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Augusts völlige Verwilderung.

ja als Vater nach den herkömmlichen Begriffen von Leben und Welt hatte Göthe gewiß vollkommen Recht (!), handelte er gewiß aus voller, anerkannter Ueberzeugung. Nur verstand das arme geliebte Mädchen die Sache nicht von diesem richtigen (?) Standpunkt aufzufassen, und machte, so sagt man in Weimar, ihrem Leben ein Ende."

Ebenso tyrannisch bewies sich Göthe, als sein Sohn August im Frühling 1813 mit der Jungmannschaft Weimars, hochbe geistert für Freiheit und Vaterland, den Freiwilligen sich an schließen wollte. Da sezte er Alles in Bewegung, um den höheren Befehl zu erlangen", der den Kampflustigen zurückzwang. Das war, wie Holtei sagt, der „Hauptschlag", der August völlig verstörte.

„Als nun,“ erzählt er, nach glorreichen Thaten die Sieger, von ihrem Fürsten geführt, heimkehrten, als Eltern, Schwestern und Kinder sie jubelnd empfingen, da zog auch unser August ihnen entgegen und er mußte, wo er begrüßen wollte, Aeuße rungen des Hohnes, des Spottes hören . . . Und so bereitete sich denn in ihm nach allen Kämpfen und Krämpfen ein bohrender Groll, ein unmächtiger Troß gegen die Verhältnisse, gegen sein Geschick, ja gegen sein Glück vor, und um dieser - Contenance der Verzweiflung, daß ich es so nenne, eine Farbe zu geben warf er sich mit kindlicher Vorliebe auf die Vergötterung Napoleons! Hinter dieser bemühte er sich, die Schmach zu verbergen, die des Vaters verletzende Fürsorge ihm bereitet hatte."

Ohne religiösen und sittlichen Halt, suchte der unglückliche Sohn in seinem Liebesjammer, wie später in seiner unverschuldeten Schmach Trost bei der Weinflasche. Die Ehe mit Ottilie vermochte die ausschweifenden Gewohnheiten des Trinkers nur auf kurze Zeit etwas zu zügeln. Dann brach der alte Jammer wieder aus, ward mit Wein hinuntergespült, erwachte heftiger

Göthe's Loge des Vaters Einwilligung zu der ihr von seinem Sohne versprochenen Ehe zu erflehen gewagt". Dünger, Göthe. S. 601.

Neue Liebschaft des alten Göthe.

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und peinlicher und zerstörte Freude und Friede der kaum gegründeten Familie. Ottilie verliebte sich in einen jungen Engländer; August überließ sich seinen Ausschweifungen 1 und die häusliche Tragödie endigte damit, daß der beklagenswerthe Mann in der Blüthe der Jahre, noch zu Lebzeiten des Vaters, den Folgen seiner geistigen und physischen Zerrüttung erlag. Und der Vater?

Mit der fatalistischen Ruhe eines Mohammedaners ließ er den Dingen ihren Lauf. Wurde es zu arg, so zog er sich in die hintern Zimmer zurück und trieb Optik, Morphologie und Chemie.

„Daß der Mensch in's Unvermeidliche sich füge," so schrieb er in den Wanderjahren 2, „darauf dringen alle Religionen; jede sucht auf ihre Weise mit dieser Aufgabe fertig zu werden. Die christliche hilft durch Glaube, Hoffnung und Liebe gar anmuthig nach; daraus entsteht dann die Geduld, ein süßes Gefühl, welch eine schätzbare Gabe das Dasein bleibe, auch wenn ihm statt des gewünschten Genusses das widerwärtigste Leiden aufgebürdet wird.“

Dem Kanzler von Müller aber sagte er am 22. Mai 1822: „Es geht mir schlecht; denn ich bin weder verliebt, noch ist jemand in mich verliebt." 3

Der Jammer von Sohn und Schwiegertochter hielt den nunmehr 73jährigen Greis nicht ab, den Romanen seines Lebens noch einen beizufügen. Am 19. Juni langte er zur Kur in Marienbad an und verliebte sich hier in Ulrike, die Tochter einer Gräfin Klebelsberg, geborene Baronin Levezzow- ein fünfzehnjähriges Mädchen, dessen Großvater er dem Alter nach hätte sein. können. Es war keine bloße poetische Träumerei: die Gedichte, welche das neue Verhältniß hervorrief, athmen die Leidenschaft

1 Dünger, Göthe. S. 622.

2 Göthe's Werke [Hempel]. XVIII. 369.

3 Burkhardt, Göthe's Unterhaltungen mit Müller. S. 47. 4 Göthe-Zelter Briefwechsel. III. 270. 271. 280 ff. Friedr. Förster, Göthe's Leben und seine Werke (Göthe's Werke [Hem= pel]. I. Bd. S. CLXXI). Viehoff, Göthe's Leben. IV. 150 ff.

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der Jugend. Er war wirklich verliebt und weihte dem noch kaum den Kinderjahren entwachsenen Mädchen die entzückte Huldigung, den Götterdienst seines Herzens:

„Dem Frieden Gottes, welcher Euch hienieden
Mehr als Vernunft beseliget wir lesen's

Vergleich' ich wohl der Liebe heitern Frieden
In Gegenwart des allgeliebten Wesens;
Da ruht das Herz, und nichts vermag zu stören
Den tiefsten Sinn, den Sinn, ihr zu gehören.

In unsers Busens Reine wogt ein Streben,
Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträthselnd sich dem ewig Ungenannten;

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Wir heißen's fromm sein! Solcher sel'gen Höhe
Fühl' ich mich theilhaft, wenn ich vor ihr stehe." 1

Der Zartsinn und die Bildung Ulrikens hielt das neue Verhältniß in gebührlichen Schranken, aber der Zauber ihrer äußern Erscheinung, ihr Interesse für seine Poesie und seine Studien fesselten ihn so, daß er sich nach fünfwöchentlichem Aufenthalt nur mit Schmerz von Marienbad losriß:

„Ich dacht', ich habe keinen Schmerz,
Und doch war mir so bang um's Herz
Bis endlich Thrän' auf Thräne fließt,
Verhalt'nes Lebewohl ergießt." 2

Er hing noch den Tändeleien dieser verspäteten Liebe nach, als ihn im October die schönste Mahnung traf, welche ihm viel leicht während seines ganzen Lebens zu Theil geworden. Fast 50 Jahre waren verstrichen, daß er im Stile überschwänglicher Liebesbriefe einer ihm unbekannten jungen Dame die Qualen seines Liliromans schilderte und damit zugleich um ihre Freundschaft und Liebe warb. Jene Auguste von Stolberg, die Schwester seiner einstigen Freunde Leopold und Christian, verwittwete Gräfin

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1 Göthe's Werke [Hempel]. I. 189. 2 Ebds. I. 191.

3 Bei der Conversion Friedr. Leopolds zu Stolberg ließ sich Göthe keineswegs zu jenem fast unbegreiflichen fanatischen Ingrimm

Schöne Mahnung Auguste's von Stolberg.

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Bernstorff, wandte sich jezt als vereinsamte Greisin an ihn, den Greisen, und beschwor ihn in den rührendsten Worten, endlich am Rande des Grabes seiner eigenen unsterblichen Seele zu gedenken:

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„Würden Sie, wenn ich mich nicht nennte, die Züge der Vorzeit, die Stimme, die Ihnen sonst willkommen war, wieder erkennen? nun ja, ich bin's Auguste die Schwester der so geliebten, so heiß beweinten, so vermißten Brüder Stolberg. Könnten doch diese aus der Wohnung ihrer Seligkeit, von dort, wo sie den schauen, an den sie hier glaubten - könnten doch diese, mit mir vereint, Sie bitten: Lieber, lieber Göthe, suchen Sie den, der sich so gerne finden läßt, glauben Sie auch an den, an den wir unser Lebenlang glaubten.'. . . Ich las in diesen Tagen wieder einmal alle Ihre Briefe nach the Songs of other times die Harfe von Selma ertönte Sie waren der kleinen Stolberg sehr gut und ich Ihnen auch so herzlich gut

das kann nicht untergehen

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-

muß aber für die Ewigkeit bestehen.

diese unsere Freundschaft die Blüthe unserer Jugend, muß Früchte für die Ewigkeit tragen, dachte ich oft und so ergriff es mich beim letzten Ihrer Briefe, und so nahm ich die Feder. Sie bitten mich einmal in Ihren Briefen,,Sie zu retten';

hinreißen, mit welchem Frizz Jacobi gegen den ehemaligen Freund förmlich tobte (3öppriß, Aus Jacobi's Nachlaß. II. 223 ff.) Doch das war bloße Diplomatie. Bitter sarkastisch spottete er vor Boisserée über Stolbergs schönes Familienleben, seinen Charakter, seine kirchengeschichtlichen Studien (Sulpiz Boisserée I. 257); die wilden Ausbrüche eines H. Voß dämpfte er 1820 zu feiner, hofmännischer Ironie, sprach dem großen Convertiten das „sittliche, verständige, geniale Uebergewicht" ab, ließ ihn als schwache „Rebe“ sich um's Kreuz schlingen (Werfe. XXVII. 336—339) und gab endlich in der Kritik seines Plato dem hochverdienten, wahrheitsliebenden Forscher den unverdientesten Fußtritt in's Grab nach (Werke. XXIX. 485-490). Dreißig Jahre, nachdem Stolbergs Plato erschienen, sechs Jahre, nachdem Stolberg gestorben war, eine solche Recension gegen den alten Jugendfreund zu veröffentlichen, beweist eine viel tiefere Abneigung, als sie Jacobi in seinem verrufenen Briefe an den Tag legt. Denn seine Kritik beruht auf eitel Sophisterei.

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Göthe zwischen Tod und Leben, 1823.

- nun maße ich mir wahrlich nichts an, aber so ganz einfäl tigen Sinnes bitte ich Sie, retten Sie sich selbst. Nicht wahr, Ihre Bitte gibt mir dazu einiges Recht? und ich bitte Sie immer, hören Sie in meinen Worten die Stimme meiner Brüder, die Sie so herzlich liebten. Ich habe dann einen Wunsch, einen dringenden Wunsch ausgesprochen, den ich so oft wollte laut werden lassen: o ich bitte, ich flehe Sie lieber Göthe! abzulassen von Allem was die Welt Kleines, Eitles, Jrdisches und nicht Gutes hat, Ihren Blick und Ihr Herz zum Ewigen zu wenden. Ihnen ward viel gegeben, viel anvertraut, wie hat es mich oft geschmerzt, wenn ich in Ihren Schriften fand, wodurch Sie so leicht Andern Schaden zufügen — machen Sie O das gut, weil es noch Zeit ist - Bitten Sie um höhern Beistand und er wird Ihnen, so wahr Gott ist, werden." 1

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Die ernste Mahnung an die Ewigkeit erhielt im Januar 1823 eine nachdrückliche Verstärkung. Obwohl Göthe nur selten sein Haus, oft kaum die Stube verließ, befiel ihn eine schwere Krankheit, die alle seine Liebeständeleien, Dichterpläne und Naturstudien auf einmal abzuschneiden drohte. Es war eine Entzündung des Herzbeutels und der Pleura 2. Am 24. Februar schwankte er zwischen Leben und Tod. „Ich fühle," sagte er seiner Schwiegertochter Ottilie, „daß der Moment gekommen ist, wo in mir der Kampf zwischen Leben und Tod beginnt." Schon am Abend war indeß die Krisis glücklich überstanden, er scherzte wieder, schlug sich alle ernsteren Gedanken aus dem Sinn und dachte nur daran, das neugeschenkte Leben wacker zu genießen. Seine Genesung gab Anlaß zu glänzenden Ovationen. In Weimar wurde Tasso" aufgeführt und seine Büste mit einem Lorbeerkranz gekrönt. Am 17. April erwiederte er den Brief der Gräfin Bernstorff folgendermaßen 3:

1 Göthe's Briefe an die Gräfin Auguste zu Stolberg 2. Aufl. Leipzig 1881. S. 69 ff. 2 Göthe-Zelter Briefwechsel. III. 292 ff. 3 Göthe's Briefe an die Gräfin Auguste zu Stolberg. 2. Aufl. Leipzig 1881. S. 76–78.

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