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Friedrich Schlegel als Göthe's Antipode.

nahme und Ernst aufzunehmen, sobald es erschienen sey. Dann muß man ihm also eines der ersten Exemplare schicken. Sein Urtheil gilt doch sehr viel. Ich suchte ihm im Allgemeinen einen Begriff von der Kölnischen Malerei zu machen, was ihm auch sehr einzuleuchten schien. Er hat sich gewissermaßen bekehrt, indem er neulich etwas sehr zum Lobe von Albrecht Dürer geschrieben. Am meisten sprachen wir doch über das indische Studium, was ihn sehr lebhaft interessirte."

An dichterischer Begabung stand Schlegel weit hinter Göthe zurück; als Kritiker, Literatur- und Sprachkenner, Kunstverständiger, Philosoph und Historiker war er ihm ebenso sehr überlegen. Das alte Griechenland und Rom hatte er gründlicher und viel seitiger erforscht und eben deßhalb kein Genügen daran gefunden. Shakespeare, Calderon, Dante kannte er aus den Specialstudien seines Bruders, der auf diesen Gebieten der bahnbrechende Mann war. Von alter und neuer Kunst hatte er bedeutend mehr gesehen und selbständig studirt, als Göthe. Durch alle Irrpfade der zeitgenössischen Philosophie hatte er sich, redlich kämpfend, an die Schwelle der katholischen Kirche durchgerungen. In ihr fand er den Frieden, den er sonst nirgends gefunden, Ruhe für sein Herz, einen festen Mittelpunkt für sein universelles Wissen. Als die größten politischen Fragen in den Vordergrund traten, zögerte er nicht, dem Vaterland seine Dienste zu widmen und die angenehmen literarischen Studien mit den prosaischen Mühen eines harten Bureaudienstes zu vertauschen. Nach seinem besten Wissen und Gewissen, mit Aufopferung aller persönlichen Ruhe und Annehmlichkeit, hat er auf seinem bescheidenen Posten für die große Sache des Rechts und der Freiheit unermüdlich gearbeitet und so den Freiheitskampf gewissermaßen mitgekämpft, ein großer, edler Charakter — in jeder Hinsicht Göthe's geistiger Antipode.

Die Schüler, Boisserée und Bertram, machten ihrem Lehrer alle Ehre. Ihr unermüdlicher Fleiß weckte gleichsam die ganze sinnige Kunst des frommen Mittelalters, Architektur und Malerei, vom Grabe auf. Am Sonntag nach Dreikönig 1810 hatte Sulpiz die Freude, das gerettete und restaurirte Dombild, „den

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Wiederaufleben der alten Kunst in Köln.

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alten Schatz in seiner neuen Herrlichkeit im Dom glänzen und alle Welt zur Andacht und Bewunderung hinreißen zu sehen“. „Es war mir," sagt er, eine der größten Freuden, die ich je empfunden!" Während er mit Hilfe von Architekten und Zeichnern die Risse, Ansichten und Details des Kölner Domes sammelte, studirte und neu aufnehmen ließ, fuhr er mit seinen zwei Freunden fort, ihre Sammlung mittelalterlicher Malereien zu vermehren und kunstgeschichtlich zu erforschen. Ende März zogen sie mit dieser Sammlung nach Heidelberg, um sie besser aufstellen und das Publikum für die neu auflebende Kunst gewinnen zu können.

„Schwerlich, lieber Sulpiz," meinte bei dieser Gelegenheit Dorothea Schlegel 2, werden Sie von all den Urtheilern und Kennern und vornehmen Mienen einen Beifall vernehmen, oder ein Wort, das so viel werth wäre, wie die Empfindung der einfältigen Leute in Köln, die ein Vaterunser vor dem neu aufgerichteten Bilde im Dom beteten, für den Künstler und auch wohl für die treuen Kämpfer, die es aus dem Staube der Vergessenheit gezogen und es der verdienten Verehrung wiedergegeben hatten!"

Die Bemerkung ist unendlich wahr. Wie jene christliche Kunst aus dem tiefen Glaubensleben des deutschen Volkes hervorgegangen war, so konnte sie nur durch Wiederaufleben dieser Glaubensinnigkeit eine wahre, volle Auferstehung feiern. In ein Museum verpflanzt, blieben die schönen Bilder kunstgeschichtliche Denkmäler und Reliquien; nur in einer Kirche leben sie ganz und voll auf, zugleich Zeugen vom Glauben der Väter und Lebenskeime neuer Andacht, Herzensfreude und Schaffenslust. Da sich indeß das in der Aufklärungsperiode tief gesunkene kirchliche Leben nicht auf einen Zauberschlag in voller Blüthe aus der Asche erwecken ließ, so war es ein sehr berechtigter und fruchtreicher Plan, auf dem Weg der Kunstpflege das vorwiegend protestantische, auf und abgeklärte Deutschland wieder mit den geistigen Schäßen seiner katholischen Vergangenheit in Verbindung 2 Ebds. I. 82.

1 Ebds. I. 73.

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Sulpiz Boifferée bei Göthe.

zu bringen. Die Zeit war überaus günstig. Die gemeinsame Noth hatte Katholiken und Protestanten, Oesterreich und Preußen näher aneinander gerückt, der Kampf für Freiheit und Recht hatte die großen Erinnerungen deutscher Vergangenheit wieder aufgeweckt; die Romantik hatte sie mit dem Strahlenglanz der Verklärung umgeben, die deutsche Jugend war für ihre Ideen begeistert. Nur eine Autorität, aber auch die angesehenste auf dem Gebiete der Literatur und Kunst, schwebte wie eine drohende Wolke über dem fröhlichen, echt nationalen Frühlingstag — der Olympier Göthe1.

Sulpiz Boisserée, jugendmuthig, belesen, auf seinem Felde Jedem gewachsen, voll Begeisterung für seine Sache, folgte der früher von Schlegel gegebenen Anregung und faßte den Plan, Göthe für sein begonnenes Werk, für die altdeutsche Gemäldesammlung und für die altdeutsche Kunst zu gewinnen. Obwohl ihn Graf Reinhard, ein Bekannter von Paris her, schon (den 16. April) 1810 empfahl, wollte aber Göthe anfänglich nichts von einem solchen Besuche wissen 2. Erst im folgenden Jahre erklärte er sich zur Annahme desselben bereit, worauf Boisserée Anfangs Mai nach Weimar reiste und sich dem Vielgefeierten vorstellte. Es war am 3. Mai 18113.

„Nach langem Warten erschien der alte Herr, mit gepudertem Kopf, seine Ordensbänder im Rock, steif, kalt und vornehm. Auf die mitgebrachten Grüße sagte er: „Recht schön“, und auf die ersten Kunstauseinandersetzungen: Ja, ja, schön, hem, hem.'

Darauf," berichtet Sulpiz, „kamen wir an das Werk selbst, an das Schicksal der alten Kunst und ihre Geschichte. Ich hatte mir einmal vorgenommen, der Vornehmigkeit ebenso vornehm zu begegnen, sprach von der hohen Schönheit und Vortrefflichkeit der

1 M. Carrière, Sulpiz Boifferée und Wolfgang Göthe. Morgenblatt. Stuttgart und München 1862. S. 1241; 1863. S. 44 ff. 65 ff.

2 Göthe-Reinhard Briefwechsel. S. 76. 77. 79. 80 ff.
3 Sulpiz Boisserée. I. 111 ff.

Göthe für Boifferée, gegen Schlegel.

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Kunst im Dom so kurz als möglich, verwies ihn darauf, daß er sich durch die Zeichnungen ja selbst davon überzeugt haben würde -er machte bei allem ein Gesicht, als ob er mich fressen wollte. Erst als wir von der alten Malerei sprachen, thaute er etwas auf, bei dem Lobe der neugriechischen Kunst lächelte er; er fragte nach Eyck, bekannte, daß er noch nichts von ihm gesehen hatte, fragte nach den Malern zwischen ihm und Dürer und nach Dürer's Zeitgenossen in den Niederlanden; daß wir gerade so schöne Bilder hätten, weil überhaupt die Kunst in Niederland viel edler und gefälliger, als im übrigen Deutschland gewesen, leuchtete ihm ein; ich war in allen Stücken so billig wie Du mich kennst, aber auch so bestimmt und frei wie möglich und ließ mich gar nicht irre machen durch seine Stummheit oder sein,ja, ja, schön, merkwürdig'."

Die persönlichen Beziehungen Boisseréc's zu Göthe's Freund, dem Grafen Reinhard, führten eine vertrauliche Stimmung herbei. Er wurde am 4. zu Tisch geladen. Die Zeichnungen des Malers Cornelius zum „Faust“, welche Boisserée vorlegte, wurden vom „Kunstmeyer" zwar scharf mitgenommen, fanden aber bei Göthe mehr Lob, als Sulpiz erwartet hatte. In den folgenden Tagen knöpfte sich der Olympier völlig auf, ward heiter und gemüthlich, ließ sich die altdeutsche Baukunst und Malerei ausführlich erklären, lud Sulpiz alle Tage zu Tisch und stellte ihn auch seinen Freunden vor. Boisserée brachte die Rede nun auch auf die Schlegel.

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Er hatte sich in den ersten Tagen freundlich nach Friedrich bei mir erkundigt über unsere Verhältnisse mit ihm, und hatte sich recht gut aber kurz über ihn geäußert; jezt wollte ich einmal näher wissen, wie er dachte. Da kam nun leider eine schwache Seite zum Vorschein, gemischter Neid und Stolz des furchtsamen Alters, er schalt sie unredlich, und alles was ich mit Mäßigung, doch mit Bestimmtheit in Rücksicht Friedrichs, an den ich mich hauptsächlich hielt, dagegen wandte, diente nur dazu, um ihm Erklärungen zu entlocken, die zwar zum Theil gegründet, und mit dem was man Jedem, der Sch. nicht genauer kennt,

184 Ursachen der Feindseligkeiten gegen F. Schlegel.

einräumen muß, zusammenstimmen; indessen blieb eine Menge, und das Hauptsächlichste übrig, was sich lediglich auf Persönlichkeiten stüßen kann. Alle kleinen Kränkungen: Novalis, das Stillschweigen von A. W. über die Natürliche Tochter u. s. w., wurden angerechnet, und jedes worin sich die Anerkennung seines Werthes an den Tag gelegt, als Absicht ausgelegt; sie hätten ihn mehr aus Klugheit, als aus Achtung - den einzigen von den Alten noch bestehen lassen; alles sei Absicht... In dem ganzen Gespräch sezte er mein Treiben mit dem Dom, als ein redliches, jenem entgegen, und ich verstand erst noch mehr, was er am Tag vorher gemeint hatte." 1

So blieb es. Von Friedrich Schlegel wollte Göthe nichts wissen 2, Boisserée's dagegen nahm er sich mit aller Wärme an. Er ließ die Risse und Zeichnungen des Kölner Doms, wie des Straßburger Münsters, nebst andern Zeichnungen zur Verglei

1 Sulpiz Boifferée. I. 119 ff.

2 Er erblickte in ihm nicht mit Unrecht einen ihm gewachsenen geistigen Gegner: „Durchaus aber," schrieb er schon den 22. Juni 1808 an Reinhard, „ist diese Schlegel'sche Conversion der Mühe werth, daß man ihr Schritt vor Schritt folge, sowohl weil sie ein Zeichen der Zeit ist, als auch weil vielleicht in keiner Zeit ein so merkwürdiger Fall eintrat, daß im höchsten Lichte der Ver= nunft, des Verstandes, der Weltübersicht (!!) ein vor= zügliches und höchst ausgebildetes Talent verleitet wird, sich zu ver= hüllen, den Popanz zu spielen, oder wenn Sie ein ander Gleichniß wollen, so viel wie möglich durch Läden und Vorhänge das Licht aus dem Gemeindehaus auszuschließen, einen recht dunkeln Raum hervorzubringen, um nachher durch das foramen minimum so viel Licht als zum hocus pocus nöthig ist, hereinzulassen. Da man über seine Absichten und Schleichwege nun schon deutlicher ist, so bin ich wirklich neugierig, wie er sich gebärdet, wenn er meine folgenden acht Bände recenfiren sollte, und in wiefern er aber= mals Gelegenheit nehmen wird, die ästhetische Cultur, den Poly= theismus und Pantheismus verdächtig zu machen." Göthe= Reinhard Briefwechsel. S. 32. — Es war der Haß des Heiden gegen den Katholiken!

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