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4. Der vollendete erste Theil des Fauft.

1808.

Göthe mußte die Faustsage symbolisch behan= deln, das war eine Forderung der Zeit; die Art dieser Behandlung entschied sein eigenes Genie.... Hier im ersten Theil bemerken wir an seiner Behandlung eine wunderbare Vereinigung des Sagenhaften und Symbolischen, des Mittelalterlichen und Modernen." G. H. Lewes.

„So überwältigend groß und tief und wahr Göthe die natürliche Welt um und in dem Menschen in seinem Faust' geschildert hat, so unzulänglich ist die übernatürliche Seite der Faustsage behandelt." Wilhelm Molitor.

Die Verlegenheit, in welcher sich der Dichter befand, malt sich sowohl in der Zueignung, welche er jest dem Stück vorausschickt, als noch deutlicher in dem Vorspiel auf dem Theater; dort elegischweinerlich, hier heiter mit fröhlichstem Galgenhumor. Dieser gemahnt schon, daß es mit der Trauer der Zueignung nicht allzu ernst zu nehmen ist. Er bedauert, daß schon dahingeschiedene Freunde die Fortsetzung nicht mehr zu hören bekommen; aber sein lispelnd Lied, den Aeolsharfen gleich, löst sich alsbald in das fröhliche Gekicher des Vorspiels auf. Der Dichter versucht sich da noch leidlich im Pathos zu halten und der Dichtkunst die höchsten Ziele zu stecken; allein in seiner Brust sitt ein ganzes Triumvirat, d. h. außer dem Dichter noch die lustige Person und der Theaterdirector. Als fröhlicher Gracioso mahnt er sich, das Publikum zu unterhalten, und als Director nimmt er die Trauer des Dich ters und den Witz des Narren, die Thränenseligkeit der Genieperiode und den skeptischen Spott der Revolution, das classische Schönheitsideal und die nordische Sage, die christlichen Anflüge der Romantik und den Herenspuk der Reformationszeit, Natur und Menschheit in seine Dienste, um die Poesie zu commandiren

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Verlegenheit um eine poetische Weltanschauung.

und das Widerstrebende womöglich zu einem starken Getränk, zu einem Weltgedicht, zu verarbeiten.

„So schreitet in dem engen Bretterhaus Den ganzen Kreis der Schöpfung aus, Und wandelt mit bedächt'ger Schnelle

Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.“

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Faust, das hatte sich bei Göthe, unter Schillers großen, idealistischen Anregungen entschieden, sollte aus dem engen Kreis einer bürgerlichen Liebschaft auf die ganze und volle Höhe eines Weltgedichtes gebracht werden. Gretchen mußte nun nothwendig zurücktreten. Es war zu unbedeutend bloßes Kind und dann Verbrecherin. Faust mußte die Hauptperson werden, das war klar. Aber wie sollte ein Weltgedicht daraus entstehen, das mit Göthe's Weltanschauung übereinstimmte? Den Faust der Volkssage holte der Teufel. Die ganze Magie und Alchymie mitsammt der pantheistischen Weltansicht führte nach ihren Anschauungen direct in die Hölle. Göthe seinerseits hatte in dem gedruckten Fragment den Helden auch schon für die Hölle zubereitet. Dieser hatte sich finsteren Mächten anheimgegeben, mit Mephistopheles' Hilfe Gretchen verführt und es zur Muttermörderin und Kindsmörderin gemacht. Das Postulat des gesunden Menschenverstandes war, den bewußten Verführer dem Schicksal zu überlassen, das ihm die Sage anwies.

Aber für Göthe lag die Sache so einfach denn doch nicht. Der große theologische Kern der Faustsage war für ihn ein längst überwundener Standpunkt und ist es bis an sein Ende geblieben. Noch im November 1829 verglich er den Faust der Sage nicht etwa mit Prometheus und den Titanen, nicht mit den Zauberern und Herenmeistern des Mittelalters, sondern mit seinem eigenen „Großkophta“, dem größten Charlatan des ausgehenden 18. Jahrhunderts, setzte ihn damit auf die denkbar niedrigste Stufe eines gemeinen Betrügers herab1 und gab dazu seinem Freunde Zelter folgende Erklärung:

1 Sehr treffend ist Caro's Bemerkung, daß dem Skepticismus in der Geschichte immer auch Aberglaube und Charlatanerie zur

Göthe's seichte Auffassung der Faustsage.

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Die Römische Kirche behandelte von jeher Ketzer und Teufelsbanner als gleichlautend und belegte sie beiderseits mit dem strengsten Bann, so wie alles, was Wahrsagerey und Zeichendeutung heißen konnte. Mit dem Wachsthum der Kenntnisse, der näheren Einsicht in die Wirkung der Natur scheint aber auch das Bestreben nach wunderbaren und geheimnißvollen Kräften zugenommen zu haben. Der Protestantismus befreite die Menschen von aller Furcht vor kirchlichen Strafen; das Studentenwesen wurde freyer, gab Gelegenheit zu frechen und liederlichen Streichen; und so scheint sich, in der Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts, dieses Teufels- und Zauberwesen methodischer hervorgethan zu haben, da es bisher nur unter dem verworrenen Pöbel gehauset hatte. Die Geschichte von Faust wurde nach Wittenberg verlegt, also in das Herz des Protestantismus, und gewiß von Protestanten selbst; denn es ist in all den dahin gehörigen Schriften keine pfäffische Bigotterie zu spüren, die sich nie verläugnen läßt. — Um die hohe Würde des Mephistopheles anschaulich zu machen, liegt ein Auszug abschriftlich bey, einer Stelle von Fausts Höllenzwang. Dieses höchst merkwürdige Werk des raisonnirtesten Unsinns soll, nachdem es lange in Abschriften umhergelaufen, zu Passau 1612 gedruckt worden sein." 1

Was sollte der Dichter, der in der ganzen Sage weiter nichts als Charlatanerie und Volksaberglauben sah, der weder an eine Hölle, noch an einen Teufel, kaum mehr in positiv-christlichem Sinne an Gott glaubte, mit den wesentlich religiösen Ideen anfangen, auf welchen die Sage beruhte, besonders mit dem Teufelspakt? Was bedeutet die Sage noch, wenn es keinen Seite gehen, daß dieses auch im 18. Jahrhundert der Fall war, und daß Göthe fich auffallend von solchen Erscheinungen (Mesmer, Cagli= ostro, Saint-Martin) angezogen fühlte: „Si la foi positive a baissé parmi nous, ne semble-t-il pas que ce soit au profit d'une sorte de folie mystique? Goethe ressentit toujours un certain attrait pour ce côté nocturne de la science et de la nature." Revue des Deux Mondes. 1865. LIX. 856.

1 Göthe-Zelter Briefwechsel. V. 331. 332.

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Schiller fordert philosophischen Gehalt.

Teufel gibt? Ob er Faust holt, oder nicht holt, bleibt sich in diesem Falle gleich. Aber wie soll die Dichtung dann ein tieferes geistiges Interesse gewinnen? Göthe hatte sich nur in die Sage hinein geträumt, und bat nun Schiller, ihm seine Träume zu deuten. Auch Schiller war in Verlegenheit.

„So viel bemerke ich hier nur," erwiederte er am 23. Juni 17972, „daß der Faust, das Stück nämlich, bei aller seiner dichterischen Individualität die Forderung an eine symbolische Bedeutsamkeit nicht ganz von sich weisen kann, wie auch wahr scheinlich Ihre eigene Idee ist. Die Duplicität der menschlichen Natur und das verunglückte Bestreben, das Göttliche und das Physische im Menschen zu vereinigen, verliert man nicht aus den Augen; und weil die Fabel ins Grelle und Formlose geht und gehen muß, so will man nicht bei dem Gegenstande stille stehen, sondern von ihm zu Ideen geleitet werden. Kurz, die Anforderungen an den Faust sind zugleich philosophisch und poetisch, und Sie mögen sich wenden, wie Sie wollen, so wird Ihnen die Natur des Gegenstandes eine philosophische Behandlung auflegen, und die Einbildungskraft wird sich zum Dienste einer Vernunftidee bequemen müssen.

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Aber ich sage Ihnen damit schwerlich etwas neues, denn Sie haben diese Forderung in dem, was bereits da ist, schon in hohem Grade zu befriedigen angefangen.“

„Den Faust," so fuhr Schiller am 26. Juni 1797 fort 3, „habe ich nun wieder gelesen, und mir schwindelt ordentlich vor der Auflösung. Dieß ist indeß sehr natürlich, denn die Sache beruht auf einer Anschauung (!), und so lang man die nicht hat (!), muß ein selbst nicht so reicher Stoff den Verstand in Verlegenheit setzen. Was mich daran ängstigt, ist, daß mir der Faust seiner Anlage nach eine Totalität der Materie nach zu er fordern scheint, wenn am Ende die Idee ausgeführt erscheinen soll, und für eine so hoch aufquellende Masse finde ich keinen

1 Schiller-Göthe Briefwechsel. I. 262.
3 Ebds. S. 264.

2 Ebds. S. 263.

Die liebe Noth mit dem Teufel!

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poetischen Reif, der sie zusammenhält. Nun, Sie werden sich schon zu helfen wissen.

"Zum Beispiel: es gehörte sich meines Bedünkens, daß der Faust in das handelnde Leben geführt würde, und welches Stück Sie auch aus dieser Masse erwählen, so scheint es mir immer durch seine Natur eine zu große Umständlichkeit und Breite zu erfordern.

"In Rücksicht auf die Behandlung finde ich die große Schwierigkeit, zwischen dem Spaß und dem Ernst glücklich durchzukommen; Verstand und Vernunft scheinen mir in diesem Stoff auf Tod und Leben mit einander zu ringen. Bei der jezigen fragmentarischen Gestalt des Fausts fühlt man dieses sehr, aber man verweist die Erwartung auf das entwickelte Ganze. Der Teufel behält durch seinen Realismus vor dem Verstand, und der Faust vor dem Herzen Recht. Zuweilen aber scheinen sie die Rollen zu tauschen, und der Teufel nimmt die Vernunft gegen den Faust in Schuß.

„Eine Schwierigkeit finde ich auch darin, daß der Teufel durch seinen Charakter, der realistisch ist, seine Existenz, die idealistisch ist, aufhebt. Die Vernunft nur kann ihn glauben, und der Verstand nur kann ihn so, wie er da ist, gelten lassen und begreifen.

„Ich bin überhaupt sehr erwartend, wie die Volksfabel sich dem philosophischen Theil des Ganzen anschmiegen wird.“ Göthe antwortete 1:

"Ihre Bemerkungen zu Faust waren mir sehr erfreulich. Sie treffen, wie es natürlich war, mit meinen Vorfäßen und Planen recht gut zusammen, nur daß ich mir's bei dieser barbarischen Composition bequemer mache und die höchsten Forderungen mehr zu berühren als zu erfüllen denke. So werden wohl Verstand und Vernunft, wie zwei Klopffechter, sich grimmig herumschlagen, um Abends zusammen freundschaftlich auszuruhen. Ich werde sorgen, daß die Theile anmuthig und unterhaltend sind und

1 Ebds. S. 265

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