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Riemer. Kanzler von Müller. Preßbureau.

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und von 1828 an Oberbibliothekar zu Weimar war. Als dritter vertrauter Hausfreund fand sich fast täglich der Kanzler Friedrich von Müller ein, dem sein Staatsdienst noch immer literarische Muße übrig ließ und der Göthe auf's Innigste verehrte. Diese drei Freunde unterstützten den greisen Dichter nicht nur in seiner schriftstellerischen Thätigkeit, sie führten auch - jeder in seiner Weise -Buch über seine Unterredungen und hielten. ihn über die näheren und ferneren Tagesneuigkeiten, Politik und Literatur, Amtsgeschäfte und allgemeine Fragen auf dem Laufenden. Dabei wurden sie von der ansehnlichen Correspondenz unterstüßt, die Göthe bis zum Tode aufrecht erhielt. Bis in seine letzten Tage versorgte ihn der Musiker Zelter mit Berliner Nachrichten, Graf Reinhard mit Berichten aus Paris. Zu dem kleinen Hofstaat von Hausfreunden und Correspondenten aber gesellten sich noch Schreiber und Copisten, welche theils für den Briefwechsel, theils für die literarischen Arbeiten in Anspruch genom men wurden. Es war ein vollständiges kleines Literatur- und Preßbureau, das mit und für Göthe arbeitete. So wurde es ihm möglich, nicht nur seine Papiere bis fast auf die letzten Reste noch drucken zu lassen, sondern auch bis in die letzten Tage hinein das ganze bunte Neß von Fäden weiterzuführen, das er sich dilettantisch über alle Zweige der Naturwissenschaft, der Kunst und Literatur gesponnen hatte. Die Notizen darüber füllen ganze Bände.

Neben der Herausgabe der „Gesammelten Werke in 40 Bänden", die 1825 unternommen wurde, läuft noch bis 1828 die Zeitschrift Kunst und Alterthum" (Heft XIV-XVII), die Fortsetzung der Annalen“, die Neubearbeitung der „Wanderjahre" sowohl als der „Helena“. Je nach Stimmung wechselte er an diesen Hauptarbeiten ab oder beschäftigte sich auch mit anderen, kleineren Stoffen.

Die „Helena“, der dritte Act des zweiten „Faust“, wurde im December 1826 vollendet. Faust und Helena, die Repräsentanten der classischen und romantischen Poesie, vermählten sich darin, und ihrer Ehe entsproßte Euphorion als Genius der neueren Poesie, der sich indeß, mit Anspielung auf Lord Byron, den Hals

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Literarische Thätigkeit der letzten Jahre.

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bricht. In demselben Jahre zweigte sich die Erzählung vom Kinde und Löwen" als selbständige Novelle" von den „Wanderjahren“ ab. Im Jahre 1827 wurde der vierte Act des zweiten "Faust" in Angriff genommen, erhielt aber noch keinen Schluß; dann versuchte der Dichter einen ersten und zweiten Act zu gewinnen, der zwischen dem vollendeten ersten Theil und der „Helena“ vermittelte. Ehe dieß jedoch gelang, machte es die Herausgabe der „Gesammelten Werke“ nöthig, erst die „Wanderjahre“ umzuarbeiten. Damit verfloß der Sommer 1828 und die Arbeit zog sich noch bis in den Februar 1829 hinüber.

Bereits von 1824 an redigirte Göthe, später mit Hilfe Niemers, seine Correspondenz mit Schiller, die ihm selbst schon historisch vorkam. Sie erschien in den Jahren 1828 und 1829, mit einer Widmung an König Ludwig von Bayern. An der Hand seiner früheren Reisenotizen und Briefe führte er, ebenfalls in den Jahren 1828 und 1829, seinen „Zweiten römischen Aufenthalt" aus. Daneben arbeitete er bruchstückweise immer am "Faust" weiter; allein die „classische Walpurgisnacht“ blieb wie eine unübersteigliche Höhe vor ihm liegen.

Durch die Julirevolution 1830 ließ er sich nicht stören; er versagte sich alles Zeitunglesen, um nur seinen „Faust“ voranzubringen. Doch fesselten ihn jetzt der Streit zwischen Cuvier und Geoffroy-St.-Hilaire über die Principien der Anatomie — und andere kleine Arbeiten. Seine Schwiegertochter Ottilie fing 1830 eine dem Tiefurter Journal ähnliche Zeitschrift an, „Chaos“ betitelt, die nur unter der Haute-Volée von Weimar circuliren sollte und an der sich auch Franzosen und Engländer in ihrer Sprache betheiligten. Die 40 Bände der „Werke“ wurden vollendet, aber der „Faust" wiederum in das folgende Jahr zurückgedrängt. Endlich, endlich 1831 fast 60 Jahre nach den ersten Plänen und Ideen, ward die merkwürdige Dichtung zum Abschluß gebracht, und zwar nun zunächst die ersten beiden Acte (4. Januar 1831), dann der vierte und der noch fehlende Anfang des fünften. Um nicht zu weiteren Aenderungen versucht zu werden, siegelte Göthe Ende Juli die Handschrift ein. Sie sollte

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Abschiedsbesuch auf dem Gickelhahn.

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erst nach seinem Tode gedruckt werden. Doch widerstand er der Versuchung nicht, im Januar 1832 noch einige Aenderungen zu machen und die Dichtung wenigstens seiner Schwiegertochter Ottilie vorzulesen. Dann ward sie wieder versiegelt zurückgelegt.

Damit war das Tagewerk des Dichters abgeschlossen. Im Laufe des Sommers 1831 gönnte er sich einige Rast, verweilte ein paar Tage in Ilmenau und besuchte noch einmal den Gickelhahn, an dessen Bretterhütte er einst in den Tagen der Genieperiode mit Bleistift die Worte gekrihelt hatte:

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Eine tiefe Rührung bemächtigte sich seiner, während er diesen Ruf seiner Jugend las und dabei all der dahingeschiedenen Freunde, besonders des Herzogs Karl August, gedachte. Unter Thränen wiederholte er den Schluß 2.

Auf seinen Geburtstag erhielt er dieses Jahr ein Geschenk, das sprechend seinen Weltruf ausdrückte: ein goldenes Petschaft, von englischen Verehrern gesandt, von den ersten englischen Goldschmieden ausgeführt 3. Unter den 19 Unterschriften des Begleit

1 Göthe's Werke [Hempel]. I. 63. Vgl. die Version der Frau von Stein. Schöll (Fielik), Göthe's Briefe an Frau von Stein. I. 276.

2 Nach dem Bericht des Berginspectors Mahr. S. Schäfer, Göthe's Leben. II. 358 ff. An Zelter (VI. 280. 281) berichtet Göthe nichts von seiner Rührung: „Nach so vielen Jahren war denn zu übersehen: das Dauernde, das Verschwundene. Das Gelungene trat vor und erheiterte, das Mißlungene war vergessen und verschmerzt. Die Menschen lebten alle nach wie vor 2c.“

3 Göthe-Zelter Briefwechsel. VI. 255 ff.

328 Englische Huldigung. Zersplitterte Studien.

schreibens befanden sich die Namen der angesehensten englischen Dichter und Schriftsteller: Thomas Carlyle, W. Fraser, Dr. Magie, Professor Wilson, Sir Walter Scott, Lockhart, Lord Francis Gower, Southey, Wordsworth und Procter.

Im Herbst puppte sich Göthe wieder auf seinem Studierzimmer ein. Nachdem schon 1831 eine neue Ausgabe seiner „Metamorphose der Pflanzen“ und zugleich eine französische Uebersetzung dieses Werkchens von Soret erschienen war, beschäftigte er sich von Neuem angelegentlich mit Botanik. Besonders interessirte ihn die zuerst von Martius nachgewiesene Spiraltendenz der Pflanzen. Mit höchstem Interesse verfolgte er die Discussionen der berühmtesten französischen Zoologen über osteologische und anatomische Systematik. Im Winter wandte er sich abermals der Farbenlehre zu und entwickelte seinem Freunde Boisserée die Theorie des Regenbogens 3. Der Architekt Zahn, der die Ausgrabungen in Pompeji geleitet und eines der aufgefundenen Häuser casa di Goethe genannt hatte, unterbrach diese naturwissenschaftlichen Studien mit höchst interessanten kunstgeschichtlichen Briefen, Berichten und Sendungen. Dazu wurden, wie ehedem, Bücher des verschiedensten Inhalts gelesen. „Ohne Rast, doch ohne Hast" - hatten ihm die englischen Freunde auf das Siegel geschrieben. Und so war es. Sein reges Auge hörte nicht auf, nach allen Seiten auszublicken, bis der Tod es schloß freilich mehr auf die Dinge dieser Erde, als in das Jenseits, das nun so nahe vor ihm lag.

Auch die religiöse Frage lehnte er in dieser letzten Lebenszeit nicht ganz ab und sprach vom Christenthum sogar mit einer

1 J. W. de Goethe, Essai sur la métamorphose des plantes. Traduit par Frédéric Soret etc. Stuttgart, Cotta, 1831.- Göthe's Werke [Hempel]. XXXIII. 165–185. — Soret, Notice sur Goethe. - H. Uhde, Göthe's Briefe an Soret.

Bibl. Univers. 1832. L. 131.

Stuttgart 1877.

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2 Göthe's Werke [Hempel]. XXXIV. 146–174. mann, Gespräche. II. 239; III. 234. 235. 243.

3 Sulpiz Boifferée II. 587-591.

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Haß des Kreuzes bis zum Ende.

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gewissen Freundlichkeit. Darunter verstand er aber nicht die positive göttliche Religion Jesu Christi. Den Haß gegen das Kreuz bewahrte er vielmehr bis an's Ende.

„Das leidige Martyrholz," schrieb er noch am 9. Juni 1831 an Zelter, „das Widerwärtigste unter der Sonne, sollte kein ver nünftiger Mensch auszugraben und aufzupflanzen bemüht sein. Das war ein Geschäft für eine bigotte Kaiserin Mutter (die Hl. Helena), wir sollten uns schämen, ihre Schleppe zu tragen. Verzeih! aber wenn Du gegenwärtig wärst, müßtest Du noch mehr erdulden. Mit 82 Jahren nimmt man es wirklich ernster in sich und für sich selbst, indem man die liebe leidige Welt in ihrem vieltausendjährigen Narrenleben in Gottesnamen fortwandeln läßt. Es ist schrecklich, wie sich das ein über das andere Mal wieder in seinen Irrthümern brüstet!" 1

Das letzte Gespräch, das Eckermann aufgezeichnet hat, ist eine Art von religiösem Testament. Göthe spricht dabei mit großer Ehrfurcht von dem Evangelium, aber nur als von dem schönsten und reinsten Ausdruck der Naturreligion, eines freissinnigen Deismus, der eine pantheistische Deutung nicht ausschließt. Alles Uebernatürliche, alle positive Offenbarung lehnt er ab, die Kirche und ihre hierarchische Organisation mit großer Härte. Er betrachtet sie wie ehedem als ein bloßes Werk menschlicher Herrschsucht und heuchlerischen Betruges. Die kirchliche Revolution des 16. Jahrhunderts lobt er als die Befreiung aus den Fesseln jenes trügerischen Zwanges, das „leidige protestantische Sectenwesen" dagegen verwirft er als einen Hemmschuh und Störenfried der wahren Religion. Diese verlegte er hauptsächlich in die Moral, mit höchster Gleichgiltigkeit für Dogma und Cultus:

„Denn sobald man die reine Lehre und Liebe Christi, wie

1 Göthe-Zelter Briefwechsel. VI. 197. Vgl. dazu die Ausfälle auf Friedrich von Schlegel ebdf. S. 319. Die ernsten Forschungen, welche diesen zur Conversion führten, nennt er ein „Wiederkäuen sittlicher und religiöser Absurditäten".

2 Vom 11. März 1832. Eckermann, Gespräche. III. 253 ff.

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