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Ein der Göthe-Forschung verbotenes Kapitel.

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die Lebensfreude der Mutter, Liebespoesie der Ruhm des Hauses, Liebesgeschichten und Galanterien die Würze der häuslichen Unterhaltung. Das Kind wuchs auf in dieser üppigen, heidnischen Luft, ohne christlichen Unterricht, ohne Gewöhnung an Zucht und Sitte, ohne jene ernsten Grundsäße, welche das Fundament aller Erziehung bilden. Mit zehn Jahren zeigte August schon Neigung zum Trunk. Mit neunzehn Jahren wohnte er als Zeuge der Hochzeit seiner Eltern bei; er war alt genug, um die moralische Bedeutung dieses Acts und seiner Antecedentien zu verstehen. Mit 25 Jahren hatte er die Jugendliebschaften seines Vaters ausführlich erzählt im Drucke vor sich, von aller Welt gelesen und bewundert. Gedichte, deren Druck wegen allzu gewagten Inhalts oder verlegenden Angriffen nicht räthlich schien, übergab der Vater ihm zur Aufbewahrung'. Ein paar Tage nach dem Tode seiner Mutter kam Frau Kästner, geborene Buff, nach Weimar und wurde als einstige Geliebte seines Vaters gefeiert. Die früheren Beziehungen zu Frau von Stein können ihm nicht unbekannt geblieben sein: sie waren ebenso allgemein offenkundig, wie das Verhältniß Karl Augusts zu der Schauspielerin Jagemann.

Welchen Einfluß alle diese Umstände zusammen auf die Entwicklung des jungen Göthe haben mußten, mag Jeder selbst beurtheilen. Die bisherige Göthe-Forschung hat sich eher bemüht, dieses Kapitel zuzudecken, als aufzuklären 2. Das ist indeß von

1 Sulpiz Boisserée. I. 265.

2 „Der Sohn litt unter dem Drucke, welchen der Vater auf die wichtigsten Verhältnisse in seinem Leben ausgeübt hatte, und unter einer gewissen Unselbständigkeit, in welcher er fortwährend gehalten wurde; auch war er der schwierigen Aufgabe, Sohn eines großen Mannes zu sein, nicht vollständig gewachsen und wählte, anstatt männliche Selbständigkeit auf offenem Felde zu erringen, zur Beseitigung seines Unmuthes Mittel, welche schließlich nur ihm selbst zum Schaden gereichen konnten. Es wäre ein Leichtes, das hier Angedeutete zu einer eingehenden Schilderung auszudehnen. Dazu liegt aber kein Grund vor; denn

226 Augusts Vermählung mit Ottilie von Pogwisch.

den begeistertsten Götheverehrern zugestanden, daß August ein sinnlicher, derbsinnlicher, ausschweifender Mensch war und daß die Abkunft von Christione Vulpius es ihm schwierig machte, bei den adeligen Familien von Weimar als Freier aufzutreten. Die Schuld des Vaters rächte sich am Sohne.

Eine glückliche Wendung schien sein Schicksal im Winter 1816 auf 1817 zu nehmen. Mit der Großfürstin Maria Paulowna war 1804 eine Gräfin Henckel von Donnersmark nebst ihrer Tochter, der Majorswittwe Henriette von Pogwisch, und deren zwei Töchtern, Ulrike und Ottilie, nach Weimar gekommen. Die Großmutter wurde Oberhofmeisterin der Erbgroßherzogin. Ottilie, ein anmuthiges Wesen und gewandte Sängerin, betheiligte sich an den Singconcerten, die häufig in Göthe's Haus gehalten wurden. Er gewann sie lieb, sah sie zur Braut seines Sohnes aus, und es gelang ihm, die Hindernisse zu beseitigen, welche sich der Verbindung entgegenstellten. Am 1. Januar war die Verlobung schon ausgemachte Sache; erst am 17. Juni fand aber im engsten Familienkreise die Vermählung statt. Die jungen Leute," schrieb Göthe an Boisserée, sind das eigenste Paar, das es vielleicht gibt, und scheinen wirklich für einander prädestinirt. Es ist mir nicht bang um sie." Ein Brief der Frau von Schardt an Friß von Stein bestätigt Göthe's Ansicht und zeichnet anschaulich die Honigmonate des jungen Ehepaares 2:

"Ich bin es doch gewiß nicht, der Dir gesagt hat, man sei um sein Glück besorgt. Hab' ich es gesagt, so sprach ich von den officiösen Sorgen, die bei der Heirath theils die beliebte Klatschsucht, theils ein bischen Neid erwecken mag, die denn auch hier statthatten. Mich dünkt, ich habe Dir aber von Allem Nichts

von Briefen Göthe's an feinen Sohn ist bis jezt nur wenig bekannt geworden, wenn man auch allen Grund hat, anzunehmen, daß deren noch viele andere vorhanden find." Strehlke, Göthe's Briefe. I.

212. 213.

1 Sulpiz Boifferée II. 175.

2

2 Dünßer, Charlotte von Stein. II. 451. 452.

Die Flitterwochen des jungen Paars.

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geschrieben, als von dem friedlichen, von Blumen duftenden Zimmer, in dem ich das liebe Paar zuerst besucht habe. Ich habe Ottilie Pogwisch schon als Kind lieb gehabt; sie ist geistvoll und gut, singt ganz himmlisch, versteht Musik auch gründlich. Da ihre Mutter Hofdame ist, so war ihr Leben gestört, daß sie in einem Hause (bei der Großmutter Gräfin Henckel) schlief, bei der Mutter einen Theil des Tages war und bei der Egloffstein in der Kost war zu Mittag. Daß ihr aber das herumirrende Leben fatal war, sieht man daraus, daß sie sich im Himmel dünkt, daß sie auf festem Boden im eigenen Hause nun lebt. Und mit gutem Willen scheint sie sich der Wirthschaft anzunehmen; auch herrscht vollkommene Ordnung in ihren Stuben. Er, der junge Mann, ist ein Ordnungsgeist, welches dem Genie meinetwegen widersprechen mag, doch gewiß zum Lebensglück viel mehr beiträgt. Die Gräfin Henckel und die Herren Söhne hatten ein Kleines gegen die Geburt, die natürliche, welches man denn etwa begreift; indeß ist das Vorurtheil vorüber; denn die jungen Leute sind mit einander zufrieden und glücklich. Der Papa hat die Schwiegertochter sehr lieb; noch in Jena muß sie ihm jede Woche schreiben, und so er an sie. Er theilt ihr alle Schäße mit, die er con amore hegt oder hervorbringt. Da sie geistvoll ist, hat sie gerechte Freude daran, und schmiegt auch ihr Gemüth recht freundlich am Vater hinauf. Sie war schon als Kind in den. Singstunden in Göthe's Hause, die mehrere Jahre noch bei Lebzeiten der Frau statthatten. Als sie versprochen waren, sagte einmal der Alte zur Braut: „Höre, Ottilie, ich sage Dir eins. Mein Sohn will immer gern gelobt sein, da mußt Du Nichts widersprechen. Wenn Du Lust hast zum Zanken, so komm zu mir. Zante mit mir, ich kann's ertragen.""

Ein eigenes Haus hatte das junge Ehepaar nicht; es bewohnte die Dachstuben des väterlichen Hauses, dem Ottilie nunmehr als Hausfrau vorstand. Sie waren viel allein, da Göthe seiner Studien halber Wochen und Monate in Jena zubrachte. Wenn er indeß anwesend war, so entwickelte sich ein gemüthlicheres häusliches Leben als früher. Ulrike, die Schwester Ottiliens,

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Augusts sittlicher Niedergang.

wurde ebenfalls in die Familie aufgenommen1. Zu den Hausfreunden gehörte außer dem Hofrath Meyer, dem Philologen Riemer und dem Kanzler Müller auch die siebzehnjährige Gräfin Julie Egloffstein, mit deren Uebungen im Zeichnen und Malen der alte Herr sich viel zu schaffen machte. Die Gemüthlichkeit dauerte indeß keine zwei vollen Jahre.

„Um diese Zeit" (1819), erzählt Dünzer, war August immer düsterer und verwilderter geworden. Seine Stellung zu Weimar, wo man ihm zutraute, er wolle den Sohn seines Vaters spielen, als dessen Anhängsel er galt, brachte ihn zur Verzweiflung, und so gab er sich im Unmuth immer mehr einem ausschweifenden, sinnlichen Leben hin. Am Vater hing er mit inniger Liebe und treuem Gehorsam; jeden Morgen kam er, um seine Aufträge in Empfang zu nehmen, speiste Mittags mit ihm, wenn er nicht bei Hofe sein mußte, aber die Abende folgte er meist seiner Neigung."

Von Zeitgenossen liegt über den sittlichen und physischen Niedergang Augusts von Göthe bis jest ein einziger, etwas ausführ licherer Bericht vor, von dem Dichter, Schauspieler und Dramaturgen Karl von Holtei. Derselbe kam zum ersten Mal 1827

1 Dünger, Göthe. S. 603.

2 Burkhardt, Göthe's Unterhaltungen mit Kanzler v. Müller. S. 12 ff. „Ei, ei,“ sagte er von einer Zeichnung Julie's, „das schöne Kind muß doch auch wohl verliebte Augen schon in anmuthiger Nähe gesehen haben, weil sie dem Jüngling hier so glühende Liebesblicke einhauchen konnte." Vgl. S. 16. 18 ff. 25 ff. 31 ff. 46. 108.

3 Dünger, Göthe. S. 605.

4 Ueber die steife Förmlichkeit, die Göthe selbst in seinem Familienkreise innehielt, find vielerlei Anekdoten im Umlauf. So erzählt Levin Schücking in seinen Lebens-Erinnerungen, August habe jeden Morgen um 10 Uhr an des Vaters Thüre pochen müssen: „Lieber Vater, wie haben Sie diese Nacht geruht, und haben Sie etwas zu befehlen?" worauf die stereotype Antwort erfolgte: „Lieber August, wir haben eine leidliche Nachtruhe gehabt und finden in diesem Augenblicke nichts anzuordnen.“

5 Karl von Holtei, Vierzig Jahre. Breslau 1846. IV. 383; V. 70 ff.

Des alten Göthe Haustyrannei.

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nach Weimar und lernte August an der Kegelbahn der Harmoniegesellschaft kennen. August empfing ihn kalt und gemessen.

Ein eigentliches Gespräch war nicht anzuspinnen. Jeder Andeutung auf seinen Namen und auf Alles, was sich daran knüpfen könnte, wich er entschieden, fast unhöflich aus. Vielmehr stimmte er einen burschikosen Ton an, erzählte unanständige Berliner Wize, zwang mich gewissermaßen darin fortzusetzen und affichirte eine Roheit, die mir mißfiel und mich abstieß ... Durch seine Begegnung ward mir mein erster Tag in Weimar total verdorben.“

Erst im folgenden Jahr (1828) überwand Holtei diesen Widerwillen, wußte Augusts Vertrauen zu gewinnen und ward sein Freund und Correspondent. Von den Briefen des neuen Freundes bedauert er wegen ihrer fast unglaublichen Tollheit und cynischen Raserei" wenig oder nichts mittheilen zu können, bezeichnet indeß seinen Zustand nicht nur allgemein als den eines Unglücklichen, innerlich Zerrütteten, sondern geradezu als den eines Menschen, der „von finsteren Dämonen“ gequält wird :

„Aber mitten durch die lustigsten Briefe, durch die jubelndsten Gespräche zuckten fortdauernd Blize des Unmuths, des Verz zweifelns an sich selbst, des Lebensüberdrusses, die den traurigen Zustand des Unseligen beleuchteten."

Nach weiteren Andeutungen Holtei's begann der Jammer mit verletztem Ehrgefühl und unglücklicher Liebe:

Ihn drückte es nieder, Göthe's Sohn zu sein. Doch nicht nur im Vergleich mit dem Ruhme des Einzigen fühlte er, der Ruhmlose, sich gedrückt, auch die Liebe des Vaters, die zur Tyrannei wurde, hat ihn gebeugt. Ein Bürgermädchen, von ihm mit der Feuergluth des Jünglings geliebt, mußte ihm entsagen und er ihr, weil dies Bündniß dem Geheimrath, der seinem Sohne eine Stellung in der Gesellschaft hinterlassen und diese durch die Verbindung mit einem alten Geschlechte befestigen wollte, zu gering schien1. Als Minister, als Mann im Staate,

1 Später erzählte man in Weimar von einer frühern Verbindung Augusts mit einer Statistin, die durch einen Fußfall in

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