ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

340

Der Göthe-Cultus und die Loge.

reinen Grundcharakter für edlere Gesittung und Ausbildung seiner Glieder, für echte Humanität und Civilisation, und dadurch für die Ruhe und Sicherheit der Staaten haben kann und soll.

„Heilig für immer werden in dem Gedächtnisse wie in den Archiven der Maurer die goldenen Worte bleiben, die er bei Wieland's, bei Nidel's, Jagemann's, Müller's und anderer Brüder Todtenfeier ihnen zugesprochen, dreifach heilig jene seelenvolle (!) Erwiederung ihres Grußes bei seiner maurerischen Jubelfeier (25. Juni 1830):

[ocr errors]

,So! Die Menschheit fort zu ehren, Lasset, freudig überein,

Als wenn wir beisammen wären,

Kräftig uns zusammen sein.""

Das sind nicht die schönsten Verse, die Göthe gedichtet hat; aber das Zusammensein“, das sie aussprechen, hat zu seinem Weltruhm mehr beigetragen, als „Iphigenie“ und „Tasso“. Durch die Loge hat sich die dem Dichter zukommende Anerkennung in eine Art von religiösem Cult verwandelt. Sie hat den Alten von Weimar zum Jdealmenschen erhoben.

Siebentes Buch.

Sauft.

1771-1831.

„So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus,
Und wandelt, mit bedächt'ger Schnelle,
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle!"
Vorspiel auf dem Theater.

„Göthe's,Faust' ist bis jezt der Höhepunkt deut-
scher Poesie. Erst im Weltalter des Geistes konnte
der Faust gedichtet werden, bis jezt seine genialste
Schöpfung."
Moriz Carrière.

1. Die Faustsage.

"In ihrer leßten Umwandlung, mit den andern Richtungen der Zeit ganz und gar in die spekulativen Gebiete übergehend, und mit der Skepsis auch den Wiz, die Ironie und den Humor in sich aufnehmend, hat die Zaubersage wohl im Beginne noch einige Versuche gemacht, sich auf irgend einem hochragenden Haupte niederzulassen; diese aber bald aufgebend, zulegt bei einem gemeinen Abenteurer verweilt und ihn zu ihrem Günstlinge erlesen."

Joseph von Görres.

„Die literarische Entwickelung der Faustsage be= ginnt mit den Volksbüchern, gestaltet sich zur dramatischen Volksdichtung und erhebt sich zuletzt auf die Höhe unserer nationalen Poesie."

[ocr errors]

Kuno Fischer.

Seinen Enkeln hinterließ Göthe außer der Erbschaft eines weltberühmten Namens sein gastlich gemüthliches Haus, sein poetisches Gartenhaus, höchst merkwürdige Sammlungen von Zeichnungen, Kunstgegenständen, Münzen und Mineralien und ein nicht unbeträchtliches Vermögen, dem deutschen Volke die vollendete Ausgabe seiner Gesammelten Werke und in einem versiegelten Paket die großartigste und gefeiertste Dichtung, die seit Dante's Göttlicher Komödie und seit Shakespeare's Dramen die Runde um die Welt machen sollte seinen „Faust".

In zahllosen Ausgaben ist sie heute durch ganz Deutschland verbreitet, das berühmteste und verehrteste deutsche Gedicht neuerer Zeit, von Vielen einer Offenbarung, einem heiligen Buche gleichgeachtet, von Anderen wie ein frivoles Kezerbuch verabscheut, von zahlreichen Commentatoren verarbeitet, verhimmelt und mißhandelt, von gebildetem und ungebildetem Pöbel angestaunt, von den bedeutendsten Denkern viel erforscht, von allen Freunden der Literatur und Poesie den größten Meisterwerken beigezählt. Mehr als dreißig englische Uebersetzungen haben sie über den Canal,

344

[ocr errors]

Göthe's erste Bekanntschaft mit Faust.

den Atlantischen und Stillen Ocean in alle Regionen des britischen Weltreiches hinausgetragen. Franzosen haben sich dafür begeistert, italienische Dichter sie nachgeahmt, Spanier sie mit dem Magico prodigioso verglichen, katholische und schismatische Slaven sich zu neuen Dichtungen daran inspirirt. Sie gehört der ganzen civilisirten Welt an und ist in diesem Sinne Weltdichtung geworden. Nächst Götz von Berlichingen" war "Faust" die glücklichste Stoffwahl, die Göthe je getroffen hat oder vielleicht besser gesagt, der reichste, glücklichste Stoff, den sein Geist in früher Jugend liebgewann, um ihn dichtend sein ganzes Leben lang über 60 Jahre mit sich zu tragen. Denn die Bekanntschaft ward schon im Knabenalter gemacht. Mitten in der Blüthenperiode der seichtesten deutschen Aufklärerei, während Voltaire und seine Freunde eben die Encyklopädie unternahmen, um Literatur, Wissenschaft und Leben auf ewig von allem Uebernatürlichen, Wunder und Weissagung, Kirche und Offenbarung, allen Vorstellungen und Ueberlieferungen des katholischen Mittelalters zu befreien: gerade in dieser Zeit lernte der Frankfurter Knabe die deutschen Volksbücher kennen, den Eulenspiegel und die vier Haimonskinder, den Kaiser Octavian und die schöne Melusine, den Fortunat und die schöne Magelone, den ewigen Juden und „die ganze Sippschaft“. Für ein paar Kreuzer waren die löschpapierenen Hefte zu haben, in welchen diese Reste des poetischen Mittelalters noch im Volke circulirten; aber der Knabe war poetisch genug, den Geist zu fühlen, der darin wehte: den Geist echter deutscher Volkspoesie 1. Der Faust gehörte mit zu dieser Sippschaft, er war ihr letter Ausläufer, schon aus der Zeit, wo der gewaltige Dom des mittelalterlichen Europa zu wanken be gann, Irrglaube, Unglaube und Aberglaube mit verwegener Hand an seinen Pfeilern rüttelten. Die gottesfreudige Harmonie zwischen Glauben und Wissen, Religion und Leben, dichterischer Phantasie und Wirklichkeit, wie sie den meisten älteren Volksbüchern zu Grunde liegt, ist hier schon getrübt. Der kindlich

1 Göthe's Werke [Hempel]. XX. 30. 264 ff.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »