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Schillers und Göthe's Verdienste um die Bühne. Gedichte hatten in der hohen Sittlichkeit ihrer Tendenz, dem trans cendentalen Gedankenschwunge und der begeisterten Schwärmerei so den tiefsten Seelenton des deutschen Volkes getroffen, daß dadurch das ideale Drama, die exclusive und gelehrte Richtung der Weimar'schen Schule populär geworden war1. Den Bestrebungen Göthe's allein wäre das nie gelungen, wir sehen ihn mit der Aufführung seiner Gedichte immer nur auf Anerkennung eines kleinen Kreises angewiesen."

Unterschätzen darf man jedoch auch Göthe's Verdienst nicht. Er hat als Director und eigentlicher Leiter der Weimarer Bühne den Wallenstein flügge gemacht und die weitere dramatische Thätigkeit Schillers beständig gefördert; er hat dafür gesorgt, daß das Repertoir der Bühne sich auch sonst entsprechend erweiterte; er hat hauptsächlich die Schauspieler herangebildet, welche dieser höheren, idealen Dramatik zum Erfolg verhalfen, und er hat endlich nach Schillers Tod das verdienstvolle Werk beharr lich fortgeführt.

Beiden gemeinsam war noch der Plan, durch Uebersetzung und Bearbeitung der besten alten und fremden Meisterwerke die Bühne auf dem gewonnenen höheren, echt fünstlerischen Standpunkt zu halten 2. So kamen neben den schon genannten Be

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1 „Schiller," so meint auch Grillparzer, „war der lezte populäre eigentliche Dichter, und selbst der Wortüberfluß, den ihm der lesende Kritiker zum Vorwurf macht, ist für den Zuseher die vermittelnde Brücke, mittelst der er die Höhen der schwierigsten Situa= tionen und Charakteräußerungen, Schritt für Schritt, ohne An= strengung erklimmt.“ „Göthe mag ein größerer Dichter sein und ist es wohl auch. Schiller aber ist ein größeres Besißthum der Nation, die starke, erhebende Eindrücke braucht, Herzensbegeisterung in einer an Mißbrauch des Geistes leidenden Zeit. Er ist nicht zum Volke herabgestiegen, sondern hat sich dahin gestellt, wo es auch dem Volke möglich wird, zu ihm hinaufzugelangen." Grill= parzer, Sämmtliche Werke. Stuttgart 1872. IX. 187. 230; X. 170.

2 Devrient a. a. O. III. 261 ff. — Göt he's Werke [Hempel]. XXVII. 50. 52. 71. 73. 81. 119. 146. 189. 195. 198. 205. 212. 213. 220.

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Erweiterung des classischen Bühnencyklus.

arbeitungen der beiden Dichter auch die Brüder, der Eunuch, die Andria und der Heautontimorumenos des Terenz, Holbergs Don Ranudo de Colibrados, Shakespeare's Cäsar, Racine's Mithridate auf die Weimarer Bühne. Göthe hielt hieran fest. Bald nach Schillers Tode wurde Shakespeare's Othello gegeben, dann Corneille's Rodogune und Cid; König Johann, Hamlet, Romeo und Julie und der Kaufmann von Venedig in Schlegels Uebersetzung; die Antigone des Sophokles, das Gespenst des Plautus, Voltaire's Zaïre, der Saul des Alfieri, und einige der schönsten Stücke Calderons: „Der standhafte Prinz“, „Das Leben ein Traum“ und „Die große Zenobia". Schiller und Göthe bestanden so gleichsam die Feuerprobe, indem die classische Bühne des Alterthums und des Auslandes in gewählten Mustern ihnen zur Seite gestellt ward. Göthe nahm sich der meisten dieser Aufführungen, besonders jener Calderons, mit großem Eifer an. Er hatte Mühe, den Standhaften Prinzen „beim Publikum einzuschwärzen“ 1, aber er hielt Calderon für „unendlich groß im Technischen und Theatralischen“. „Seine Stücke,“ sagt er2, „sind durchaus brettergerecht, es ist kein Zug in ihnen, der nicht für die beabsichtigte Wirkung calculirt wäre. Calderon ist dasjenige Genie, was zugleich den größten Verstand hatte." Bei der Aufführung des Standhaften Prinzen im Januar 1811 weinte er laut vor Ergriffenheit3. Er hat also unzweifelhaft die Meisterschaft des großen spanischen Dramatikers tief erfaßt, wenn auch nur von der künstlerischen Seite, ohne auf den religiösen Kern derselben irgendwie einzugehen *.

1 Eckermann, Gespräche. II. 183.

2 Ebds. I. 151. 175.

Vgl. Göthe-Jahrbuch VII. 217. 3 Dünger, Charlotte von Stein. II. 342.

4 Die hohe Weihe und Bedeutung, welche die Religion auch der dramatischen Kunst gewährt, erkannte er niemals an. Er betrachtete Religion und Theater als geschworene Feinde. „Das Theater hat drei Hauptgegner, die es immer einzuschränken suchen: die Polizei, die Religion und einen durch höhere sittliche Ansichten gereinigten Geschmack." Werke [Hempel]. XXVIII. 705.

Zeitgenössische Novitäten. Bildung der Schauspieler. 207

Wie Göthe Lessings Hauptstücke in das Weimarer Repertoir aufnahm, so schenkte er auch neueren Leistungen, wenn sie ihm bedeutend erschienen, die freundlichste Beachtung: so A. W. Schlegels Jon, Friedrich Schlegels Alarkos, Collins Regulus; so später dann der Wanda und dem Vierundzwanzigsten Februar von Zacharias Werner, dem Jephta von Robert, dem Zerbrochenen Krug von Heinrich von Kleist, der Schuld von Müllner. Er war durchaus nicht engherzig und noch weniger einseitig für seine eigene Dramatik eingenommen. Wohl selten hat eine Bühne in so kurzer Zeit so viele literaturgeschichtlich merkwürdige Novitäten zu verzeichnen gehabt und in ihren Aufführungen überhaupt so viel Ausgezeichnetes geboten.

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Ein anderes Hauptverdienst Göthe's liegt in der technischen Bildung, welche er seinen Schauspielern angedeihen ließ. Man kann sagen, daß er darauf ebenso viel, ja mehr Sorgfalt wandte, als irgend ein anderer Theaterdirector jener Zeit. Er gab sich ungemein Mühe, gute Kräfte heranzuziehen, sie in Weimar festzuhalten, sie ihrer besonderen Befähigung gemäß auszubilden, alle zu einem gemeinsamen Zusammenwirken einzuschulen. Schon Wahl und Anpassung der Stücke nahm er mit Umsicht und vielem Fleiße vor. Genaue Leseproben oft in Gegenwart des Herzogs weihten die Mitspielenden in ihre Aufgabe ein. Die Hauptrollen wurden einzeln vorgenommen, die Zeit für die Proben nicht geschont. Die meiste Mühe kostete es, die an Ifflands natürlichste Alltagsprosa gewöhnten Schauspieler auf den Vortrag des dramatischen Jambus einzuüben 1. Noch Don Karlos und die Mitschuldigen mußten in Prosa umgeschrieben werden, damit sie in Leipzig aufgeführt werden konnten. In Bezug auf Gestus, Stellung, Gruppirung hatte ebenfalls als Grundsaß die nachlässigste Natürlichkeit gegolten; es forderte harte Anstrengung, in all diesen Rücksichten eine eigentliche Kunstübung durchzuführen und statt der Effectjägerei der einzelnen Rollen ein harmonisches

1 Weber, zur Geschichte des Weimarischen Theaters. Weimar 1865. S. 1 ff.

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Technische Hebung des Schauspiels.

Zusammenspiel in Gang zu bringen, das, ohne Affectation, der Würde eigentlicher Kunstwerke entsprach. Die „Regeln für Schauspieler“, die Göthe zu diesem Zwecke aus langer Erfahrung zusammenstellte, mögen Manchem pedantisch erscheinen, aber sie drücken im Grunde nur die elementaren Bedingungen aus, ohne welche die gewünschte Vollendung des Vortrags sich nicht erreichen ließ. Außer den Regeln waren strenge Theatergesetze aufgestellt, welche das Verhalten der Schauspieler bei den Proben und Aufführungen, sogar unter relativ hohen Geldstrafen, vorzeichneten. Das Fehlen bei einer Scene wurde mit acht Groschen gebüßt, mußte der Fehlende in seiner Wohnung geholt werden, mit einem Thaler. Wer bei der Aufführung eines Stückes zu spät auftrat, hatte einen Thaler Strafe zu erlegen 2.

Während die Hamburger Schule vollendetste Natürlichkeit anstrebte, um die möglichste theatralische Täuschung herbeizuführen, legte Göthe das Hauptgewicht auf Kunst und Anstand, „bewußte Herrschaft über den künstlerischen Stoff, sicheres Maß in der Behandlungsweise, selbst bis zur Abgemessenheit" 3, schöne Rede, würdevolle Repräsentation, auf das vollkommenste Ebenmaß aller Form und Erscheinung. Der Schauspieler sollte die Poesie der gedankenreichsten und erhabensten Dramen erst studirend ganz in sich aufnehmen, dann seine Rolle mit aller Kunst der Rhetorik vortragen lernen und sie endlich in seiner Mimik mit Gedanke und Wort zum eigentlichen lebendigen Kunstwerk verschmelzen. Diese schwierige Aufgabe hat Göthe im Verein mit Schiller zwar nicht gelöst, aber doch immerhin zu lösen gesucht *.

1 Göthe's Werke [Hempel]. XXVIII. 682-698.

mann, Gespräche. I. 108.

Ecker=

2 Göthe's Theaterintendantur. Unsere Zeit. 1866. II. 581 ff. 3 Devrient a. a. D. III. 269. 271. E. Genast, Aus dem Tagebuch eines alten Schauspielers. Leipzig 1862. BI. f. lit. Unterh. 1862. II. 634 ff.

4 Die tüchtigsten Theaterkenner waren von dem Vortrag der weimarischen Truppe nicht befriedigt. Tieck, der sie 1799 hörte, fand, daß sich Graffs Pathos wenig von dem verrufenen tragischen

Mangel einer wahren Idealität.

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Eine Bühne, welche von Schiller zu Shakespeare, von Shakespeare zu Calderon fortschritt, daneben Sophokles und Euripides, Corneille und Racine, Plautus und Terenz, Holberg und Alfieri vorführte, und zwar in tüchtiger Darstellung, mit wirklichem Streben nach der feinsten mimischen Kunst, mochte man mit Recht nicht bloß eine classische, sondern auch eine ideale nennen. Sie blieb das Vorbild aller ähnlichen höheren theatralischen Bemühungen, wie des Wiener Burgtheaters, der Meininger Gastspiele und der Münchener Vorstellungen im Jahre 18801.

Es handelt sich hier aber — und das ist die große Schwäche der Weimarer Bühne und aller ihrer Nachahmungen gewesen - um einen bloß künstlerischen, ja um einen bloß künstlichen Idealismus. In den Geist, aus welchem Calderons Dramen hervorgegangen, drang Göthe nicht ein, er bewunderte nicht den tiefreligiös-nationalen Kern, aus welchem diese Wunderblumen der Dichtung hervorsproßten, sondern bloß die Organisation ihrer Technik, und die Farbenpracht ihrer Blüthen. Shakespeare zog er aus dessen eigentlicher Lebenssphäre in den jämmerlichen Kreis Wilhelm Meisters und Philine's herab. Terenz ward modernisirt. Von Sophokles kam nur Antigone und König Oedipus zu Ehren. Corneille und Racine waren nur zur Parade da; Voltaire ward sofort neben sie gepflanzt. Auf ein Stück von Schiller wurden fünf, sechs von Kotzebue aufgeführt. Schillers Jugenddramen, wie Fiesto, die Schiller selbst als unreif verschmähte und nicht aufgeführt haben wollte 2, wurden nach seinem Tod auf die Bretter geschleppt; auf eine Vorstellung des Tasso kamen zehn, zwölf von

Gurgelton unterscheide“. Köpke, Tieck. I. 261. Vgl. Grill= parzer, Werke. X. 170. Rahel. I. 494.

1 Ueber den Mangel an eigentlich theatralischer Berechnung und Inscenirung auf der Weimarer Bühne und über die theatralische Vollendung, welche erst die „Meininger" dem claffischen Bühnen= cyklus gegeben haben, vgl. Hans Herrig, Die Meininger, ihre Gastspiele und deren Bedeutung. Dresden 1879. S. 19 ff. Vgl. dazu dessen Vorrede zu „Nero“. Drama. Berlin 1883. 2 Eckermann, Gespräche. I. 205.

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