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Das Mysterienspiel wird Phantasmagorie.

das anscheinend so tief gedachte Mysterienspiel ganz von der christlichen Weltanschauung ab und wird aus einem Denkmal echten Volksgeistes und Volksglaubens zur bloßen Phantasmagorie eines Dichters, der weder das Göttliche noch das Dämonische, sondern bloß das Natürlich - Menschliche mit wahrer Ueberzeugung umfängt, alles Uebernatürliche bloß als Symbol betrachtet.

5. Der zweite Theil des Fauft.

1831.

„Faust, den doch offenbar schon längst der Teufel geholt, erscheint hier auf einmal als völlig courfähiger Cavalier am himmlischen Hofe, Gott, dem himmlischen Hofstaate und dem vor lauter Respect ganz dummgewordenen Teufel mit seiner eminenten Weltbildung imponirend eine opernartige Heiligsprechung dieser Bildung."

Joseph von Eichendorff.

„Die Aufgabe der Selbstbildung des Charakters und der Uebung in Selbstzucht und Selbstherrschung bleibt Faust völlig fremd, er entbehrt kurz vor seinem Tode noch ebenso sehr jeder Ahnung von dieser Aufgabe des Menschen als bei Beginn der Dichtung."

Eduard von Hartmann, Studien. S. 371.

Nach Abschluß des ersten Theiles vergingen 17 Jahre, bis Göthe an die Arbeit herantrat, noch einen zweiten Theil zu schreiben. Es lagen für einen solchen nur Schemata und Fragmente vor. Die Hauptsache war noch zu thun. Der 75jährige Greis hatte den Plan schon aufgegeben, als Eckermann ihn zu dessen Ausführung ermunterte1. So viel Faust über Wagner sonst gespottet, er gehorchte ihm, und nach sechsjähriger Arbeit war der zweite Theil vollendet. Er zählt 7498 Verse, fast doppelt so viel als der erste Theil oder als Shakespeare's größere Dramen.

„Es ist keine Kleinigkeit," schrieb Göthe selbst am 1. Juni 1831 an Zelter, „das, was man im zwanzigsten Jahre concipirt hat, im zweiundachtzigsten außer sich darzustellen, und ein solches inneres lebendiges Knochengerippe mit Sehnen, Fleisch und Ober

1. Eckermann, Gespräche. I. 112. 200. 201.

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Der II. Theil das glänzendste Maskenspiel.

haut zu bekleiden, auch wohl dem fertig hingestellten noch einige Mantelfalten umzuschlagen, damit alles zusammen ein offenbares Räthsel bleibe, die Menschen fort und fort ergöße und ihnen zu schaffen mache." 1

Wenn man bedenkt, daß ein Greis zwischen dem 76. und 82. Jahre diese Dichtung verfaßt hat, und wenn man von den religiösen Anschauungen absieht, die ihr zu Grunde liegen, so wird man unwillkürlich staunen über diese uncrmeßliche Fülle von Gestalten und Bildern, Phantasien und Träumen, Ideen und Sprüchen, Scenerien und Situationen, Versformen und Wortbildungen, die in wahrhaft verschwenderischer Pracht, künstlerischer Abrundung, melodischer Schönheit sich vor uns ergießt. Es ist ein wahres Magazin, ein Museum der Poetik, der Literatur und Kunstgeschichte, der Mythologie das bunteste und geistreichste Maskenspiel, das Göthe gedichtet hat eine wirk lich poetische Autobiographie des Dichters mit tausend geistreichen Anspielungen auf sein Dichten, Streben und Wirken, auf die ganze zeitgenössische Literatur, Wissenschaft und Politik. Wie in seinem eigenen Leben keine Einheit herrscht, so mangelt sie in diesem bunten Spiegel desselben:

„In bunten Bildern wenig Klarheit,

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Viel Irrthum und ein Fünkchen Wahrheit,
So wird der beste Trank gebraut,

Der alle Welt erquickt und auferbaut."

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Als allegorisch-symbolische Darstellung seines Lebens ist das seltsame Schauspiel auch zu großem Theil recht dramatisch ausgeführt und besonders der Schluß ein ergreifender Schwanengesang. Das war aber nur nebenher seine Absicht. Sein Hauptplan war wirklich, der frühern Faustdichtung einen ihrer würdigen Abschluß zu geben - und das ist ihm, selbst nach der Ansicht vieler seiner Verehrer, denn doch nicht gelungen 2.

1 Göthe-Zelter Briefwechsel. VI. 193.

2 So ift H. Marggraff z. B. der Ansicht, daß mit dem zweiten Theil eine ganz neue Dichtung anfängt, die mit der Dich

Zugleich gänzlicher Ausverkauf.

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„Was läßt sich sagen?" meint Grillparzer, „Göthe hatte theils durch das höhere Alter, größtentheils wohl aber durch die kanzleiartige Geschäftigkeit seiner letzten Jahre von jener lebendigversinnlichenden Kraft eingebüßt, welche allein Gestaltungen gibt und Gemüthsinteressen erweckt. Die Figuren, die er aus seinen Jugendschätzen bereichert, hatten sich ihm daher zu Träumen und blutlosen Schatten verdünnt, die man noch immer billigen, ja bewundern muß, denen man sich aber nicht mehr mit Theilnahme verwandt fühlt. Auch mag dazu noch gekommen sein. jener begreifliche Wunsch von Göthe's lezter Zeit, keines seiner geistigen Kinder unversorgt zurückzulassen. Sowie ihn das veranlaßte, mit weitem, allgemeinem Streben in individueller Besonderheit angefangene Werke fortzusehen und abzuschließen, so scheint es ihn sogar verleitet zu haben, Theile und Bruchstücke, die ursprünglich nicht für einander bestimmt waren, gewaltsam in Einen Verband zusammenzubringen, und die Sorge für die Herstellung der Einheit zum Ganzen, der Bewunderung der Zeiten und der Gewalt seines Namens überlassen zu haben. Was bei Wilhelm Meisters Wanderjahren sichtlich geschehen ist, dürfte bei dieser Fortsehung des Faust zum Theile auch der Fall gewesen sein. Die darin aufgenommenen Bestandtheile wenigstens sind offenbar Bruchstücke aus einer Tragödie Helena, die Göthe in früherer Zeit entwarf, in der Folge aber wieder aufgegeben hat. Ebenso trägt die klassische Walpurgisnacht deutliche Spuren eines antiquarischen Scherzes, unabhängig von Faust, den mittelalterlichen Wunderlichkeiten der Brocken-Scene ähnliche Monstruositäten der griechischen Zeit gegenüberzustellen. Es ist ein poetisch ausgeführtes Schema, wie Göthe sie zu machen liebte." 1

An dem ersten Theil," so läßt der dänische. Dichter Hans Christian Andersen seinen Niels Bryde sagen, könnt ihr sicher

tung des ersten Theiles nur noch an einigen kaum wahrnehmbaren Fäden, dünn wie Spinnfäden, ganz locker zusammenhängt". Blätter für lit. Unterh. 1860. I. 214.

1 Grillparzer, Werke. X. 240. 241.

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Gegensatz der beiden Theile.

licher große Freude haben; der ist ein zusammenhängendes Ganze, wo Gretchen steht,gerichtet und gerettet. Der zweite Theil dagegen ist wie ein Kometenschweif, der sich ausbreitet und verschwindet; da ist kein Zusammenhang, kein dramatischer Faden, keine fortgesetzte Geschichte. Göthe ist alt geworden! —

Ich wurde müde von diesen Maskenzügen und all diesen Allegorien. Die eigentliche Ganzheit der Composition hört mit dem ersten Theile auf." 1

Zwischen der ergreifenden Schlußscene des ersten Theiles und dem Anfange des zweiten liegt eine unausgefüllte Kluft. Gretchen, die Verführte, hat sich von Faust losgerissen und betend und büßend in Gottes Hand übergeben. Faust, der Verführer, jeht mit vierfacher Blutschuld beladen, bleibt in der Gesellschaft des Mephistopheles, und nun? büßt er? geht er an seiner Schlechtigkeit zu Grunde?

Nein! Wir finden ihn in einer anmuthigen Gegend, auf blumigem Rasen gebettet, unruhig träumend, von allerliebsten Elfen umtanzt. Ihr Gesang beruhigt ihn und erfüllt Ariels Mahnung:

„Besänftiget des Herzens grimmen Strauß,
Entfernt des Vorwurfs glühend bitt're Pfeile,
Sein Inneres reinigt von erlebtem Graus!
Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,
Gebt ihn zurück dem heil'gen Licht!" 2

1 „Förste Deel kan De vist have megen glaede af, den er et sammenhaengende Heelt, hvor Gretchen staaer,gerichtet og ,gerettet. Anden Deel derimod er som et Komet-Hale, der breder sig og forsvinder; der er ingen sammenhold, ingen dramatisk Traad, ingen fortsat Historie. Goethe er bleven gammel!

Jeg blev kjed af disse Maskeoptog og alle disse Allegorier. Den egentlige Heelhed in Compositionen hörer op med förste Deel.“ At vaere eller ikke vaere. H. Chr. Andersen, Samlede Skrifter. XXIII. 168.

2 Göthe's Werke [Hempel]. XIII. 3.

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