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Demiffion des ersten Tasso".

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er sie nach einigen knickerigen Verhandlungen, in welche sich auch der Hof mischte, nicht bloß ohne eine praktische Bethätigung seines Dankes und wahren Wohlwollens an, sondern ließ durch Kirms in den Büchern der Theaterkasse nachschnüffeln, ob er an die idealen Künstler nicht noch eine Geldforderung hätte. Das Ehepaar ward bis Ostern noch behalten, und Kirms schnüffelte nicht vergeblich; er fand, daß man den zwei Abgehenden, den zwei glänzendsten Repräsentanten der idealen Bühne, noch 20 Thaler abzwacken könnte. Da Wolff nicht bei baarem Gelde war, sah er sich genöthigt, sich aus seinen Schriften und seiner wenigen Habe mit der Theaterkasse abzufinden und an Göthe folgenden Brief zu richten, den man zu Nutz und Frommen der theaterlustigen Jugend jedem Drama Göthe's in Schwabacherschrift vordrucken sollte, damit sie erführe, was bloß künstlerische, ohne religiöse und wahrhaft ideale Bildung ist:

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Ew. Excellenz. Hoch- und Wohlgeboren!

Vergangene Woche haben wir die dem Großh. Hoftheater gehörigen Garderobestücke an die dazu Beorderten abgeliefert; es fehlt nur Weniges, welches wir leicht ersehen können, besonders wenn Ew. Excellenz Hoch- und Wohlgeboren geneigt wären, einige Kostüme, die uns gehören, dagegen anzunehmen. Nicht gerechnet. den bedeutenden Sticker und Macherlohn, welchen meine Frau in der langen Reihe von Jahren selbst berichtigt hat.

„Von dem Hrn. Hoftheater-Cassier ist mir angezeigt worden, daß ich weiter in keinem Rückstand bin, außer 20 Thaler Vorschuß, datirt vom 21. Aug. 1813. Halle, laut Quittung. Diese kleine Summe wurde uns damals mit den Worten erlassen: Da wir bestens dazu beigetragen, daß das Theater mit den wenigen. Mitgliedern eine ansehnliche Folge von Darstellungen geben konnte (es war nämlich in diesem Jahre nur das Schauspiel in Halle), so sollte dieses Vorschusses nicht weiter gedacht werden; daher kommt es auch, daß er mir in den vergangenen drei Jahren nicht abgezogen wurde. Indessen einsehend, daß wir bei unserem Abgange weiter keinen Anspruch auf irgend eine Vergünstigung zu

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Knickerei der Firma Göthe-kirms.

machen berechtigt sind, thue ich hiermit den Vorschlag, wenn Ew. Excellenz Hoch- und Wohlgeboren auf der Rückzahlung bestehen, einige Arbeiten, zu denen ich beauftragt war, als: Die Bearbeitung des Hamlet, die Einrichtung des Standhaften Prinzen 2c. 2c., auch mehrere Bücher, z. B. die Partitur des Pygmalion, wofür ich in Berlin drei Dukaten bezahlt habe, das Kamaeleon 2c. 2c., dagegen anzunehmen.

„Wir würden es dankbar erkennen, wenn Ew. Excellenz Hochund Wohlgeboren uns die Gnade erzeigten, über obige beide Angelegenheiten bald eine gnädige Resolution zu ertheilen, da es unsere Absicht ist, Alles ehestens zu beseitigen, woraus uns noch eine Unannehmlichkeit entspringen könnte, um mit freundlichen Eindrücken von der hiesigen theuren Bühne zu scheiden.“ 1

Göthe schwieg. Er wollte mit der Sache nichts mehr zu schaffen haben. Kirms forderte noch einige Garderobestücke zurück. Wolff verlangte genaue Angabe, welche Kleidungsstücke seine Frau noch abzuliefern habe:

„Von dem Theater hat sie keines mehr in Händen ... Sie beleidigen uns aufs gröblichste... Bedenken Sie, daß Sie uns nichts weniger, als des Diebstahls beschuldigen. Bringen Sie mich nicht aufs äußerste. Ich verlange heute noch Antwort oder werde sie durch die Regierung verlangen. Wolff.“

Die Sache kam nun an den Grafen Edling, welcher vom Herzog kurz zuvor Göthe als Mitglied der Theatercommission aufgedrängt worden war, von Göthe aber einfach umgangen wurde. Edling ließ die Forderung durch die Oberhofmeisterin Gräfin Henkel untersuchen, worauf Göthe behauptete, es handle sich um zwei reiche Kleider, von welchen das eine von der Großfürstin Maria Paulowna an die Theatercommission und von dieser an Madame Wolff gegeben, das andere direct von Kirms der Madame Wolff verabfolgt worden sei. Wolff erwiederte in einem Briefe an August von Göthe, der ebenfalls zur Theatercommission gehörte :

1 Pasqué a. a. D. II. 216. 217.

Der Mantel der großen Zenobia.

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„Das Kleid, wovon in inliegendem Billet die Rede, ist vor der Abreise nach Leipzig und Berlin an meine Frau gekommen, sie hat es zur Zenobia als Mantel eingerichtet, nach vorhergegangener Erlaubniß des Großh. Geh. Hofraths Kirms, aber von ihm selbst auf dem Hofamt kein zweites erhalten. Dieses erwähnte Kleid ist auch richtig mit den andern Kostüms abgegeben." 1

Nun wurde auch noch der Großherzog Karl August angerufen. Dieser wandte sich an Göthe, Göthe wieder an Kirms um Aufschluß. Kirms beharrte auf seiner Forderung, Wolff auf der gegebenen Erklärung. Nach zwei qualvollen Monaten dieses Garderobegezänks, Ende Februar, bat Wolff endlich flehentlich seinen Lehrer Göthe, der Sache ein Ende zu machen:

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Ew. Excellenz. Hoch- und Wohlgeboren!

Unsere Bitte um Abschluß der Garderobe - Kleider und des Vorschusses und um Bestimmung unserer Abreise, welche ich seit vier Monaten zum fünften Mal wiederhole, könnte leicht ungestüm erscheinen, wenn mich nicht die Absendung meiner Habe, welche künftige Woche stattfindet, entschuldigte, so daß wir nachher außer Stande sind, eine Forderung zu befriedigen.

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Was die Großfürstlichen Kleider betrifft, wenn noch ein Zweifel derhalb sein sollte, so ist meine Frau bereit, auf der hiesigen Regierung einen Schwur abzulegen, daß sie keines besite, worauf die Großherzogl. Kommission Ansprüche hat." 2

Bis zum Entlastungseid von Garderobediebstahl ward die arme Frau gezerrt, von der Kirms meinte, daß sie „als Liebhaberin nicht lange mehr zu brauchen sein wird", während ihre Collegin Jagemann als herzogliche Liebhaberin“ über 10 000 Thaler Einkünfte verschlang. Wolff und seine Frau, der erste „Tasso“ und die erste „Leonore“, konnten von Glück reden, daß sie endlich abreisen durften, ohne daß Kirms noch ihr Gepäck durchsuchte und plünderte.

Auch an Göthe sollte nun die Reihe jenes leeren Kunstidealismus zu kosten.

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kommen, die Früchte Seit 1808 hatte die

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Intriguen der Jagemann gegen Göthe.

ehrgeizige Favoritin Jagemann, soweit sie nur eben konnte, Göthe's Alleinherrschaft am Theater durchkreuzt1. Es fanden sich auch andere Unzufriedene, die sich ihr anschlossen. Bei seinen vielen andern Thätigkeiten widmete Göthe selbst dem Theater nicht beständig dieselbe Aufmerksamkeit und Theilnahme. Er überließ Vieles seinen Unterregisseuren, den sogen. „Wöchnern" Becker und Genast. Nur dann und wann, wenn ein neues Stück ihn besonders interessirte, griff er wieder lebendiger ein. Mit dem Jahre 1815 sank auch dieses Eingreifen. Man hatte nun Proben aus der Dramatik der verschiedensten Völker. Dem tastenden Eklekticismus war Genüge geleistet. Eine bestimmte Richtung, wie Shakespeare oder Calderon, noch weiter zu verfolgen, lag nicht in Göthe's Wunsch und Plan. Neue Bühnenerperimente gab es nicht mehr zu machen.

Schon Ende 1813 wurde der Obermarschall Graf Edling zum Mitglied der Theatercommission ernannt, um Göthe zu unterstützen. Dieser hatte nicht darnach verlangt und ließ den Mann links liegen. Die Direction selbst gab er zwar nicht auf, zog sich aber immer mehr schmollend von den Geschäften zurück und ließ es ruhig geschehen, daß der Hof noch mehr in das Theater hineinregierte. An Genasts Stelle wurde im Januar 1817 einer der Unzufriedenen, der Bassist Strohmeier, Regisseur, und in die Theatercommission wurde noch Göthe's Sohn, der Kammerrath und Kammerjunker August von Göthe, berufen 2.

In Paris hatte um jene Zeit ein Melodrama Aufsehen gemacht, in welchem ein dressirter Pudel die Hauptrolle spielte. Es hieß „Der Hund des Aubry". Ein deutscher Schauspieler, Karsten mit Namen, verfiel auf den Gedanken, diese eigenthümliche Novität auszubeuten, richtete einen Pudel darauf ab und zog mit ihm in Deutschland herum. Die Hundekomödie hatte großen Erfolg. Am Hofe zu Weimar erwachte die Lust, das

1 Pasqué a. a. D. II. 165-185. II. 569 ff.

2 Devrient a. a. D. III. 387 ff.

Unsere Zeit. 1866.

Der Hund des Aubry.

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intelligente Thier auch zu sehen und Göthe damit einen Streich zu spielen. Karl August, ein großer Hundeliebhaber, ward leicht dafür eingenommen; Göthe, ein ebenso entschiedener Hundehasser 1, fühlte sich durch den bloßen Gedanken auf's Tiefste gekränkt. Er wies die Zumuthung trocken von sich: Schon in unsern Theatergesetzen steht, daß kein Hund auf die Bühne kommen darf."

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Göthe glaubte die Frage damit erledigt. Er erwartete nicht, daß seine 42jährigen Leistungen als Dichter, Theaterdirector und treuer Beamter keine Berücksichtigung mehr finden, daß ein dressirter Pudel die erste Bühne Deutschlands erobern, ihn, Schiller, Shakespeare und Calderon davon verdrängen sollte. Aber so sollte es sein. Im Einverständniß mit dem Grafen Edling raunte die Freundin" Jagemann dem Herzog zu: es sei doch recht unartig von Göthe, gegen den Wunsch seines Herrn auf den Theatergesetzen und seinem thörichten Eigensinn beharren zu wollen. Der Realismus siegte über die Kunst, die Favoritin über den alten, unwandelbar treuen Freund. Karl August gab Ordre, den Pudel zu bestellen 2.

Diese Theaterkatastrophe hat ihre komische, aber auch ihre entschieden ernste Seite. Hätte Göthe durch Wort, Schrift und Beispiel die trefflichen Charaktereigenschaften gepflegt, welche Karl August unläugbar besaß, ein solcher Schlag wäre unmöglich geworden. Dieselbe Weiberliebe, der er selbst unaufhörlich geschmeichelt hatte, gab ihn jezt der tiefsten Schmach preis 3. Das

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1 Da der alte Willemer ein ebenso großer Hundeliebhaber war, kam Marianne - Suleika bei Göthe's Besuchen in große Verlegen= heit. An Willemers Geburtstag (29. März) schmückte sie jeweilen sämmtliche Hunde mit bunten Bändern und brachte in eines jeden Namen Gratulationsverse dar. Wenn aber Hatem - Göthe kam, suchte sie alle „unsichtbar und unhörbar“ zu machen. Creizenach, Göthe und Marianne von Willemer. S. 22.

2 Devrient III. 390 ff.

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3 Die ihm widerwärtige Jagemann, die er einst selbst eingeführt, hatte das Herz Karl Augusts erobert und bestimmte seine Entschlüsse." Dünger, Charlotte von Stein. II. 446. 447.

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