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Eckermanns Gespräche. Göthe's Literaturkritik.

ihm 1827 in einem herzlich-gemüthlichen Brief als einem Wohlthäter und Förderer der gesammten neueren Literatur1. Den Franzosen hatte Madame de Staël schon früher bekannt gemacht, daß Göthe der geistreichste aller Deutschen sei, und so galt er denn bei allen europäischen Culturvölkern als der erste lebende Dichter.

Eine nicht unbedeutende Ergänzung zu seiner Zeitschrift bilden „Eckermanns Gespräche", das reichste Magazin Göthe'scher Urtheile über Schriftsteller aller Zeiten und Völker, über seine eigene Entwicklung und jene der deutschen Literatur. Was diese Urtheile am meisten auszeichnet, das ist ihr nahezu unbegrenzter Optimismus. Während die meisten Kritiker, besonders je jünger sie sind, ihr Genie dadurch leuchten lassen zu müssen glauben, daß sie möglichst viel tadeln und nergeln, ist Göthe von dieser Sucht nahezu völlig frei. Er genießt die Literatur wie einen großen, herrlichen Frühlingsgarten, der, in wechselnder Flora, von Jahrhundert zu Jahrhundert weiterblüht. Er findet überall das Schöne, das Erfreuliche heraus. Er genießt es und weiß die Ursachen des Genusses in feinsinnigster, geistreichster Weise zu charakterisiren. Katholiken, Protestanten, Mohammedaner, Heiden, Alle sind ihm recht, wenn sie nur schön dichten und liebenswürdige Kunstwerke hervorbringen. Selbst an ausgesprochenen Gegnern anerkennt er meist freundlich das Gute. Eigentlich tief und umfassend ist aber sein Urtheil nicht. Er hat die WeltLiteratur immer nur bruchstückweise genossen, nie ernst, wissenschaftlich, einheitlich durchgearbeitet, wie etwa Friedrich von Schlegel und annähernd auch dessen Bruder. Dichter wie Dante, Milton, Lope de Vega hat er nur sehr unzureichend gewürdigt, Wolfram von Eschenbach und Hartmann von der Aue nie genauer studirt, ganze Literaturen wie die altskandinavische, die Jemand Mitleid mit seinem unerträglichen Schmerz, mit dem er fich, wiederkäuend, immer herumarbeitet." Kunst und Alterthum.

II. 2. 186. 187.

1 Eckermann, Gespräche. III. 119–122.

2 Da nach der Anschauung der Göthe-Verehrer ihr Heros Alles gekannt, gesagt und beherrscht haben muß, so konnte es nicht fehlen,

Bedenkliche Lücken seiner Weltliteratur.

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lateinische und deutsche des Mittelalters, die ältere italienische, spanische und englische, bis auf einige wenige Erscheinungen der selben, so gut wie gar nicht gekannt, von den eigenen Zeitgenossen gerade die tüchtigsten, wie die beiden Schlegel, Görres, Arnim, Brentano, Eichendorff, consequent todtgeschwiegen und dafür einen Béranger und einen Mérimée über alles Verdienst belobt. Der anscheinend Vielseitige und Allseitige wußte durch berechnetes Schweigen, durch Vertheilung von Lob und Tadel so einseitig wie möglich zu sein. Neben den treffendsten und bedeutsamsten literaturgeschichtlichen Bemerkungen stehen übrigens in seinen. „Gesprächen“ auch die leichtfüßigsten, schalsten und flachsten Dinge von der Welt. Alles, Alles ordnet sich darin schließlich um Göthe den Einzigen, als den größten aller Dichter, als das Orakel der gesammten Literatur, als eine Art von

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daß er auch ein Germanist gewesen sein sollte. Dieses versuchte denn darzuthun: Hermann Grosse, Göthe und das deutsche Alterthum. Inaugural - Dissertation zur Erlangung der Doctor= würde (!) 2c. Dramburg 1875. Es wollte aber nicht recht gelingen. Die Minnedichtung des Mittelalters nannte Göthe „Singfang“; bei Hartmanns Armem Heinrich konnte er „den Ekel gegen einen ausfähigen Herrn, für den sich das wackerste Mädchen aufopfert“, nicht los werden, und zwischen Hagens Heldenbuch und ihn hatte sich eine Alles verwandelnde Zeit dazwischengelegt". Selbst mit Bezug auf das Nibelungenlied meint Grosse (S. 26): „Was ihn zu dieser Beschäftigung hinzog, war wohl mehr das Interesse, welches er als größter Mann der Literatur allen bedeutenden literarischen Erscheinungen zuwenden mußte, als rechte persönliche Neigung." Wilhelm Grimm schreibt am 20. Nov. 1815 an seinen Bruder Jakob : „Göthe habe ich weder den Armen Heinrich gegeben, noch von deņ Märchen etwas Näheres gesagt. Da er sich wohl bewußt sein mag, wie leicht er an etwas Theil nimmt, so hat er eine eigene wunderliche Scheu, man kann sagen Aengstlichkeit, daß ihm ja nichts zu nahe rückt, und er weicht gewiß aus oder seht sich eiskalt hin, wenn man von etwas mit Lebhaftigkeit und Eifer spricht, das er noch nicht kennt.“ Göthe Jahrbuch. I. 340. Vgl. W. Stork, Camoens. III. 407.

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Naturwissenschaftliche Bemühungen.

Universalmenschen und höherem Wesen, das hoch über allen Völkern, Zeiten, Literaturen und Religionen thront. Jedem Papierchen und Verschen von ihm ist eine Ehrfurcht erwiesen, wie sie ein Dante und Görres nicht finden. Und dieser Gott, zu dem die Könige und Fürsten wallfahrten und der das ganze Geistesleben der Welt beherrscht, hält seinem Eckermann mit 78 Jahren noch lange Gespräche“ darüber, wie er einst als junger Mensch zu seinen Geliebten geschlichen sei, und sie, von magnetischelektrischen Strömungen geleitet, immer richtig getroffen habe:

„Ich habe in meinen Jünglingsjahren Fälle genug erlebt, wo auf einsamen Spaziergängen ein mächtiges Verlangen nach einem geliebten Mädchen mich überfiel und ich so lange an sie dachte, bis sie mir wirklich entgegenkam." 1

Die Zeitschrift „Kunst und Alterthum" erschöpfte indeß weder die Mappen des alten Herrn, noch seine beständige Lectüre, noch auch die Thätigkeit seines forschenden Geistes, der seit 1775 sich zwar nie ausschließlich und mit systematischer Concentration, aber mit unermüdlicher spielender Beobachtungslust den verschiedensten Zweigen der Naturwissenschaften zuwandte. Seine Absicht, auf einem dieser Gebiete Epoche zu machen, war bis dahin mißglückt. Weder seine Abhandlung über den Zwischenkieferknochen, noch diejenige über die Metamorphose der Pflanzen hatte Aufsehen erregt; seine Farbentheorie wurde von den Sachverständigen geradezu abgewiesen. Er hatte aber den Muth nicht verloren, sondern immer weiter beobachtet, gesammelt und nachgedacht. In den ernsten Gefahren des Jahres 1806 war ihm nichts so nahe gegangen, als die Besorgniß, daß durch seinen Tod oder andere Unglücksfälle noch so viele Papiere hätten vernichtet werden oder ungedruckt bleiben können. Unter dem Einfluß dieser Besorgniß beschleunigte er den Druck der Farbenlehre" und wollte ihr dann so bald als möglich seine Ideen über orga nische Bildung folgen“ lassen. Andere Beschäftigungen dräng

1 Eckermann, Gespräche. III. 137 ff.

2 Göthe-Zelter Briefwechsel. I. 245.

„Die alten Garden der Naturbeherrschung."

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ten sich inzwischen vor, und es verflossen zehn Jahre, bis er endlich (29. Mai 1817) dem musikalischen Freund vermelden konnte:

„Vor Johanni, denke ich, soll ein Heft von zwölf Bogen ausgehen, wo ich in mehreren Kolonnen meine alten Garden der Naturbeherrschung werde aufmarschiren lassen. Die darin enthaltenen Kriegs- und Friedenserklärungen werden unausgeseßt verfolgt werden. Ich habe nicht viel Zeit mehr, aufrichtig zu seyn, wir wollen sie benüßen: der Anblick ist nur gar zu närrisch, wenn man von unserm Standpunkte aus deutlich schaut, was für unglaubliche Vorzüge und Vortheile das Jahrhundert hat, was für treffliche Individuen darin wirken, und wie doch alles durcheinander geht, eine Wirkung die andere aufhebt, so daß mir alle Menschen, die ich einzeln spreche, vernünftig, und wie ich sie in Bezug betrachte verrückt erscheinen. Das geht so weit, daß ich mir manchmal selbst zweischürig vorkomme und mich erst wieder von solchem Zweifel erhole, wenn ich mit Menschen spreche, die theoretisch und praktisch in ihrem Fach zu Hause sind.“ 1

Als der naturwissenschaftliche Napoleon indeß seine Garden musterte, wollten sie sich weder zu einer gewaltigen Phalanx, noch auch nur zu einer etwas ansehnlichen Front reihen.

„Meinen längern Aufenthalt in Jena," schrieb er an Rochlizz 2, „benuße, da ich gerade nicht Lust zu frischem Thun empfinde, zum Wiederabdruck älterer, auf Natur sich beziehender Schriften, zu Sichtung und Redaktion aufgehäufter Manuscripte. Bei dieser Gelegenheit erscheint beinahe zum Entsehen, wie wir von den disparatesten Gegenständen afficirt, aufgeregt, hingerissen werden können. Hiedurch nun werde ich genöthigt, mancherlei Stückwerk mit Lebensereignissen in Verbindung zu bringen, damit das Ganze nicht allzu verworren aussehe."

Die Quintessenz des neuen Heftes war weiter nichts als ein Abdruck der schon früher gedruckten Metamorphose, mit einem

1 Ebds. II. 403.

2. Jahn, Göthe's Briefe an Leipziger Freunde. Leipzig 1867. 2. Aufl. S. 394.

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Biographisches zu früheren Schriften.

Vorwort und einem Nachwort; das Vorwort mit den bezeichnenden Titeln: Das Unternehmen wird entschuldigt. Die Absicht eingeleitet. Der Inhalt befürwortet." Das Nachwort aber ist überschrieben: Geschichte meines botanischen Studiums."1 Es ist ein unendlich geschwäßiges, selbstgefälliges Anhangskapitel zu Dichtung und Wahrheit". Bei jedem Andern würde man eine solche Botanik sehr unwissenschaftlich finden. Wenn an seiner „Metamorphose“ wirklich etwas war, so konnte er dieselbe getrost dem Urtheil der Fachmänner überlassen, er brauchte sie nicht zu einem Kapitel von Lebensbeschreibung aufzustußen, seinen Entwicklungsgang von Neuem zu erzählen, und zwar mit Uebergehung des Allerwichtigsten, nämlich des närrischen Studententreibens und Bergwerkschwindels, aus dem seine ganze Naturforschung hervorgegangen war.

Drei Jahre vergingen, bis ein zweites Heft erschien, dem dann bald, noch 1820, ein drittes folgte. Es war schon fast wie ein „gänzlicher Ausverkauf". Der 71jährige Greis hatte nicht viel Neues mitzutheilen. Zwei günstige Recensionen“ und Andere Freundlichkeiten" waren zu verzeichnen, und nach so vielen früheren Rückblicken konnte auch noch einmal ein „Rückblic" gehalten werden 2. Es folgten Notizen über „Nacharbeiten und Sammlungen“, ein kleiner Aufsatz über „Verstäubung, Verdunstung, Vertropfung", und dann kam die Osteologie an die Reihe, der schon 1795 geschriebene „Erste Entwurf einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie", die 1784 von den Fachmännern zurückgewiesene Abhandlung über den „Zwischenfieferknochen" und einige Vorträge, die 1796 zu den ersten drei Kapiteln der osteologischen Einleitung geschrieben waren. Von wiederholten Aufenthalten in Karlsbad bot die Mappe noch allerlei mineralogische und geologische Miscellen*.

Die folgenden drei Hefte, 1822, 1823 und 1824 gedruckt,

1 Göthe's Werke [Hempel]. XXXIII. 5 ff. 14 ff. 55 ff.
3 Ebds. S. 189 ff. 221 ff. 257 ff.

2 Ebdf. S. 95 ff.

4 Ebdf. S. 378 ff.

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