke Hälfte" verachtet. Als Achim von Arnim im August 1811 mit seiner Frau, Bettina. Brentano, Weimar besuchte, gingen zwar Anfangs die Dinge erträglich; Bettina zeigte sich oft in Göthe's Haus, und die Verachtung einerseits, die Eifersucht andererseits wurde unter höflichen Sammetpfötchen verborgen; aber nicht lange.

Auf der Kunstausstellung kam es zwischen Beiden zu einem heftigen Ausbruche, da die Geheimräthin sich eine verächtliche Abfertigung der Frau Baronin nicht gefallen lassen wollte. Bettina ließ sich in dem öffentlich geführten Streite hinreißen, Göthe's Gattin eine Blutwurst zu schelten, worauf diese ihr dann das Haus verbot, und dieses Verbot hielt Göthe, der sich selbst bitter verletzt fühlte, entschieden aufrecht, wie er es thun mußte, hätte er nicht seine Gattin völlig preisgeben wollen 2. Natürlich waren

1 Freundschaftliche Briefe von Göthe und seiner Frau an Nikolaus Meyer. Leipzig 1856. S. 109.

2 Noch das Jahr vorher, im Mai 1810, bevor er nach Karlsbad reiste, hatte er an Bettina geschrieben: „Deine Briefe wandern mit mir und sollen mir dort Dein freundliches, liebevolles Bild vergegenwärtigen. Mehr sage ich nicht; denn eigentlich kann man Dir nichts geben, weil Du Dir alles entweder schaffst oder nimmst. Lebe wohl und gedenke mein." Göthe-Jahrbuch. I. 7.

Die wahnsinnige Blutwurst.

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alle Damen auf der Seite Bettinen's, da die glückliche Geheimräthin Göthe, die sich dem lustigen Genusse des Lebens etwas rücksichtslos hingab, von der vornehmen Damenwelt als eine Unwürdige gehaßt und verachtet wurde." 1

Während des Klatsches und Skandals, den der Streit absette, tröstete sich Göthe an der längst wieder aufgelebten

1 Dünger, Charlotte von Stein. II. 352.

2 Die Prinzessin Luise Karoline von Sachsen - Weimar schreibt darüber (10. Oct. 1811) an Schillers Wittwe: „Die Geschichte von unsers Meisters Hälfte und der Bettina hat hier in der Colonie Zwiftigkeiten angerichtet. Ich bin nicht mit des Meisters Verfahren zufrieden, wundere mich aber nicht darüber und verkenne ihn deß= wegen nicht und lieb ihn deßwegen nicht weniger (!), denn ich sage: wer Dreck anfaßt, besudelt sich (wie Sie wissen, ein Lieblingssprüchwort von mir), und daß er den angefaßt hat, weiß ich schon lange und habe ihn troßdem doch immer frisch zu geliebt und finde deßwegen auch Ihre darauf angewendeten Verse ganz vortrefflich, wie auch an sich selber; Frl. Knebel aber will mir das Thun in sich selbst entschuldigen, will gar finden, daß Göthe Recht habe, und daß sie es sehr natür= lich fände, sich eine in Liebe zudringliche Dame, wie Bettina, vom Halfe zu halten. Ich gebe ihr hierin gar nicht Recht und bedaure nur die arme Bettina, weil ich zu ihren Ehren glauben will, daß ihr das Verfahren leid thut; ich bedaure den Meister, der sich dem T. ergeben hat, bedaure die arme Volo, die nothwendiger Weise um ihn leiden muß, und bedaure von uns einen jeden der Eidgenossen des Schußes und Trußes (!), die nun doch in's Gedränge kom= men, denn am Ende gehören Arnims troß aller ihrer Liebe doch nicht so ganz zu unserm Bündniß, und wenn's auf Schuß und Truh ankommt, mögen sie und können nicht vom losen Maule lassen.“

Charlotte von Schiller. I. 603. Dieser classische Iphigenienstil zeichnet die Feinheit der Weimarer Gesellschaft in höchst drastischer Weise. Vgl. dazu: „Aus Weimars Skandalchronik“ (Blätter für Lit. Unterh. 1861. I. 438-441). Joh. Scherr hat diese Blutwurst Affaire zu einer sehr fröhlichen Satire auf die Göthe= Philologie verwerthet: "De botulo sive sanguiculo insaniente trac

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Die alten Frauen von Erfurt.

Freundschaft der Frau von Stein, die er um Christiane's willen einst als Kaffeeschwester so herzlos von sich gestoßen. Sie schickte ihm ein Spanferkel und eine Melone, und er schickte ihr den ersten Theil von „Dichtung und Wahrheit" 1. Alte Liebe rostet nicht; sie war jetzt 69 Jahre alt. Mit den ehemaligen Herzensköniginnen war indeß für neu- persische Liebeslyrik nichts anzufangen. Minna Herzlieb hatte sich mit einem Gymnasialprofessor Pfund in Berlin verlobt 2. Mit Bettina Brentano war vorläufig jede nähere Beziehung abgebrochen. Von den Schauspielerinnen und Sängerinnen zu Weimar — in den Bestellungsbriefen an Zelter werden dieselben gewöhnlich „Subjecte“ genannt war keine, die ihn eigentlich begeisterte. Die neue persische Liebesdichtung beginnt deßhalb mit ziemlich prosaischen Erfurter Erinnerungen:

„Sollt' einmal durch Erfurt fahren,
Das ich sonst so oft durchschritten,
Und ich schien, nach vielen Jahren,
Wohlempfangen, wohlgelitten.

Wenn mich Alten alte Frauen
Aus der Bude froh gegrüßet,
Glaubt' ich Jugendzeit zu schauen,
Die einander wir versüßet.

Das war eine Bäckerstochter,

Eine Schusterin daneben,

Eule keinesweges Jene,

Diese wußte wohl zu leben.

tatus, d. i. die Abhandlung von der wahnsinnigen Blutwurst. Von Minutius Quisquilius von Pimperling, Doctor, Professor, Aka= demiker, Geheimrath, Ritter des hohen Ordens vom güldenen Maulforb dritter Klasse mit Humboldtfedern am Ringe u. s. w. Ein unentbehrlicher Beitrag zur Göthe - Literatur. Nach Vergleichung sämmtlicher Handschriften." Gegenwart. 1880. Nr. 21. S. 324–328. 1 Dünger, Charlotte von Stein. II. 353.

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2 Göthe-Zelter Briefwechsel. II. 53. 69. Das Frommann'sche Haus. S. 121.

Erster Ansatz des Westöstlichen Divans.

Und so wollen wir beständig,
Wettzueifern mit Hafisen,

Uns der Gegenwart erfreuen,

Das Vergang'ne mitgenießen." 1

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Es war ein Altweiber - Sommer, kein neuer Frühling der Poesie. Aus Hammers Hafis, aus dem von Diez übersetzten Buche des Kabus, aus Jones' Commentaren der asiatischen Poesie, die Eichhorn schon 1777 zu Leipzig neu herausgegeben und worin eine Menge orientalischer Gedichte in lateinischer Uebersetzung enthalten war, aus den ebenfalls schon durch Uebersetzungen zugänglichen Moallakat (arabischen Heldenballaden und Siegesgesängen), aus den Reisebeschreibungen von Tavernier, Chardin, della Valle und anderen Büchern sammelte sich Göthe eine Menge von orientalischen Sprüchen, Wendungen, Ausdrücken und verwendete sie zum Ausdruck eigener Stimmungen und Einfälle. Bisweilen übersetzte er einfach, wie das Gedicht „Der Winter und Timur" aus Jones' Uebersetzung, bisweilen ließ er das orientalische Kostüm ganz fahren und zog in Leitartikelphrasen gegen ernstere Lebensansichten zu Felde:

"Hafis auch und Ulrich Hutten Mußten ganz bestimmt sich rüsten Gegen braun' und blaue Kutten;

Meine geh'n, wie andre Christen.“ 2

Meistens aber mischte er Eigenes und Fremdes, wie es ihm Unmuth, Witz, Laune, oder auch eine poetische Idee gerade eingaben.

So entstanden im Frühjahr 1814 eine Anzahl Sprüche und Gedichte, weit mehrere im Juni und Juli und dann auf einer Reise nach Frankfurt, Wiesbaden und Heidelberg, die vom August in den October hinein dauerte. In Frankfurt machte Göthe die nähere Bekanntschaft einer noch jüngeren Dame, deren geistreicher, liebenswürdiger Charakter ihn bald lebhaft beschäftigte, und der

1 Göthe's Werke [Hempel]. IV. 70.

2 Ebds. IV. 82.

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Marianne Jung und Joh. Jak. Willemer.

geeignet war, über seine lyrischen Phantasien einen gewissen Schimmer von Verklärung auszubreiten. Eine Perserin war es aber nicht.

Marie Anna Jung 1, geboren zu Linz in Desterreich am 20. November 1784, war die Tochter eines Instrumentenmachers. Durch einen Geistlichen erhielt sie frühzeitig einigen Unterricht, las Klopstock, Denis, Stolberg, lernte Italienisch und Musik. Als der Vater starb, schloß sich die Mutter mit der vierzehnjährigen Tochter der Truppe des Balletmeisters Traub an und kam mit dieser 1798 kurz vor Weihnachten nach Frankfurt. In den Balleten spielte sie bald eine Hauptfigur. Jezt kroch sie aus einer Blume, dann flog sie aus einer Kanone heraus, wiederholt schlüpfte sie als Harlekin aus einem Ei. In dieser Pantomime, der Geburt des Harlekin", sah sie Clemens Brentano und schöpfte den Keim einer Neigung, die ihn später noch längere Zeit gefesselt zu haben scheint. Sie trat aber vom 26. December 1798 an nicht bloß in Pantomimen und Ballets, sondern auch in Lustspielen und Opern auf und ward ein Liebling des Publikums. In die Theaterdirection trat 1800 Joh. Jakob Willemer,

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1 Th. Creizenach, Briefwechsel zwischen Göthe und Marianne v. Willemer. Stuttgart 1878. Sulpiz Boisserée. Stutt= gart 1862. I. 269 ff. Hermann Grimm, Göthe und Suleika. Preußische Jahrbücher 1868. Bd. 24. H. Dünger, Göthe und Marianne v. Willemer. Westermanns Monatshefte, Sept. 1870. Herm. Hüffer, Marianne v. Willemer. Deutsche Rundschau 1878. 12. Heft. Sept. S. 405–427.- Max v. Weißenthurn, Briefe aus dem Nachlaß von Rosette Städel. Wiener Presse. 1877. Nr. 166. 171. 185. Göthe und Marianne Suleika.

Augsb. Allg. Zeitung 21. Nov. 1877.

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Göthe, Suleika und „Der westöstliche Divan". Augsb. Allg. Zeitung 22. Febr. 1877.

Göthe

und Frankfurt. Wochenblatt der Frankfurter Zeitung. 1879. Nr. 38. L. Fulda, Marianne v. Willemer. Magazin für Literatur des In- und Auslandes. 1884. Nr. 46.

bemerkungen zum „Westöstlichen Divan". IV. S. XV-XLVII.

6. v. Löper, VorGöthe's Werke [Hempel].

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