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Antwort an Auguste von Stolberg.

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„Von der frühesten, im Herzen wohlgekannten, mit Augen nie gesehenen theuren Freundin endlich wieder einmal Schriftzüge des traulichsten Andenkens zu erhalten, war mir höchst erfreulichrührend; und doch zaudere ich unentschlossen, was zu erwiedern sein möchte. Lassen Sie mich im Allgemeinen bleiben, da von besondern Zuständen uns nichts bekannt ist.

Lange leben heißt gar Vieles überleben, geliebte, gehaßte, gleichgültige Menschen, Königreiche, Hauptstädte, ja Wälder und Bäume, die wir jugendlich gesäet und gepflanzt. Wir überleben uns selbst und erkennen durchaus noch dankbar, wenn uns auch nur einige Gaben des Leibes und Geistes übrig bleiben. Alles dieses Vorübergehende lassen wir uns gefallen; bleibt uns nur das Ewige jeden Augenblick gegenwärtig, so leiden wir nicht an der vergänglichen Zeit.

„Redlich habe ich es mein Lebtag mit mir und andern gemeint und bei allem irdischen Treiben immer aufs Höchste hingeblickt; Sie und die Ihrigen haben es auch gethan. Wirken wir also immerfort so lang es Tag für uns ist, für andere wird auch eine Sonne scheinen, sie werden sich an ihr hervorthun und uns indessen ein helleres Licht erleuchten.

„Und so bleiben wir wegen der Zukunft unbekümmert! In unseres Vaters Reiche sind viele Provinzen und, da er uns hier zu Lande ein so fröhliches Ansiedeln bereitete, so wird drüben gewiß auch für beyde gesorgt seyn; vielleicht gelingt alsdann was uns bis jeho abging, uns angesichtlich kennen zu lernen und uns desto gründlicher zu lieben. Gedenken Sie mein in beruhigter Treue.

„Vorstehendes war bald nach der Ankunft Ihres lieben Briefes geschrieben, allein ich wagte nicht, es wegzuschicken, denn mit einer ähnlichen Aeußerung hatte ich schon früher Ihren edlen, wackern Bruder wider Wissen und Willen verlegt. Nun aber da ich von einer tödtlichen Krankheit ins Leben wieder zurückkehre, soll das Blatt dennoch zu Ihnen, unmittelbar zu melden: daß der Allwaltende mir noch gönnt, das schöne Licht seiner Sonne zu schauen; möge der Tag Ihnen gleichfalls freundlich erscheinen und Sie

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Neue Liebeständelei in Marienbad.

meiner im Guten und Lieben gedenken, wie ich nicht aufhöre mich jener Zeiten zu erinnern wo das noch vereint wirkte, was nachher sich trennte.

„Möge sich in den Armen des alliebenden Vaters alles wieder zusammenfinden.

Weimar den 17. April 1823.

Wahrhaft anhänglich

Göthe."

Hiermit war die lezte mahnende Stimme abgethan, welche Göthe an eine würdigere Auffassung des Lebens erinnern sollte. Anfangs Juli war er schon in Marienbad, um seinen begonnenen Liebesroman weiter zu spinnen.

„Die Gesellschaft ist gut," schrieb er (11. Juli) an Knebel1, „man kann sagen glänzend; noch gestern ist der Herzog von Leuchtenberg angekommen. Schöne Frauen machen sich bemerken. zu Wagen, Pferd und Fuß: Wöchentlich werden Bälle gegeben und zu ernsterer Unterhaltung fehlt es nicht an gereisten Diplomaten und sonst erfahrenen Weltmenschen. Durch ein besonderes Glück wohnen in meinem Hause nur Frauenzimmer, die still und verträglich sind. Eine sogar ist passionirt für die Mineralogie; und da hat sie, indem Stadelmann schon Centner von Handstufen zusammengeklopft, die erfreulichste Auswahl.“

Es war Ulrike von Levezow, welche, nach getroffener Verabredung, mit Mutter und Schwester sich wieder in Marienbad eingefunden hatte. Nun war für das „Ewige", d. h. für das Ewig-weibliche" gesorgt. Wie in früheren Jahren bildete die Naturwissenschaft nur den Stickrahmen, auf dem das neue Liebesspiel aufgezogen wurde. Ein junges Mädchen war das „Höchste“, worauf der „Redlich-Meinende“ emporblickte, und Mädchengezwitscher die Weisheit, an der er sich gütlich that. Mit Mineralogie-Professoren wäre ihm die Mineralogie bald genug

verleidet.

1 Guhrauer, Göthe-Knebel Briefwechsel. II. 325. Zelter Briefwechsel. III. 317 ff.

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Sechs Wochen im Dienst eines hübschen Kindes.

„Du hattest längst mir's angethan;
Doch jetzt gewahr' ich neues Leben.

Ein süßer Mund blickt uns gar freundlich an,
Wenn er uns einen Kuß gegeben.“ 1

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Um das Glück des alten Herrn voll zu machen, fanden sich noch Frau Milder, eine berühmte Theatersängerin, und Madame Szymanowska, geborene Wotowska, eine „unglaubliche Pianospielerin", im Bade ein 2. Die erstere wußte vier kleine Liedchen so groß zu machen, daß sie Göthe Thränen erpreßte. Von der andern schreibt er an Zelter:

„Sie darf wohl neben unsern Hummel gesezt werden, nur daß sie eine liebenswürdige polnische Frau ist. Wenn Hummel aufhört, so steht gleichsam ein Gnom da, der mit Hülfe bedeutender Dämonen solche Wunder verrichtete, für die man kaum zu danken sich getraut; wenn sie aber aufhört und kommt und sieht einen an, so weiß man nicht, ob man sich nicht glücklich nennen. soll, daß sie aufgehört hat."

Ueber den Verlauf der damaligen Politik, wie über die Entwicklung der deutschen Kunst höchst verdrießlich und ärgerlich, athmete der alte Heide in dieser Damengesellschaft, unter Musik und Küssen wieder fröhlich auf. Um sich von allen politischen und ästhetischen Gesprächen und Vorlesungen zu befreien, gab er sich auf sechs Wochen einem sehr hübschen Kinde in Dienst" 3. Das sind seine eigenen Worte. Er war so verliebt in Ulrike, daß, wenn er nur von fern in der Brunnenallee ihre Stimme

Briefwechsel zwischen Durch Madame Szyma=

1 Göthe's Werke [Hempel]. II. 452. 2 Göthe-Zelter Briefwechsel. III. 329. Göthe und Staatsrath Schulz. S. 289. nowska ist die Göthe-Verehrung auch in polnische Kreise gedrungen. Adam Mickiewicz war ihr sehr befreundet, und A. E. Odyniec heirathete ihre Tochter Celina. C. A. E. Odyniec, Listy z podrózy. Warschau 1875-1878. 4 Bde. Bratranek, Zwei Polen in Weimar. Wien 1870. Ladislas Mickiewicz, Mélanges posthumes d'Adam Mickiewicz. Paris 1872.

3 Göthe-Zelter Briefwechsel. III. 331 ff.

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Trilogie der Leidenschaft.

hörte, er den Hut nahm und zu ihr lief. In Marienbad glaubte man allgemein, daß er sie heirathen werde, und das Gerücht drang bis zu Zelter nach Berlin, der also darüber schreibt:

„Zum Verständniß gewisser Gedichte aus den Jahren 1822 und 1823 ist zu wissen: wie eine leidenschaftliche Zuneigung des Dichters zu einem jungen weiblichen Wesen in Karlsbad, leidenschaftlich erwiedert, so wenig verheimlicht worden, daß man laut genug von einer ehelichen Verbindung des fünfundsiebzigjährigen Greises sprach. Ein gleich nach der Trennung entstandenes gluterfülltes Gedicht an den geliebten Gegenstand gibt die Gewalt eben gereifter Jünglingskraft zu erkennen. In vollen Strömen fließt eine überreiche gesunde (?) Leidenschaft ins Unendliche dahin, um sich des liebeschweren Gehalts zu entledigen. Es ist die in dem dritten Band seiner Werke unter der Rubrik Trilogie der Leidenschaft aufgenommene Elegie."1

Der Kanzler von Müller, dem Göthe über seine Verhältnisse zu den Leveßows die vertraulichsten Eröffnungen machte, theilt darüber nur folgende allerdings ausreichende Aeußerung Göthe's mit:

„Es ist eben ein Hang, der mir noch viel zu schaffen machen wird, aber ich werde darüber hinauskommen. Iffland könnte ein charmantes Stück daraus fertigen, ein alter Onkel, der seine junge Nichte allzuheftig liebt." 2

Der kurze Traum dieser thörichten und hoffnungslosen Greisenliebe rächte sich durch Wochen und Monate der peinlichsten Unzufriedenheit und Trostlosigkeit. Als er um die Mitte des

1 Ebds. III. 380. 381. Vgl. Eckermann, Gespräche. I. 64. 2 Burkhardt, Göthe's Unterhaltungen mit Müller. S. 64. 3 Briefe Göthe's an Ulrike sind bis jetzt keine bekannt, dagegen ein paar Briefe an ihre Mutter, aus denen sich aber Fräulein Ulrike den treulichsten Gruß herausnehmen möge". Zu Göthe's Geburtstag 1880. Abdr. aus den Grenzboten. Nr. 35. S. 349 ff. Weimarische Zeitung. Nr. 206. 2. Sept. 1880. S. Hirzel, zeichniß einer Göthe-Bibliothek. Leipzig 1874. (Handschriften von

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Ein jammervoller Herbst und Winter.

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September wieder in Weimar anlangte, gelang es ihm kaum, sich in sein ödes und langweiliges Dasein zu resigniren 1.

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,,Dieser sein Unmuth," erzählt Müller2, „sich nach dem heitern. Aufenthalte in Marienbad wieder hier eingeengt zu befinden, machte sich den ganzen Abend vielfach bemerkbar. Als ich ihn zu täglichen Spazierfahrten antrieb, sagte er: Mit wem soll ich fahren, ohne Langeweile zu empfinden? Die Staël hat einst ganz richtig zu mir gesagt: Il vous faut de la séduction. Ja ich bin wohl und heiter heimgekehrt, drei Monate lang habe ich mich glücklich gefühlt, von einem Interesse zum andern, von einem Magnet zum andern gezogen, fast wie ein Ball hin und her geschaukelt, aber nun - ruht der Ball wieder in der Ecke und ich muß mich den Winter durch in meiner Dachshöhle vergraben, und zusehen, wie ich mich durchflicke. Wie schmerzlich ist es doch, solch eines Mannes innere Zerrissenheit zu gewahren, zu sehen, wie das verlorene Gleichgewicht seiner Seele sich durch keine Wissenschaft, keine Kunst wieder herstellen läßt, ohne die gewaltigsten Kämpfe, und wie die reichsten Lebenserfahrungen, die hellste Würdigung der Weltverhältnisse ihn davor nicht schützen. fonnten."

Um sich zu zerstreuen, verfiel Göthe im October auf den Gedanken, in seinem Hause einen „ewigen Thee", d. h. einen stets geöffneten Salon zu organisiren:

Göthe-Briefen in Hirzels Sammlung. Brief vom Oct. 1825 und vom 2. Sept. 1829.) – Strehlke, Göthe's Briefe. I. 409. 410.

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1 „Er verlor seine Herrschaft, als er ein Greis ward, einem jungen, holden Wesen gegenüber und die wilde Gluth der Leiden= schaft, die er früher zum Dienst der Muse zwang, besiegte ihn und fesselte sein Wollen. Er ward ein Vulkan: Eis auf dem Gipfel, Flammen im Innern, und kaum noch hatte er die Kraft, die Flammen hinauszuschleudern und dem bedrängten Herzen Luft zu machen. Es soll damals eine trübe Zeit in seiner Nähe gewesen sein." Das Büchlein von Göthe. 2. Ausg. Weimar 1853. S. 26. 27.

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2 Burkhardt, Göthe's Unterhaltungen mit Müller. S. 58.

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