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Aeußerungen für und gegen das Christenthum.

Aber an die Wahrheit und Göttlichkeit der hehren Gottesbotschaft hat der unglückliche Greis nicht geglaubt und darum des Trostes entbehrt, den nur sie dem ringenden Menschengeist hienieden gewähren kann. Im selben Athemzuge, in welchem er die Echtheit der vier Evangelien anerkannte und sich bereit erklärte, der Person Christi als der göttlichen Offenbarung des höchsten Princips der Sittlichkeit „anbetende Ehrfurcht zu erweisen", sagt er auch:

"Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, die Sonne zu verehren, so sage ich abermals, durchaus! Denn sie ist gleichfalls eine Offenbarung des Höchsten, und zwar die mächtigste, die uns Erdenkindern wahrzunehmen vergönnt ist. Ich anbete in ihr das Licht und die zeugende Kraft Gottes, wodurch allein wir leben, weben und sind, und alle Pflanzen und Thiere mit uns. Fragt man mich aber, ob ich geneigt sei, mich vor cinem Daumenknochen des Apostels Petri oder Pauli zu bücken, so sage ich: Verschont mich und bleibt mir mit eueren Absurditäten vom Leibe."

Darauf folgen die härtesten und trivialsten Ausfälle auf die Dummheit, Bornirtheit, Herrschsucht und Geldsucht der katholischen Kirche, vorab ihrer Bischöfe und Prälaten:

„Es ist gar viel Dummes in den Sahungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muß sie eine bornirte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe reichdotirte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen. Sie hat ihnen auch die Bibel lange genug vorenthalten, so lange als irgend möglich. Was sollte auch ein armes christliches Gemeindeglied von der fürstlichen Pracht eines reichdotirten Bischofs denken, wenn es dagegen in den Evangelien die Armuth und Dürftigkeit Christi sieht, der mit seinen Jüngern in Demuth zu Fuße ging, während der fürstliche Bischof in einer von sechs Pferden gezogenen Carosse einherbraust !

„Wir wissen gar nicht, was wir Luthern und der Reformation im allgemeinen alles zu danken haben. Wir sind frei geworden von den Fesseln geistiger Bornirtheit, wir sind in Folge unserer fortwachsenden Cultur fähig geworden, zur Quelle

Oberflächliche Bierhaus-Theologie.

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zurückzukehren und das Christenthum in seiner Reinheit zu fassen. Wir haben wieder den Muth, mit festen Füßen auf Gottes Erde zu stehen und uns in unserer gottbegabten Menschennatur zu fühlen.“ 1

Den Protestantismus anerkannte er somit nur als ein Uebergangsstadium zum Naturalismus, d. h. zu einer von allen übernatürlichen Thatsachen und Einflüssen abgelösten Naturreligion, die vom Christenthum nichts mehr hat, als höchst willkürlich den Namen.

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„Was hat denn,“ sagt er 2, „der christlichen Religion den Sieg über alle andern verschafft, wodurch ist sie die Herrin der Welt geworden und verdient es zu sein, als weil sie die Wahrheiten der natürlichen Religion in sich aufgenommen? ... Alle Geistlichen, die nicht wahre Rationalisten sind, betrügen sich selbst oder Andere." „Zuversicht und Ergebung sind die echten Grundlagen jeder bessern Religion, und die Unterordnung unter einen höhern, die Ereignisse ordnenden Willen, den wir nicht begreifen, eben weil er höher als unsere Vernunft und unser Verstand ist. Der Islam und die reformirte Religion sind sich hierin am ähnlichsten." Einen Gegensatz zwischen geoffenbarter und natürlicher Religion wollte er gar nicht gelten lassen. Die Kirchengeschichte erklärte er für ein Product des Irrthums und der Gewalt". Die Lehre von der Gottheit Christi, decretirt durch das Concilium zu Nicäa," meinte er 5, sei dem Despotismus sehr förderlich, ja Bedürfniß gewesen."

3

Das weimarische Gesez über die Verhältnisse der katholischen Kirchen und Schulen vom 7. November 1823 gab, wie Müller erzählt, „Göthen Gelegenheit, grelle Ausfälle über die Mysterien der christlichen Religion zu machen, vorzüglich über die immaculata conceptio S. Mariae, da Mutter Anna schon imma

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Entdeckung, ein Hypfiftarier zu sein.

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culata concipirt haben soll."

um die Sonne,"

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„Die Bewegung der Erde sagte er in den letzten Tagen seines Lebens 1 — „was kann dem Augenschein nach absurder sein? Und doch ist es die größte, erhabenste, folgenreichste Entdeckung, die je der Mensch gemacht hat, in meinen Augen wichtiger als die ganze Bibel."

Nach einem solchen Gallimathias der oberflächlichsten Bierhaus-Theologie kann es nicht befremden, wenn der Mann, der sein ganzes Leben lang die christliche Ehe mißachtet hatte, schließlich dieselbe noch als „eine Culturerrungenschaft des Christenthums von unschätzbarem Werth" lobpreist, „obgleich die Ehe eigentlich unnatürlich sei“, und im selben Athemzug hinzuseßt:

„Sie wissen, wie ich das Christenthum achte, oder Sie wissen es vielleicht auch nicht; wer ist denn noch heut zu Tage ein Christ, wie Christus ihn haben wollte? Ich allein vielleicht, ob ihr mich gleich für einen Heiden haltet." 2

Nachdem er aber sein ganzes Leben lang mit allen Religionen ebenso gespielt, wie mit Versen, Pflanzen, Steinen und Farben, fand er endlich im 82sten Jahre, daß er im Grunde einer jener heidnischen Secten angehöre, welche nach dem Siege des Christenthums ihr einstiges Gößenthum mit Parsismus, jüdischen und christlichen Gebräuchen verschmolzen hatten.

„Des religiösen Gefühls,“ schrieb er an Sulpiz Boisserée 3, wird sich kein Mensch erwehren, dabei aber ist es ihm unmöglich, solches in sich allein zu verarbeiten, deßwegen sucht er oder macht sich Proselyten.

„Das letztere ist meine Art nicht, das erstere aber hab' ich treulich durchgeführt, und von Erschaffung der Welt an keine Confession gefunden, zu der ich mich völlig hätte bekennen mögen. Nun aber erfahre ich in meinen alten Tagen von einer Secte

1 Ebds. S. 151.

2 S. 138. Vgl. S. 143. „Mir bleibt Christus immer ein höchst bedeutendes, aber problematisches Wesen."

3 Sulpiz Boisserée II. 560.

Göthe's politische Grundfahlosigkeit.

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der Hypsistarier, welche, zwischen Heiden, Juden und Christen geklemmt, sich erklärten, das Beste, Vollkommenste, was zu ihrer Kenntniß käme, zu schäßen, zu bewundern, zu verehren, und in sofern es also mit der Gottheit in nahem Verhältnisse stehen müsse, anzubeten. Da ward mir auf einmal aus einem dunkeln. Zeitalter her ein frohes Licht, denn ich fühlte, daß ich Zeitlebens getrachtet hatte, mich zum Hypsistarier zu qualificiren."

Die Philosophie verachtete er im Alter ebenso wie in der Jugend.

„Von der Hegel'schen Philosophie mag ich gar nichts wissen, wiewohl Hegel selbst mir ziemlich zusagt. So viel Philosophie, als ich bis zu meinem seligen Ende brauche, habe ich noch allenfalls, eigentlich brauche ich gar keine." 1

Die politische Weisheit Göthe's stand nicht viel höher, als seine religiöse. Der Verehrung Napoleons blieb er treu; er mochte keine Caricatur auf ihn sehen. Ebenso wenig war die französische Revolution im Stande, ihn von seiner Verehrung Diderots und der Encyklopädisten zu heilen. Alles rührige Volksleben, alle kräftige Volksbewegung verachtete und haßte er:

3

"Die Menge, die Majorität ist nothwendig immer absurd und verkehrt: denn sie ist bequem und das Falsche ist stets viel bequemer, als die Wahrheit."2 - „Das Volk will zum Besten gehalten sein, und so hat man Unrecht, wenn man es nicht zum Besten hält.“ 3 — „Ach, die Menschen sind gar zu albern, niederträchtig und methodisch absurd; man muß so lange leben als ich, um sie gründlich verachten zu lernen.“ * - Die Constitutionen sind wie die Kuhpocken, sie führen über einmal grassirende Krankheiten leichter hinweg, wenn man sie zeitig einimpft.' Die Weltgeschichte erklärte er für ein bloßes Gewebe von Unsinn", aus ihr könne Niemand etwas lernen; denn sie enthält ja nur eine Masse von Thorheiten und Schlechtigkeiten."

1 Burkhardt a. a. D. S. 114.

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11 6

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"Ich bin

2 Ebds. S. 126.

3 Ebdf. S. 143.

4 Ebds. S. 48.

5 Ebds. S. 48.

6 Ebds. S. 92. 96.

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Literarische Stellung in Deutschland.

nicht so alt geworden, um mich um die Weltgeschichte zu bekümmern, die das Absurdeste ist, was es gibt; ob dieser oder jener stirbt, dieses oder jenes Volk untergeht, ist mir einerlei, ich wäre ein Thor, mich darum zu bekümmern.“ 1 Genau wie dreißig und vierzig Jahre früher glaubte er im politischen Leben die seichte Aufklärung der Encyklopädisten mit dem straffsten politischen Monarchismus verbinden zu können und verabscheute alle demokratischen Regungen ebenso, wie alle religiöse Autorität und allen positiven Glauben. Wie die zeitgenössischen Monarchisten, wollte er die Revolution für künftig unmöglich machen, aber eben durch die Ideen Voltaire's, aus denen sie hervorgegangen:

"Im Princip, das Bestehende zu erhalten, Revolutionärem vorzubeugen, stimme ich ganz mit ihnen überein, nur nicht in den Mitteln dazu. Sie nämlich rufen die Dummheit und die Finsterniß zu Hülfe, ich den Verstand und das Licht." 2

Ohne Religion, ohne Philosophie, ohne Theilnahme für Politik und Geschichte zog sich der egoistische Menschenverächter auf die Gebiete zurück, an welchen er zeitlebens noch am meisten Interesse gehabt hatte: Literatur, Kunst, Naturwissenschaft und Poesie.

In der deutschen Literatur konnte er eigentlich von seinen Renten leben. Nachdem die Zeit des Freiheitskampfes vorüber war, verstummte allgemach die patriotische Leier, die Begeisterung für die Romantik legte sich. Göthe wurde allgemein als Dichterfürst anerkannt und von Vielen fast angebetet. Anders war es dagegen im Ausland. Hier erhielt Göthe's Ruhm starke Concurrenz. In Walter Scott trat ein Romanschriftsteller auf, der ihn nicht nur im britischen Weltreich, sondern im ganzen civilifirten Europa verdunkelte. Die meisten seiner Romane über: trafen diejenigen Göthe's sowohl in der Kunst spannender Erzählung, treffender Charakteristik, kunstvoller Anlage, geistigem Gehalt, als auch in Bedeutung und Mannigfaltigkeit der poetischen Motive. Manzoni, weniger fruchtbar, aber aus dem reichen Born katholischer Poesie schöpfend, erregte mit seinem einen 2 Ebds. S. 56.

1 Ebds. S. 123. 124.

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