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Artige Beseitigung des positiven Christenthums.

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Christus lehrte und übte, so lange er auf der Erde umherging. Deßwegen ist hier das Aeußere abgeschlossen.“

Der Tempel des Heiden- und Judenthums steht das ganze Jahr und Allen offen; der Tempel der Weisen, d. h. die Lehre und Beispiele Christi während seines Lebens, ist zwar verschlossen, wird aber den Besonneneren mitunter gezeigt; der dritte Tempel endlich eine Passionskirche, welche die Lehren und Beispiele des leidenden Erlösers darstellt, fann nur denen mitgetheilt werden, die wir entlassen". Sonst wird dieses eminent christliche Heiligthum strengstens unter Schloß und Riegel gehalten:

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„Jene lezte Religion, die aus der Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist, entspringt, jene Verehrung des Widerwärtigen, Verhaßten, Fliehenswerthen, geben wir einem Jeden nur ausstattungsweise in die Welt mit, damit er wisse, wo er dergleichen zu finden hat, wenn ein solches Bedürfniß sich in ihm regen sollte (!). ·

„Aber wir ziehen einen Schleier über diese Leiden, eben weil wir sie so hoch verehren (!!). Wir halten es für eine verdammungswürdige Frechheit, jenes Martyrgerüft und den daran leidenden Heiligen dem Anblick der Sonne auszusehen, die ihr Antlitz verbarg, als eine ruchlose Welt ihr dies Schauspiel aufdrang, mit diesen tiefen Geheimnissen, in welchen die göttliche Tiefe des Leidens verborgen liegt, zu spielen, zu tändeln, zu ver zieren und nicht eher zu ruhen, bis das Würdigste gemein und abgeschmackt erscheint." 1

Wir haben hier den Abriß eines neuen Religionssystems, welches, unter dem Scheine größerer Ehrfurcht, das eigentliche Wesen des Christenthums, den Gekreuzigten und seine Lehre vom Kreuze, aus seiner tausendjährigen allgemeinen Weltstellung in die Katakomben zurückdrängt, aus seinen Parabeln und allegorisch gedeuteten Wundern eine philosophische Sittenlehre braut, als allgemeine Weltreligion ein Gemisch von Heidenthum und Judenthum zurückführt, während der Einzelne im Grunde vor nichts

1 Ebds. S. 173.

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Socialpolitische Utopien.

Ehrfurcht zu haben braucht, als vor sich selbst 1. Wie das Christenthum in heldenmüthiger Verachtung seiner selbst um Gottes willen gipfelt, so legt diese neue Religion Gott, Welt und Menschheit dem eigenen kleinen Selbst zu Füßen. Es ist unschwer, in dieser „Ehrfurcht vor sich selbst" die praktische Religion der modernen sogen. „Gebildeten“, die humanitäre Doctrin der Loge wiederzuerkennen 2.

An die Schrullen der vier Ehrfurchten hängt Göthe eine Art politisch-socialen Programms, das nicht weniger schrullenhaft utopisch ist. Er proclamirt den ewigen Frieden. Justiz und stehende Heere fallen weg: nichts Gewaltsames stört mehr die vor lauter Ehrfurcht lammfromm gewordene Menschheit. Nur eine Sittenpolizei besteht noch, um das ganze Gemeinwesen im Sinne der drei Aeltesten zu leiten 3. Branntweinschenken sind verboten, damit es keine Räusche und Händel mehr gibt; Leihbibliotheken sind verboten, damit die classischen Werke besser abgehen, Cotta die 40 000 Exemplare der Gesammtausgabe los

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1 Es freut mich, hier nur mit einer kleinen Abänderung den Satz unterschreiben zu können, mit welchem Julian Schmidt seinen Aufsatz Göthe's Stellung zum Christenthum" (Göthe-Jahrbuch. II. 49 -64) schließt: „Denen es aber Ernst ist mit ihrer fitt= lichen Bildung, und denen die Kraft nicht fehlt, dürfen und sollen, das ist Göthe's Meinung, auch das Heilige, das die geoffenbarte Religion ihnen überliefert, durch die Motive sich verständlicher machen, die Kunst und Alterthum, Wissenschaft und Poesie ihnen an die Hand geben." Das ist sehr schön gesagt; das war immer die leitende Idee des katholischen Humanismus; das hat die katholische Bildung immer angestrebt, aber Göthe leider nicht!

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2 Sulpiz Boifferée war schwach genug, sich diese jämmerliche Mißhandlung des Christenthums gefallen zu lassen: „Besonders hat uns die nähere Ausführung jenes Gedankens angesprochen, dem gemäß nur die ruhigen, friedlichen Vorstellungen aus den heiligen Schriften öffentlich, die Leidensgeschichte aber in geheimen Räumen abgebildet werden sollte." Sulpiz Boisserée II. 315.

3 Göthe's Werke [Hempel]. XVIII. 369 ff.

Industriell-spießbürgerliches Philisterthum.

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werden und Göthe die gewünschten 120 000 Thaler einstreichen kann 1. Für Liebe“ ist dagegen reichlich gesorgt: es wird von selbst zur allgemeinen Lebensaufgabe, einander zu lieben" und Liebesgeschichten zu erzählen 2. Eine himmlische Welt! Um Uebervölkerung vorzubeugen, wandern die Unternehmenden aus, aber nicht auf Gerathewohl, sondern nach wohlerwogenem kosmopolitischem Plane; die Friedlichen aber bleiben zu Hause und betrachten ihren Grundbesitz nicht als Domäne, um sich zu bereichern, sondern als Mittel, sich und Anderen das Leben möglichst genußreich zu machen3. Um gesund und genußfähig zu bleiben, müssen Alle arbeiten und sich auf ein solides Geschäft verlegen Ackerbau, Gartencultur, Industrie, Handwerk 4. Selbst die liederliche Philine bekehrt sich, wird eine Nähterin und trägt beständig eine Scheere bei sich, um Kinderröckchen zuzuschneiden. Damit das Leben aber darob nicht zu philisterhaft wird, treibt Jedermann zugleich schöne Künste, Musik, Malerei, Zeichnen, Baukunst, Poesie. Sulpiz Boisserée bedauerte nur, „daß hier die Maler gegen die Baukünstler und Bildhauer gar kurz abgekommen" 6. Das ist aber ganz natürlich bei der heidnischantiken Grundrichtung des kosmopolitischen Ordens. Sehr auffallend dagegen ist, daß Göthe das Theater, dem er als Dichter und Intendant die besten Jahre seines Lebens gewidmet hatte, nunmehr vollständig preisgibt und verurtheilt. „Man glaubt,“ sagt Gottschall", „den,Hund des Aubry' dabei bellen zu hören."

„Die sämmtlichen Künste," läßt Göthe einen der ‚Aufseher' sagen, „kommen mir vor, wie Geschwister, deren die meisten zu guter Wirthschaft geneigt wären, eines aber, leicht gesinnt, Hab' und Gut der ganzen Familie sich zuzueignen und zu ver

2 Ebds.

1 Ebds. S. 372. 3 Ebds. S. 350 ff. 4 Ebdf. S. 375 ff. Vgl. dazu die aus Berichten von H. Meyer geschöpfte Schilderung der schweiz. Baumwollenindustrie. S. 310 ff. 5 Ebds. S. 401. 6 Sulpiz Boisserée II. 315.

7 Gottschall, Die deutsche Nationalliteratur. I. 91.
8 Göthe's Werke [Hempel]. XVIII. 259. 260.

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Schnöde Absage an die dramatische Kunst.

zehren Lust hätte. Das Theater ist in diesem Falle; es hat einen zweideutigen Ursprung, den es nie ganz, weder als Kunst noch Handwerk, noch als Liebhaberei, verleugnen kann.

„Da es unser höchster und heiligster Grundsatz ist, keine Anlage, kein Talent zu mißleiten, so dürfen wir uns nicht verbergen, daß unter so großer Anzahl sich eine mimische Naturgabe auch wohl entschieden hervorthue; diese zeigt sich aber in unwiderstehlicher Lust des Nachäffens fremder Charaktere, Gestalten, Bewegungen, Sprache. Dies fördern wir zwar nicht, beob achten aber den Zögling genau, und bleibt er seiner Natur durchaus getreu, so haben wir uns mit großen Theatern aller Nationen in Verbindung gesetzt, und senden einen bewährt Fähigen sogleich dorthin, damit er, wie die Ente auf dem Teiche, so auf den Brettern seinem künftigen Lebens-Gewackel und -Geschnatter eiligst entgegengeleitet werde.“

So hat Göthe seine eigene Jugend- und Blüthezeit, seine langjährigen dramaturgischen Bemühungen im Verein mit Schiller, die Weimarer Hofbühne und die Glanzperiode Weimars selbst zu gutem Schluß auf den Entenpfuhl geseht. Es war Alles Gewackel und Geschnatter!

Welch einen Gegensatz bietet Calderon, der, nachdem er Jugendund Mannesjahre der weltlichen Bühne gewidmet, mit fünfzig Jahren in den Dienst des Altars tritt und allen Reichthum der Poesie zum Kranze um das hochheilige Sacrament windet, die Bühne zum Vorhof der Kirche, die Dichtung zum erhabensten Gottesdienst gestaltet, und das Lob Gottes auf den Lippen, die Lust freudigen Schaffens nicht verliert bis zum letzten Augenblick!

Wie kläglich nimmt sich neben dem priesterlichen Dramatiker der verabschiedete Theaterintendant von Weimar aus, der in einem solchen Flickroman sein eigenes Schauspielerleben dem Gespött preisgibt und mit süßsaurem Gesicht dann beifügt:

„Mag doch der Redakteur dieser Bogen hier selbst gestehen, daß er mit einigem Unwillen diese wunderliche Stelle durchgehen läßt. Hat er nicht auch in vielfachem Sinn mehr Leben und Kräfte als billig dem Theater zugewendet? und könnte man ihn

Höchst prosaisches Ende.

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wohl überzeugen, daß dies ein unverzeihlicher Irrthum, eine fruchtlose Bemühung gewesen?"

Es war die naturgemäße Folge seines ganzen Treibens. Der alte Herr hatte nicht mehr die physische Kraft, revolutionär zu sein, er hatte auch nicht die moralische Kraft, sich der gottgewollten Ordnung zu unterwerfen und in ihr den verjüngenden Muth der christlichen Hoffnung zu finden. So sitt er denn da in seinem liberalen juste-milieu und verquickt längst gedruckte Liebesgeschichtchen mit moralisirenden Utopien.

„Er gibt," wie Gottschall richtig sagt1, „nur Tabellen und Formulare, da seine poetische Schöpfungskraft zu sehr eingetrocknet war, um sie mit Fleisch und Blut zu bekleiden. Die Figuren darin sind so blaß, daß man Mühe hat, ihr Bild zu erkennen; die Verwicklungen bieten gar kein Interesse. Der rüben- und kohlbauende, kartoffelfeindliche Onkel, die rhabdomantisch-siderische Makarie mit ihrer kosmischen Schwärmerei mögen allen denjenigen imponiren, welche den Geist unserer großen Dichter bis auf den lezten Tropfen auszupressen suchen und sich dabei nicht vor der Selbsttäuschung hüten, die Suppe mit dem Gewürz zu perwechseln, das sie selbst hinzugethan, um sie schmackhaft zu machen."

1 A. a. O.

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