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Boifferée's unerfreuliches Verhältniß zu Göthe.

Wenn Strehlke die religiöse Anschauung der Boisserée's und Bertrams einen „orthodoren, dabei aber duldsamen und nur der Priesterherrschaft feindlichen Katholicismus“ nennt1, so ist das leştere bloße Culturkampfsphrase. Sulpiz war so gut wie seine Freunde ein gläubiger, überzeugungstreuer Katholik, hat als solcher gelebt und ist als solcher gestorben. Man wird in seinen Werken nichts finden, was einer Auflehnung gegen die kirchliche Autorität gleichsieht. Duldsam war er allerdings, und zwar bis an die äußersten Grenzen des Möglichen, schweigsam wie ein Diplomat, geduldig über alle Begriffe. Sein Benehmen und seine Briefe überfluthen von Artigkeiten, Aufmerksamkeiten, feinen Schmeicheleien für einen Mann, dessen Grundanschauungen er nicht nur nicht theilte, sondern eigentlich im eigenen Herzensgrund für leer, schal, dunkel und unbefriedigend hielt. Es war kein so wahres, schönes und erfreuliches Verhältniß, wie seine einstige Freundschaft zu Schlegel. Wenn man die frivolen, oft geradezu blasphemischen Aeußerungen liest, die er geduldig herunterschluckte, da mag wohl die Frage auftauchen, ob er nicht besser auf Göthe's Freundschaft verzichtet hätte. Die christliche Kunst, deren Wiedererwecker und Vorkämpfer er war, brauchte im Grunde Göthe nicht. Sie trug ihren Lebenskeim in sich. Schlegel und Boisserée selbst hätten Wissen und Kraft genug gehabt, ihre Sache vor dem Forum der deutschen Oeffentlichkeit zu führen. Die größten jungen Künstlertalente entwickelten sich unabhängig und sogar im Gegensatz zu Göthe. Eine beherzte Vereinigung aller katholischen Kräfte gegen Göthe hätte dessen Autorität auf dem Gebiete der Kunst völlig brechen und die christlich-deutsche Kunst auf eigene Füße stellen können. Denn der alte Herr hatte durch seine schlechte Aufführung während der Freiheitsbewegung viele Sympathieen eingebüßt, und Epimenides hätte sie nicht wieder gewonnen. Statt dessen anerkannte Boisserée jezt gerade ihn als höchsten Richter und legte das Schicksal der christlich-deutschen Kunst in seine Hand. Es war ein unerquickliches Compromiß.

1 Göthe's Werke [Hempel]. XXVI. 215.

Die Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum 2c." 191

Göthe war entschiedener Heide, in der Kunst wie im Leben; er wollte Heide bleiben. Für ihn war es von vornherein klar, daß man diese christliche Kunst, vor Allem aber den christlichen Glauben, aus dem sie emporgeblüht, abweisen müsse. Es fragte sich nur: wie? Zu offenem Kampf hatte er keinen Muth, denn da hatte er schon einmal den Kürzeren gezogen. Er beschritt deßhalb den Weg der Diplomatie und beschloß, den Katholicismus unter Complimenten und Bücklingen fein abduften zu lassen, wie es ihm früher schon in Münster gelungen war.

Es war im Mai 1810, als Boisserée seine erste bescheidene Bitte stellte: um eine Empfehlung seines Werkes über den Kölner Dom in Cotta's Morgenblatt'. Es war eine Kleinigkeit. Göthe hatte solche Empfehlungen zu Dußenden geschrieben. Aber diese schrieb er nicht. Erst nach langem Widerstreben ließ er Sulpiz an sich heran, prüfte ihn, gewann ihn, schulte ihn zu seinem Verz trauten, ließ sich alle seine Zeichnungen erklären, seine Sammlung geschichtlich auseinandersetzen, seine Pläne und Anschauungen entwickeln. Sechs Jahre hielt er ihn so hin, pumpte in mündlichem Verkehr, Briefen und Aufsätzen Boisserée's kunstgeschichtliches Wissen in seine eigenen Mappen, und dann dann gab er der Empfeh lung eine Wendung, welche dieselbe grundsäglich völlig entwerthete und das alte Kunstheidenthum von Neuem auf den Schild erhob. Im Jahre 1816 ließ er das erste Heft einer neuen Zeitschrift nach Art der „Propyläen“ in freien Folgen erscheinen: Ueber Kunst und Alterthum in den Rhein- und Mayn-Gegenden von Göthe." Da beschrieb er recht ge= müthlich seine Rheinreise mit Boisserée 2. Scheinbar tritt er als bloßer Skizzenschreiber auf, aber unter dem leichten, angenehmen Gewande übernimmt er thatsächlich wieder, wie ehedem, das höchste Scepter im Reiche der deutschen Kunst. Er besucht Köln, Bonn, Neuwied, Koblenz, Mainz, Biebrich, Wiesbaden, Frank

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1 Göthe-Reinhard Briefwechsel. S. 85.

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2 Ueber Kunst und Alterthum 2c. Stuttgart, Cotta, 1816. Göthe's Werke [Hempel]. XXVI. 267—340.

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Empfehlung pro forma der Kölner Freunde.

furt, Offenbach, Hanau, Aschaffenburg, Darmstadt und endlich Heidelberg. Er notirt kurz, was er in den einzelnen Städten an Kunstsammlungen und Kunstwerken gesehen, lobt, tadelt, kritifirt, ermuthigt, gibt Winke und vereinzelt auch weitläufigere Orakel an die Stadtverwaltungen und Bürgerschaften. Köln soll keine Kunstakademie bekommen (es sei zu republikanisch), aber eine Universität könnte ihm nicht schaden. Mainz soll nicht bloß als strategischer Punkt gehoben, sondern auch Sit einer Kriegsschule werden. Der Vaterstadt Frankfurt wird für Pflege der Kunst hauptsächlich das Vereinsleben empfohlen. Dann kommt zum Schluß eine sehr freundliche Beschreibung der Boisserée'schen Kunstsammlung in Heidelberg und der Versuch, zwischen der in ihr dargestellten christlichen Kunst des Mittelalters und dem eigenen Kunstheidenthum zu vermitteln.

Was Göthe so oft versprochen, das wird hier pro forma wenigstens einigermaßen endlich gehalten. Die Bemühungen der Kölner Freunde und des Professor Wallraf sind sowohl bei der Beschreibung der Kölner Kunst, als bei jener der Heidelberger Sammlung äußerst wohlwollend geschildert und anerkannt; die Sammlung ist mit sichtlichem Interesse beschrieben; auch die Arbeiten Boisserée's für den Kölner Dom sind ausführlich und sehr ehrend erwähnt. Ja, dem Heft ist sogar ein Veronica-Bild mit dem Titel „Vera Icon, byzantinisch-niederrheinisch“ beigegeben. Die christliche Kunst aber geht bei alledem eigentlich leer aus.

Was Göthe's Auffah an werthvollen geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Notizen darüber enthält, das ist der Hauptsache nach Boisserée's Eigenthum. Ansehnliche Stellen sind einfach aus Mittheilungen Boisserée's abgedruckt, und da der Sezer das "S. B." dabei wegließ, glaubte Göthe das Incognito nun wahren zu sollen!1 Das Bedeutendste, wie die Notizen über den Dom und das Dombild, über van Eyck und „Hemmelink“ (Memling),

1 Im zweiten Rhein- und Mainheft finden Sie Ihre Architektonika. Ich hatte Ihr S. B. darunter gefeßt, das durch Zufall (!) wegblieb, und Sie erfreuen sich auch dießmal des vollkommensten Incognito." Sulpiz Boisserée. II. 166.

Göthe als Protector der christlichen Kunst.

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über die hl. Veronica u. A., ist viel genauer, gründlicher und richtiger in seinen Briefen an Göthe zu lesen1. Die eigentlich bahnbrechenden Ideen rühren von Friedrich Schlegel her, der in dem ganzen Aufsatz nicht einmal genannt ist, und sind von ihm weit klarer und wahrer ausgesprochen. Dafür stellt sich Göthe, als ob Alles Ergebniß seiner eigenen Studien wäre und als ob er ebenso hoch und selbständig über den Kölner Freunden stände, wie über der Frankfurter Zeichenschule und der Teppichfabrik von Leisler und Cie. in Hanau. Diplomatisch genommen, war es ein schlauer Staatsstreich. Er maskirte seine bisherige Ignoranz auf diesem Gebiete mit dem, was er soeben von den jüngeren, wohlbewanderten Freunden gelernt, übernahm mit souveräner Miene jetzt das früher angebotene Protectorat und benüßte dieses, um die christliche Kunst, ihrer Würde und Weihe entkleidet, seiner eigenen nach wie vor heidnischen Kunstanschauung unterzuordnen.

Nicht ohne Ekel und Widerwillen wird ein von lebendigem Glauben beseelter Katholik lesen, was Göthe hier von den großen dogmatischen und geschichtlichen Hauptstoffen der christlichen Kunst schreibt, gleich als ob es sich um ein Stück tibetanischer oder indischer Mythen handelte3:

„Die neue Religion bekannte einen obersten Gott, nicht so königlich gedacht wie Zeus, aber menschlicher; denn er ist Vater eines geheimnißvollen Sohnes, der die sittlichen Eigenschaften der Gottheit auf Erden darstellen soll. Zu Beiden gesellt sich eine flatternde unschuldige Taube als eine gestaltete und gekühlte Flamme und bildete ein wundersames Kleeblatt, wo umher ein seliger Geisterchor in unzähligen Abstufungen sich versammelte. Die Mutter jenes Sohnes konnte als die reinste der Frauen ver

1 Sulpiz Boisserée. II. 27 ff. 43 ff. 54 ff. 71 ff. 79 ff. 83 ff. 91. 95 ff.

2 Man vergleiche nur 3. B. die Ausführungen Schlegels über die Kunst in Köln (Werke. VI. 152-170; 196-209) mit denjenigen Göthe's (Werke. XXVI. 267 ff. 329).

3 Kunst und Alterthum. 1. Heft. S. 139 ff.

[Hempel]. XXVI. 319 ff.

Baumgartner, Göthe. III. 2. Aufl.

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Das Kunstadelsdiplom der Boifferée's.

ehrt werden; denn schon im heidnischen Alterthum war Jungfräulichkeit und Mutterschaft verbunden denkbar. Zu ihr tritt ein Greis, und von oben her wird eine Mißheirath gebilligt, damit es dem neugeborenen Gotte nicht an einem irdischen Vater zu Schein und Pflege fehlen möge 1.

„Was nun beim Erwachsen und bei endlicher Thätigkeit dieses göttlichmenschliche Wesen für Anziehungskraft ausübt, zeigt uns die Masse und Mannigfaltigkeit seiner Jünger und Anhänger männlichen und weiblichen Geschlechts, die sich, an Alter und Charakteren verschieden, um den Einen versammeln, die aus der Menge hervortretenden Apostel, die vier Annalenschreiber, so manche Bekenner aller Art und Stände und von Stephanus an eine Reihe Märtyrer.

„Gründet sich nun ferner dieser neue Bund auf einen ältern, dessen Ueberlieferungen bis zur Erschaffung der Welt reichen und auch mehr historisch als dogmatisch sind, bringen wir die ersten Eltern, die Erzväter und Richter, Propheten, Könige, WiederHersteller in Anschlag, deren Jeder sich besonders auszeichnet oder auszuzeichnen ist, so sehen wir, wie natürlich es war, daß Kunst und Kirche ineinander verschmolzen und Eins ohne das Andere nicht zu bestehen schien." 2

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1 Mit Recht schreibt Dorothea von Schlegel über das Heft: Eine Stelle ist darin über das Christenthum als Gegenstand der Malerei; diese ist nicht allein das flare, kecke Geständniß seiner antichristlichen Denkart, sondern durch Stil und Schreibart so über alle Maßen platt und bierbrudergemein, daß ich heftig im Lesen darüber erschrocken bin; es war mir zu Muthe, als sähe ich einen verehrten Mann vollbetrunken herumtaumeln, in Gefahr, sich im Kothe zu wälzen. ... Göthe's größte Anbeter schweigen mäuschen= still; andere schimpfen laut; einige verlangen, man müsse diese Stelle ausscheiden und das Uebrige als geistreich würdigen." J. M. Raich, Dorothea von Schlegel. Mainz 1881. II. 357. 358.

2 Man vergleiche zu dieser jammervollen Caricatur der christ= lichen Kunst, was Friedrich von Schlegel über das Wesen derselben im Gegensatz zur altheidnischen Kunst sagt. Werke. VI. 166.

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