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"Sanct-Rochus-Fest zu Bingen."

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Neben diesen blasirten Auslassungen über die Grundlagen der christlichen Kunst bietet die daranknüpfende kunstgeschichtliche Skizze noch manche entsprechende Blüthe dar. Der Martyrtod der hl. Ursula ist eine Bartholomäusnacht, ein Septembertag", der hl. Gereon ist „ins Orientalische maskirt" und „Albrecht Dürer sieht man es nicht sonderlich an, daß er in Venedig gewesen" 1.

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„Das ist nun endlich," schrieb Dorothea Schlegel an ihre Söhne in Rom 2, „das Kunstadelsdiplom, was zu erlangen die Boisserée's so lange um den alten Heiden herumgeschwänzelt haben. Und wie überflüssig? Wer die Sammlung sieht und nur nicht eines ganz verstockten Sinnes ist, der braucht ja weiß Gott keines solchen Stempels, um zu sehen, daß diese Sammlung einzig in ihrer Art ist. Schwerlich werden Boisserée's sehr zufrieden sein mit diesem platten, affectirten Gewäsch; aber gewiß werden sie nicht unterlassen, die Miene anzunehmen, als wären es goldene Sprüche.“

In dem zweiten Heft, das Göthe 1817 folgen ließ, machte er sich den Spaß, das Bild des hl. Rochus zu Bingen hineinzusehen, und fügte dem Bilde auch einen leichten, feuilletonistischen Aufsatz hinzu: „Sanct-Rochus-Fest zu Bingen3. Am 16. August 1814." Was konnten liebe, duldsame, friedliche Katholiken mehr verlangen? Im anmuthigsten Stil wird hier eine Wallfahrt beschrieben, Kapelle und Procession, Gottesdienst und Predigt, Heiligenverehrung und Wunder. Die mittelalterliche Kunst wird lebendig mit dem frommen Volksgeist in Verbindung gebracht, aus dem sie einst hervorging und der ihr Geheimniß war. Gegen Schluß gedenkt der Dichter sogar eines Kreuzweges und empfiehlt dessen Wiederherstellung: „Die Stationen

1 Göthe's Werke [Hempel]. XXVI. 324. 328. 334.

2 J. M. Raich a. a. D. II. 356. 357.

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3 Kunst und Alterthum. 2. Heft. S. 63–132. Göthe's Werke [Hempel]. XXVI. 229–253. · - Vgl. Allgem. Zeitung. 1883. Nr. 360 und 361. Beil.

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Die christliche Kunft bei Seite gedrückt.

des Leidensganges unseres Herrn waren vermuthlich zerstört. Bei Erneuerung dieser könnte frommer Geist und redlicher Kunstsinn mitwirken, daß Jeder, er sei wer er wolle, diesen Weg mit theilnehmender Erbauung zurücklegte." Der ungläubige Dichter begnügte sich aber nicht, diese scheinbar frommen Anwandlungen mit feiner Ironie und bitterstem Spott auf die Geistlichkeit wieder zu zerstören, sondern seßte zwischen Bild und Aufsaß eine kunstgeschichtliche Abhandlung hinein, die in ruhig kaltem Tone alle religiöse Kunst als Frömmelei zurückwies und die Herrschaft der griechischen Götter wieder verkündigte 1.

Die Abhandlung war überschrieben: „Neudeutsche religiöspatriotische Kunst“ 2, und seßte vergnüglich Jupiter neben Christus: „Bekennen doch die Alten selbst, daß der olympische Jupiter der Religion höchst vortheilhaft geworden (!), daß also die Betrachtung desselben gleichfalls zur Frömmigkeit, aber nicht zu einer solchen, wie wir sie denken, den Beschauer hinaufgezogen habe." 3

Boisserée empfand den Schlag tief, floh aber zu der alten Distinction, mit welcher die Romantiker schon früher ihre Götheverehrung in ähnlichem Fall zu retten wußten. Alles Böse kam lediglich vom Kunstmeyer", alles Gute aber von Göthe. So sprach Boisserée denn seine herzlichste Freude an dem „Rochusfest" aus, an dieser Meisterschaft, die aus dem stets regen Auffassen und Darstellen der Natur und des Lebens entstanden ist" 4.

„Wie sehr," fuhr er dann fort, weicht aber von dieser Ansicht die des Verfassers des polemischen Aufsatzes ab, indem er gegen die Nachahmer italienischer und deutscher Kunst die helle1 Göthe wünschte nichtsdestoweniger, daß das „gerecht und billig gefunden werden möge". Sulpiz Boisserée. II. 152.

2 Kunst und Alterthum. 2. Heft. S. 9–62. 133–162.

3 Sehr bezeichnend wird da zugestanden, vor der neuen Richtung habe in der Kunst ein akatholischer, protestantischer, um nicht zu sagen unchristlicher Geist" geherrscht. Kunst und Alterthum. 2. Heft. 1817. S. 12. 55.

4 Sulpiz Boisserée. II. 173. 174.

Boisserée's weinerliche Reclamation.

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nische als einzigen Kanon aufstellt. Wir sehen nicht ein, wie er dadurch seine Gegner belehren oder besiegen könne. Aus der Nachahmung von Kunstwerken wird eben nie etwas Aechtes hervorgehen, die Vorbilder mögen nun seyn, welche sie wollen. Das allein selig machende Heil bleibt ja immer nur in der freien Nachbildung der Natur zu suchen. Und so muß sich eben jedes Volk und jede Zeit an dem halten, was ihm, um mit den lieben Heiden zu reden, die Götter und das Schicksal zugetheilt haben. Wie sehr aber sind alle unsere Verhältnisse, ist unsere ganze Umgebung von dem griechischen Wesen verschieden! - Wo und wann sehen wir denn das Nackte in freiem Leben und Bewegung? Ferner wo blieben bei der Nachahmung der griechischen Plastik die Farben? Wie könnten wir unter so trübem Himmel ihren Zauber entbehren? Und wer möchte, was aus jener Ansicht stillschweigend folgt, dem Venetianer, dem alten und neuern Niederländer alle wahre Kunst absprechen? Doch genug, Sie wissen diese Fragen und die Antworten viel besser als ich.

„Wir beklagen allein, daß nicht, wie wir es erwartet, Sie selbst den Aufsatz übernommen haben. Denn nur Sie mit Ihrem großen Sinn, empfänglich für alles Aechte, welcher Gestalt es auch erscheine, nur Sie waren im Stande, die Aufgabe zu lösen und zwischen zwei Ultrapunkten die wahre beseligende Mitte zu zeigen.“

So klagte Boisserée am 23. Juni 1817. Nachdem er Jahre lang dem alten Herrn die größte Freundschaft und Dienstbeslissenheit entgegengebracht, war zum Dank dafür seine christlich-deutsche Kunst in's Antiquitäten-Museum verwiesen, die alte nackte Götterherrlichkeit von Hellas wieder auf den Altar gehoben. Von Entschuldigung war keine Rede. Göthe berichtete, es seien schon manche Reclamationen und Approbationen eingegangen, Alles werde zu Acten geheftet, daraus werde sich ein „entschiedener Blick in die deutsche Kunstwelt" ergeben und damit zugleich eine „Vermittelung", wie sie eigentlich schon in dem Aufsah enthalten sei 1.

1 Ebds. II. 178. 179.

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Göthe's Protest zum Reformationsjubiläum.

Der große Kunstdiplomat ließ dann im Herbst zu dem dritten Heft seiner kleinen, zwanglosen Zeitschrift: „Ueber Kunst und Alterthum in den Rhein- und Mayn-Gegenden. Stuttgart 1817", einen zweiten Titel drucken, auf dem es bloß noch hieß: Ueber Kunst und Alterthum, 1818". An die Stelle der Rhein- und Maingegenden aber sehte er sein Reformationsgedicht „Dem 31. October 1817":

„Dreyhundert Jahre hat sich schon

Der Protestant erwiesen,

Daß ihn von Papst- und Türkenthron
Befehle baß verdrießen.

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Dieses Versprechen hielt er besser, als diejenigen, die er früher Boisserée gegeben. Als sichtbaren Protest gegen das frühere Veronica-Bild und gegen St. Rochus setzte er vorn in das vierte Heft (1818) - Myrons säugende Kuh, mit einem herzinnigen, hochbegeisterten Aufsaß, worin das Thierleben als Kunstobject geradezu religiös-historischen Darstellungen vorgezogen wird. Der säugenden Kuh gesellt er noch die römische Wölfin zu und ruft dann aus:

„Wie schwach erscheint aber, mit so großen Conceptionen verglichen, eine Augusta Puerpera,

Der

Sinn und das Bestreben der Griechen ist, den Menschen zu vergöttern, nicht die Gottheit zu vermenschen. Hier ist ein Theomorphism, kein Anthropomorphism!“

2

1 Abgedruckt in Göthe's Werken [Hempel]. II. 363.

2 Kunst und Alterthum. II. Bd. 1. Heft. S. 23. Göthe's Werke [Hempel]. XXVIII. 465. „Auch die Stelle gegen die

Triumph der alten Götter.

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Um das Geschäft der Menschenvergötterung, d. h. die volle Rückkehr zum Heidenthum dann besser in Fluß zu bringen, gibt er den Malern in dem folgenden Aufsatz über „Philostrats Gemälde" ein Verzeichniß von 79 Vorwürfen, deren meiste auf lüsterne Nuditätendarstellungen, namentlich von Göttinnen, Nymphen, Bacchantinnen, Faunen u. s. w., hinauslaufen 1.

Fast das ganze übrige Heft ist darauf verwandt, einzelne Vorwürfe dieser Rococo-Götterwelt genauer auszumalen und die Künstler dafür zu gewinnen. Das ist des Dichters Himmel da lebt und webt er mit unendlichem Wonnegefühl — das ist seine Religion. Damit hielt er sich die christliche Kunst und den Katholicismus vom Leibe. Ein ernstes, wissenschaftliches Studium der antiken Kunst war damit keineswegs verbunden.

Madonnen liebe ich sehr,“ schreibt mit Bezug hierauf Wilh. von Humboldt, „da mich alles Heidnische anspricht." Bratranek, Göthe-Humboldt Briefwechsel. S. 252.

1 18. Venus, dem Meer entsteigend, auf der Muschel ruhend, mit der Muschel schiffend; Vorspiel der Liebesgötter. 19. Nep= tun und Amymone; Ariadne, verlassen, einsam, dem fort= segelnden Schiffe bestürzt nachblickend. 20. Ariadne, schlafende Schönheit, vom Liebenden und seinem Gefolge bewundert; Leda mit dem Schwan. 21. Pelops als Freiersmann. 28. Perseus verdient die Andromeda. 29. Cyklop vermißt die Galathe; Cyklop in Liebeshoffnung. 30. Pasiphae; Künstler, dem Liebeswahnsinn dienend. - 31. Meles und Critheis. 33. Semele,

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des Bacchus Geburt; Bacchus' Erziehung durch Faunen und Nym= phen. 51. Meleager und Atalante. — 52. Abermals Schweinsjagd, von unendlicher Schönheit. 53. Gastmahl nach der Jagd, höchst liebenswürdig. — 55. Pan, von den Nymphen im Mittags= schlaf überfallen. 56. Midas, von schönen Mädchen umgeben, freut sich, einen Faun gefangen zu haben. 65. Venus, ihr elfen= beinernes Bild von Opfern umgeben; leichtgekleidete, eifrig fingende Jungfrauen. 66. Bacchus und Bacchantinnen. 74. Del= phins-Fang.. 76. Nächtlicher Schmaus; unschäßbares Bild, schwer einzuordnen u. s. w. Göthe's Werke [Hempel]. XXVIII. 275-322.

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