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Göthe's Reconvalescenz 1830.

„Noch ist das Individuum beisammen und bey Sinnen. Glück auf! Mit der leidigen Krankheitsgeschichte verschon' ich Dich. Hör! was mein trefflicher Arzt von der löblichen Genesung sagt:

,,,Man kann behaupten, daß jezt alle Funktionen in Ordnung sind. Der Schlaf ist gut, der Appetit nicht unbedeutend, Verdauung regelmäßig. Die Kräfte sind bey weitem nicht so geringe, als man bey solchen Vorgängen befürchten mußte. Die vortreffliche Constitution des verehrten Kranken läßt eine baldige völlige Wiederherstellung mit gutem Grunde hoffen.

Weimar, den 29. November 1830.

Dr. Vogel."" Vor Freude über diese Nachricht ließ sich Zelter einen Kalbskopf braten, und „da des täglichen Erkundens bey mir viel ist," meldet er, so können gestern und heut ein Schock und mehrKalbsköpfe hier in Berlin seyn verspeist worden" 1. Dazu be richtet der 72jährige Freund dem Reconvalescenten, der noch eben am Rande des Grabes stand, von den verwünschten Theaterballetten und dem kleinen Opernzeug", seiner ersten Sängerin, ,,dem angenehmsten Mädchen, mit schönster Stimme, unverwüstlicher Lust, Folgsamkeit und Keckheit", und von zwei Wiener Tänzerinnen, ausgezeichnet durch Wohlgestalt, Leichtigkeit und Anmuth in den wunderlichsten Sprüngen und Stellungen“ u. s. w. u. s. w.3, im lüsternsten und leichtfertigsten Stile. An solchen Nachrichten tröstete sich der greise Dichter über den Verlust seines einzigen Sohnes. Denn Zelter war sein intimster Vertrauter und wußte, womit er aufzuheitern war. Ein späterer Brief Göthe's vom 8. Juli 1831 bezeugt, daß Zelter das Richtige getroffen und daß das wollüstige Bild einer Danae noch jezt den alten Götterverehrer in das höchste Entzücken versetzte *.

Obwohl von Krankheit nicht ganz verschont, hatte Göthe doch eine ungemein starke, gesunde Körperconstitution.

1 Ebds. S. 76. 77 ff.

2 Göthe's Werke [Hempel]. III. 225 ff.

3 Göthe-Zelter Briefwechsel. VI. 81. Vgl. S. 371. 400. 401. ✦ Ebds. S. 231–233.

Aerztliche Notizen über Göthe.

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"Kein System," erklärt Hufeland, der lange mit ihm zusam menlebte, zehn Jahre (1783 bis 1793) sein Arzt und Hausfreund war, „keine Function hatte das Uebergewicht; alle wirkten gleichsam zusammen zur Erhaltung eines schönen Gleichgewichts. Aber Productivität war der Grundcharakter sowohl im Geistigen als Physischen, und im letztern zeigte sie sich durch eine reiche Nutrition, äußerst schnelle und reichliche Sanguification, Reproduction, kritische Selbsthilfe bei Krankheiten, und eine Fülle von Blutleben. Daher auch noch im hohen Alter die Blutkrisen und das Bedürfniß des Aderlasses." 1

Genauere Aufzeichnungen hat Dr. Vogel zusammengestellt, welcher die letzten sechs Jahre sein Hausarzt war und ihm in seinen lezten Tagen Beistand leistete.

„Göthe war groß und von starkem, regelmäßigem Knochenbau; nur die untern Gliedmaßen hätten, um eines schönen Verhältnisses zum Rumpfe willen, ein Geringes länger sein dürfen . . Noch in den letzten Jahren hielt er sich mit etwas vorragendem Unterleibe und rückwärts gezogenen Schultern sehr gerade, ja etwas steif, und schob dieß auf die von ihm Behufs besserer Ausdehnung der Brust frühzeitig angenommene und auch Andern zu gleichem Zwecke häufig empfohlene Gewohnheit, die Hände möglichst viel hinter dem Rücken vereinigt zu tragen. Seine Brust war breit und hochgewölbt, der Athem meistens ruhig und kräftig, dann und wann mit Seufzern untermischt; der Puls weich, mäßig voll, im Verhältniß zum Alter immer frequent, etwa wie bei einem Manne von vierzig Jahren . . . . Das greise Haupt war mit seideweichem, grauem, täglich sorgfältig gekräuseltem Haar dicht besetzt. Der Hals fiel durch bedeutende Torosität auf. Den ganzen Körper bedeckte reichliches Fleisch. Gesicht, Geruch, Geschmack und Gefühl blieben bis zum Tode

1 Dr. Vogel, Die letzte Krankheit Göthe's. Nebst einer Nachschrift von C. W. Hufeland. (Aus Hufelands und Ofanns Journal der prakt. Heilkunde besonders abgedruckt.) Berlin, Reimer, 1833. S. 39. 40.

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Göthe's Umständlichkeit, Productivität, Regime.

sehr fein und scharf; das Gehör sagte dagegen immer mehr ab, und besonders bei trübem, naßkaltem Wetter mußte man oft sehr laut sprechen, wenn man von Göthe gehörig verstanden sein wollte.“ 1

"

Von Jugend auf zu Vedächtigkeit und Umständlichkeit geneigt, wurde er im Alter immer unentschlossener; war indeß einmal ein Entschluß gefaßt, so war er in der Ausführung beharrlich und, wenn nöthig, selbst kühn, wobei er, als Geschäftsmann, die päpstliche Commissorialformel: ,non obstantibus quibuscunque', gern im Munde führte und vorkommenden Falles dar nach zu verfahren liebte". Häuften sich die Geschäfte, besonders solche, die raschen Entscheid verlangten, so wurde er leicht grämlich. Gedächtniß und Arbeitskraft nahmen ab, und er mußte sich öfters zu den Geschäften zwingen; nur der Sommer 1831 machte hierin eine Ausnahme.

"

Rühmte Göthe seine Productivität, so machte mich das stets besorgt, weil die vermehrte Productivität seines Geistes gewöhnlich mit einer krankhaften Affection seiner productiven Organe endigte. Dies war so sehr in der Ordnung, daß mich schon im Anfange meiner Bekanntschaft mit Göthe dessen Sohn darauf aufmerksam machte, wie, so weit seine Erinnerung reiche, sein Vater nach längerem geistigen Produciren noch jedesmal eine bedeutende Krankheit davongetragen habe." 2

Seine Phantasie blieb bis zum letzten Augenblick empfäng lich und wirksam. Das Schöne war sein Element. Allem Häßlichen und Düstern ging er aus dem Weg. Unerfreuliche Nachrichten (wie besonders Todesnachrichten) suchte er auf's Sorgfältigste und Vorsichtigste von sich abzuhalten. Bis zum Tode genoß er eines nur selten gestörten Schlafes. Wurde derselbe etwa unterbrochen, so vertrieb er sich die Zeit mit Dichten und Träumen. „In früheren Jahren trank Göthe viel Wein und geistige Getränke." ."3 Aus Gesundheitsbedenken schränkte er sich im Alter

1 Ebds. S. 22. 23. 24.
3 Ebds. S. 27.

2 Ebds. S. 25.

Appetit. Flucht alles Schmerzlichen.

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jedoch etwas ein. Punsch und Champagner versagte er sich gänzlich; doch genoß er zum Frühstück sein Gläschen Madeira und Mittags eine Flasche leichten Würzburger Tischwein und zum Nachtisch ein Gläschen Tinto di Rota. Kaffee mit Milch nahm. er nur zum Frühstück, Bier und andere Getränke mied er in den letten fünf Jahren. Weniger ängstlich war er im Essen.

"In der That aß Göthe sehr viel, und selbst dann, wenn er sich über Mangel an Appetit ernstlich beklagte, häufig doch noch weit mehr, als andere, jüngere, gesunde Personen. Er liebte vorzugsweise Fische, Fleisch, Mehlspeisen, Kuchen und Süßigkeiten. Diätfehler begangen zu haben, räumte er niemals ein, wie häufig er sich derselben auch schuldig machte. Seine Unenthaltsamkeit im Essen bewirkte natürlich nicht gar selten Indigestionen. Dem häufig überfüllten Unterleibe kam man täglich durch Pillen aus Asa foetida, Rhabarber und Jalappenseife — — — zu Hilfe u. s. w. Merkwürdig war, — neben der Richtigkeit seines unter gesunden und krankhaften Verhältnissen sehr feinen Instinkts in wie ungemein kleinen Gaben alle Mittel auf Göthe's Organisation ihre gehörige Wirkung ausübten.“ 1

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„Krankheit hielt Göthe für das größte irdische Uebel. Kranke durften auf sein thätiges Mitleiden vorzugsweise mit Sicherheit rechnen. Vor dem Tode hatte er eigentlich keine Furcht, wohl aber vor einem qualvollen Sterben. Das Leben liebte er; - und schmückte es sich nicht für ihn mit allen seinen Reizen?

„Schmerzen waren ihm unter allen körperlichen Leiden am peinlichsten, nächst ihnen afficirten ihn am mächtigsten entstellende Uebel. Im Preisen der Schmerzlosigkeit eiferte er mit Epikur, und häufig rühmte er als ein gewiß von vielen beneidetes Glück, daß er niemals an Zahn- oder Kopfweh gelitten habe. Seine Zähne hatten sich bis in das höchste Alter in gutem Zustand erhalten.“ 2

1 Ebds. S. 28. 30.

2 Vgl. Dünger. Göthe's Leben. S. 566. „Das Alter war nicht spurlos an ihm vorübergegangen." Daß er sich nur mit Mühe aufrecht hielt, bezeugt Grillparzer (Werke. X. 172).

324 Göthe's vertrautester Kreis. Ottilie. Eckermann.

Wie Schiller die Ausdünstung faulender Aepfel liebte, so hing Göthe an geschlossener Zimmerluft. Es war schwierig, ihn zum Lüften zu bewegen. Gegen üble Gerüche war er nicht empfindlich, wohl aber gegen die geringste Unordnung oder Veränderung in seinem Zimmer. Bücher, Papier, Alles mußte immer in bestimmter regelmäßiger Ordnung liegen. Licht und Wärme waren ihm unentbehrlich. Der Winter war ihm gräßlich; erst im Frühjahr lebte er recht wieder auf. Zeitweilig schädigte er selbst seine Gesundheit ein wenig, indem er auf eigene Faust medicinirte und namentlich fortfuhr, Heilmittel, die einmal gut gethan, lange einzunehmen. Dr. Vogel brachte ihn jedoch davon ab, und so erfreute er sich die lehte Zeit seines Lebens ziemlichen Wohlseins.

An der sorgfältigsten Pflege fehlte es dem Greise nie. Seine Schwiegertochter Ottilie ehrte, liebte und pflegte ihn mit der freundlichsten Hingabe. Seine Enkelchen Walther und Wolfgang durften schon beim Frühstück um ihn spielen. Das brachte ihn in jugendfröhliche Stimmung. Sein Liebling war „Wölfchen“. Dann zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück. So bescheiden und schlicht dieses war, fühlte er sich da wohlig und heimisch. Der Herausgabe von Göthe's. sämmtlichen Werken widmete sich von 1825 bis 1831 mit nur kurzer Unterbrechung Karl Wilhelm Göttling, Professor der classischen Philologie in Jena!. Alz Amanuensis hatte Göthe im Juni 1823 Johann Peter Eckermann in's Haus aufgenommen, einen Autodidakten -, geboren 1792 zu Winsen an der Lühe, zwischen Hamburg und Lüneburg der erst als Schreiber gedient, dann als Freiwilliger die Freiheitskriege mitgemacht und sich dann auf philologische Studien, Poesie und Schriftstellerei verlegt hatte. Neben diesem unbedingt ergebenen und zuverlässigen Hausgeist fand Göthe bei Ordnung seiner Papiere und bei literarischen Arbeiten auch noch immer treue Hilfe an dem Dr. Riemer, der Gymnasialprofessor

1 Briefwechsel zwischen Göthe und K. Göttling in den Jahren 1824 bis 1831. Herausgegeben und mit einem Vorwort begleitet von Kuno Fischer. München 1880.

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