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Nationale Heiterfeit.

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Dieser Patriotismus trug weder Patrontasche noch Seitengewehr er konnte unter Napoleons Oberherrlichkeit ebenso gut bestehen, wie früher unter dem Patronat Friedrichs II. Jm Schlafrock war ihm am wohlsten, und Göthe hat dieses behag liche Kleidungsstück wohl nicht umsonst seinen „Prophetenmantel" genannt.

Kranke, besonders todkranke Freunde zu besuchen, scheint nicht seine Sitte gewesen zu sein. Gegen die todten Größen des alten Weimar wurden die Pflichten officieller Verehrung mit Würde erfüllt. Im Uebrigen schloß sich Göthe an die Lebenden und Fröhlichen an, nicht an die Todten und Leidenden 1. Von der früheren Generation war noch Knebel da, welcher zwar auch schon ein wenig das Alter fühlte, aber doch noch munter und lustig war. Sie schrieben einander in sehr jovialem, gemüthlichem, oft fast jugendlichem Ton. Von Trauer über Deutschlands tiefe Erniedrigung ist da kaum etwas zu spüren 2. „Man kann anjezt das Lachen nicht genug vervielfältigen“, schreibt Knebel am 12. Januar 1807 3.

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1 Trok seiner Scheu vor Begräbnissen," bemerkt Dünger (Göthe 543), „war Göthe bei der Bestattung des an den Folgen seiner bei der Plünderung erlittenen Mißhandlung gestorbenen Lands= mannes Kraus", des Directors der Zeichenschule.

2 Wie Knebel über Preußen und Franzosen dachte, zeigt ein Brief vom 30. December 1805: „Gestern hatten wir zusammen ein großes Convivium bei Frommanns, wo auch einige Preußische Offiziers zugegen waren. Die rohe Beschränktheit dieser Menschen leuchtet bei solchen Gelegenheiten am meisten hervor. Sie können sich von nichts Begriffe machen, was nicht in ihrem engen Kreise liegt, und finden da allein alles schön und höchst verständig. Selbst ihr Patriotismus ist nur Roheit und daher ge= wissermaßen beleidigend. Wir hielten uns sehr still und gut, und sie schienen nicht zu ahnden, was die andern dachten. Nur ich ver= theidigte und lobte einigermaßen die französische Bildung." Guhrauer I. 270.

3 Guhrauer I. 290.

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Göthe's Virtuosität in Liebhaberrollen.

So dachte Göthe auch. Ein Brief Johanna Schopenhauers 1 an ihren Sohn schildert sehr anschaulich, wie gut er sich von Deutschlands Noth und Bedrängniß zu erholen wußte. Junge Schauspieler ließ er Abends kommen, um sie für ihre Kunst zu bilden". Und dafür holte er kein Stück des Shakespeare oder Schiller hervor, auch nicht Tasso oder Iphigenie, sondern das mißrathenste und unsittlichste seiner Jugenddramen: „Die Mitschuldigen", und übernahm selbst die Rolle des Gastwirths. Zwischendurch meisterte er die jungen Leute, weil sie ihre Liebesrollen „zu kalt" declamirten..

„Seid ihr denn gar nicht verliebt?" rief er komisch erzürnt, und doch war's ihm halber Ernst, seid ihr denn gar nicht verliebt? Verdammtes junges Volk! Ich bin 60 Jahr alt und ich kann's besser." 2

„Wir blieben bis halb 12 zusammen," erzählt Johanna, „ich saß bei ihm und die Bardua (eine junge Schauspielerin) auf der andern Seite, wir beide sind seine Lieblinge." — Ein andermal, als gerade die „interessantesten Herren" und Frau von Göthe bei Johanna beisammen waren, sagte er: „Weil wir eben so ganz unter uns sind" - und damit fing er aus einem Briefe die

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1 Brief Johanna Schopenhauers vom 12. Februar 1807, mit= getheilt von Löper. Göthe-Jahrbuch. IV. 327.

2 Vgl. den Aufruf der am 21. Juni 1885 zu Weimar gestifteten Göthe-Gesellschaft, worin es heißt: „Mit dem neuen deutschen Reich ist die Zeit einer großen nationalen und politischen Denkart gekommen, für welche jene Vorurtheile und Befangenheiten nicht mehr sind, die in vergangenen Jahrzehnten die richtige Erkenntniß und Würdigung Göthe's bei Vielen gehemmt haben. Ein großes nationales Reich weiß den größten seiner Dichter in seinem vollen Werthe zu schäßen. Die Begründung und Erhaltung der politischen Größe unseres Volkes geht Hand in Hand mit der Pflege und Förderung seiner idealen Güter.“ — Für die höchsten idealen Güter des deutschen Volkes, christlichen Glauben und christliche Sitte, hat Göthe kein Herz gehabt; politisch war er so gleichgiltig als möglich.

„Die große nationale_Denkart.“

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Geschichte einer Mamsell, die in die Wochen gekommen war, zu lesen an. Darüber kam die Bardua. Gerechter Himmel, da kommt die Bardua,' rief er aus,,nun darf ich nicht weiter lesen. Es thut nichts,' sagte ich, die Bardua muß so lange draußen bleiben.“ Das war Wasser auf seine Mühle. Der Bardua kündigte er gleich gravitätisch an, sie müsse draußen bleiben, den Bertuch, den Sohn, der gewaltig lang ist, stellte er an die zugemachte Thüre, welche die Bardua von draußen gewaltig berannte. „Halten, halten Sie Ihren Posten wohl, Bertuch, denken Sie, Sie sind in Breslau, es soll Ihr Schaden nicht sein, ich will schon so lesen, daß Sie dort so gut hören sollen, als hier.' Die Bardua machte einen erbärmlichen Spektakel, er ließ sich nicht stören und verwies sie nur von Zeit zu Zeit mit ein paar Worten zur Ruhe und Geduld, zuletzt spielte sie aus Leibeskräften auf dem Klavier. Eine Kriegslist, sagte er, hilft nichts, wir lesen lauter und so erhob er die Stimme oder ließ sie sinken, nachdem sie akkompagnirte, wie in einem Melodram, bis ans Ende, wo sie dann feierlich hereingeholt ward . . ."

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Es wurde viel den Abend gelacht," bemerkt Johanna.

Eine kleine Störung erhielt diese „nationale“ und „ideale“ Heiterkeit durch den Tod der Herzogin-Mutter Anna Amalia. „Auch das kleine Bethlehem (!) Weimar," klagte Wieland, „hat in der Geschichte des 18. Jahrhunderts seinen Tag gehabt, aber seine Sonne ist im Jahre 1807 untergegangen, und die Nacht bricht herein, ohne einen neuen Tag zu versprechen.“ Auch Göthe mußte nun Hoftrauer anlegen, Dankbarkeit und Rührung, Liebe und Verehrung, Freundschaft und Tugend aus der poetischen Vorrathskammer seiner Affecte hervorholen und zum feierlichen Andenken der durchlauchtigsten Fürstin und Frau“ die zahllosen Komödienerinnerungen der Geniejahre mit einem Strahlenkranze der Verklärung umgeben.

„Wenn das Leben der Großen dieser Welt," so hub er an, so lange es ihnen von Gott gegönnt ist, dem übrigen Menschengeschlecht als ein Beispiel vorleuchten soll, damit Standhaftigkeit im Unglück und theilnehmendes Wirken im Glück immer all

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Göthe's Leichensermon auf Anna Amalia.

gemeiner werde, so ist die Betrachtung eines bedeutenden vergangenen Lebens von gleich großer Wichtigkeit, indem eine kurzgefaßte Uebersicht der Tugenden und Thaten einem Jeden zur Nacheiferung als eine große und unschätzbare Gabe überliefert werden kann.“

Die hochtrabende officielle Stilübung, welche höchst salbungsvoll alle Lebensbezüge der Herzogin in lauter Tugenden verwandelt, gestaltet sich zum Schluß zu einer vollständigen Canoni sationsbulle, in welcher der weimarische Kunstpapst nicht ansteht, die verstorbene Herzogin unter die Zahl der „Seligen“ zu versetzen:

„Ja, das ist der Vorzug edler Naturen, daß ihr Hinscheiden in höhere Regionen segnend wirkt wie ihr Verweilen auf der Erde; daß sie uns von dort her gleich Sternen entgegenleuchten, als Richtpunkte, wohin wir unsern Lauf bei einer nur zu oft durch Stürme unterbrochenen Fahrt zu richten haben; daß diejenigen, zu denen wir uns als zu Wohlwollenden und Hilfreichen im Leben hinwendeten, nun die sehnsuchtsvollen Blicke nach sich ziehen als Vollendete, Selige.“ 1

Noch im selben Monat, in welchem die Herzogin starb und Göthe's salbungsvolle Leichenpredigt durch die Geistlichen von den Kanzeln verlesen wurde 2, ging dem Dichter ein neuer Stern auf - die erst 22jährige Bettina Brentano, die Tochter jener Maximiliane La Roche, in welche er sich während der Wertherzeit verliebt hatte. Wieland war in die Großmutter verliebt gewesen, Göthe in die Mutter, warum sollte er nicht auch mit dem Töchterchen ein bischen tändeln? Den Jahren nach konnte sie allerdings seine Tochter oder Nichte sein; aber der

1 Göthe's Werke [Hempel]. XXVII. Anh. 40.

2 Jahn, Göthe's Briefe an Voigt. S. 260. 261. „Ich dächte, man ließe es auf ein Folio-Blatt hüben und drüben abdrucken. Die Jahreszahlen sette man ad marginem. Nur müßte alsdann in den Circularien an die Geistlichen bemerkt werden, daß die Jahreszahlen nicht mit abgelesen werden“ (!!).

Bettina das Kind und Minchen Herzlieb.

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alte Onkel hatte ein der Liebe" immer noch zugängliches Herz. Bettina „das Kind“ war von seiner Mama empfohlen und war noch so jung und so phantastisch und geistreich irr lichtelirend, und that dem alten Onkel so schön und schmeichelte so artig, und verehrte und betete an, und wollte ihr unendliches Herzchen an seiner unendlichen Weisheit bilden. Das Kind war auch sonst interessant: es kam eben von seiner Jugendfreundin, der Günderode, mit der es lange zusammen romantische Poesie getrieben und die sich jetzt wegen einer unglücklichen Liebe erstochen hatte. Göthe konnte nicht umhin, sich Schmeichelei und Spielerei mit dem Behagen eines halbverliebten Onkels gefallen zu lassen und mit Bettina einen kleinen Briefwechsel anzuknüpfen, der später den Literaturhistorikern viel Kopfbrechen. verursachen sollte. Denn Bettina erweiterte die Billets Göthe's zu einem phantastischen Briefroman und schrieb sich dabei einen viel wichtigeren Platz im Herzen Göthe's zu, als sich actenmäßig nachweisen läßt. Sie behauptete sogar, daß eine Anzahl verliebter Sonette an sie gerichtet seien, von denen sicher ist, daß fie einer andern Liebe galten 1.

Das andere Liebesverhältniß, welches Göthe um diese Zeit kaum ein Jahr nach seiner formellen Hochzeit - anknüpfte, war nach seinem eigenen Geständniß ernsterer und leidenschaftlicherer Natur. Wilhelmine oder „Minchen" Herzlieb hieß ein Waisenkind, das der Buchhändler Frommann und seine Frau im

1 Göthe's Briefwechsel mit einem Kinde." Berlin 1835. Vgl. G. von Löper, Briefe Göthe's an Sophie von La Roche und Bettina Brentano. Berlin 1879. Wie Bettina die Billets Göthe's verarbeitete, wurde bereits 1861 an einem derselben deutlich veranschaulicht. „Ein Originalbrief Göthe's an Bettina." Bl. für Lit. Unt. 1861. Nr. 45. Vgl. Art. Bettina in der Deutschen Biographie. II. 578-583. Lewes (Frese) II. 432-435 zeichnet das Ver= hältniß im Wesentlichen richtig. Sehr übertrieben ist die komische Charakteristik bei Keil, Frau Rath. 1871. S. 22 ff.: „halb Here, halb Engel; halb Priesterin, halb Bajadere; halb Prophetin, halb Lügnerin; halb Kaße, halb Taube“ u. s. w.

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