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Troftlose Philosophie des Dichters.

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Reuegebetes gehören zu dem Schönsten, was Göthe gedichtet hat. Christus und sein Erlösungswerk, Maria's bevorzugte Stellung als Mutter Gottes, die Fürbitte der Heiligen, die Nothwendigkeit von Reue und Buße sind in den innigsten, erhabensten Ausdrücken anerkannt. Alle früheren Dissonanzen scheinen sich harmonisch in den schönsten Feieraccord auflösen zu wollen; aber kam das dem Dichter wirklich vom Herzen? hat er das Alles in christlichem, katholischem Sinne gedacht?

Das läßt sich schwerlich von einem Manne annehmen, der faum mehr in positiv christlichem Sinne an die Unsterblichkeit der Seele, an einen eigentlichen Himmel geglaubt hat.

„Wirken wir fort," schrieb der achtundsiebenzigjährige Dichtergreis (am 19. März 1827) an seinen Freund Zelter 1, bis wir, vor oder nacheinander, vom Weltgeist (!) berufen, in den Aether zurückkehren! Möge dann der ewig Lebendige uns neue Thätig keiten, denen analog, in welchen wir uns schon erprobt, nicht ver sagen! Fügt er sodann Erinnerung und Nachgefühl des Rechten. und Guten, was wir hier schon gewollt und geleistet, väterlich hinzu, so würden wir gewiß nur desto rascher in die Kämme des Weltgetriebes eingreifen (!!). - Die entelechische Monade muß sich nur in rastloser Thätigkeit erhalten, so kann es ihr in Ewigkeit nicht an Beschäftigung fehlen. Verzeih diese abstrusen Ausdrücke! Man hat sich aber von jeher in solche Regionen verloren, in solchen Sprecharten sich mitzutheilen versucht, da wo die Vernunft nicht hinreichte und wo man doch die Unvernunft nicht wollte walten lassen."

Als Dichter kam er aber mit dieser verschwommenen, abstrusen Monadenlehre nicht aus, und so erklärte er denn eines

trait il supprime le libertin, le païen, le blasphémateur; toutes ces ignominies disparaissent comme les monstruosités d'un rêve, et Goethe, à la splendeur du jour, ne garde que le Faust pour qui Marguerite mourante a prié." Louis Veuillot, Le parfum de Rome. I. 283.

1 Göthe-Zelter Briefwechsel. IV. 278. 279.

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Das Bedürfniß nach „christlich-kirchlichen Figuren“. Tages Eckermann mit Bezug auf die Verse: „Wer immer strebend sich bemüht" u. s. w. :

„In diesen Versen ist der Schlüssel zu Fausts Rettung enthalten: in Faust selber eine immer höhere und reinere Thätigkeit bis ans Ende und von Oben die ihm zu Hilfe kommende ewige Liebe. Es steht dieses mit unserer religiösen Vorstellung durchaus in Harmonie, nach welcher wir nicht bloß durch eigene Kraft selig werden, sondern durch die hinzukommende göttliche Gnade. Uebrigens werden Sie zugeben, daß der Schluß, wo es mit der geretteten Seele nach Oben geht, sehr schwer zu machen war, und daß ich bei so übersinnlichen, kaum zu ahnenden Dingen mich sehr leicht im Vagen hätte verlieren können, wenn ich nicht meinen poetischen Intentionen durch die scharf umrissenen christlich-kirchlichen Figuren und Vorstellungen eine wohlthätig beschränkende Form und Festigkeit gegeben hätte."1

Das Heidenthum ließ den Dichter im Stich, als er seinen Faust den dämonischen Mächten entreißen wollte, und der Prote stantismus ließ ihn im Stich, als er der Rettung eine schöne Darstellung geben wollte. So gesellten sich zu Gretchen, Helena, Galatee auch schließlich die drei Büßerinnen und die Madonna. Aus Liebe zur Schönheit ward der Dichter wenigstens ästhetisch katholisch. Der Schritt war schon früher in der Charakteristik des katholischen Gretchens angebahnt, aber eben dadurch mit jenem trüben Element sinnlicher Liebe verbunden, das die ge= sammte Dichtung beherrscht. Während Magdalena in reinster seliger Gottesliebe fürbittend auf ihre Buße zurückblickt, denkt Gretchen auch im Himmel nur an ihren Faust, und die ewige Liebe, als das „Ewig-Weibliche“ gefaßt, ist nur dazu da, eine sündige Weltliebe endlich im Himmel zur ewigen Ehe zu revalidiren 2. Naturalismus und Sinnlichkeit geleiten den Dichter

2

1 Eckermann, Gespräche. II. 236. 237.

„Göthe's Religion erscheint als dichterische Neubelebung der antiken Naturansicht, welche das All als die ewige, hervorbringende und erhaltende Mutter verehrt. . . . Eine mittelalterlich-katholische

Faust und die moderne Cultur.

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auch in diese mystischen Höhen hinauf, und er zieht ihre Lichtgestalten herab in die trüben Regionen seiner Bühne. Der Kirche unterwirft sich der Dichter nicht. Von den Wahrheiten göttlicher Offenbarung nimmt er auf, was ihm gerade schön dünkt. Und so spielt denn der Katholicismus im „Faust" keine andere Rolle, als in unseren modernen Kunstmuseen und Gemäldegallerien, wo neben eine Venus auch allenfalls eine Madonna gehängt wird, und neben indischen Gößenbildern und olympischen Göttern auch mittelalterliche Flügelaltäre und Crucifire eine Stelle finden.

Die Dichtung drückt eben hierdurch einen Grundzug der gesammten modernen Cultur aus und hat diesen selbst wieder in weiten Kreisen verstärken helfen: jenen vom Protestantismus und Katholicismus gleich weit entfernten Menschheitscult, der, gegen natürliche und geoffenbarte Wahrheit völlig gleichgiltig, alle Erscheinungen der Menschheit in ihrer bunten Entwicklung vom Fetischismus bis zur höchsten christlichen Cultur gleichmäßig studirt, bewundert, ehrt, wissenschaftlich aufspeichert und künst lerisch ausnüßt. Der Protestantismus bietet groß angelegten und besonders künstlerischen Naturen keine volle Befriedigung. Sich der katholischen Kirche zu unterwerfen, sind sie zu stolz, und so suchen sie sich denn aus dem Vorhandenen ein Christenthum eigener Erfindung, eine Religion der Zukunft zu gestalten.

Von allen Literaturhistorikern hat der geistreiche Franzose Taine, selbst ein echter Sohn und Ritter der modernen Cultur, ebenso ungläubig-gläubig wie Göthe, den Faust nach dieser Richtung hin von seinem Standpunkt aus am besten beleuchtet 1:

"Im Contact mit der Wissenschaft ward das Heidenthum auf die Anerkennung von Naturkräften zurückgeführt, im Con

Färbung der antiken Naturreligion bliebe uns also als lezte Stufe Göthischer Religiosität." H. Gelzer, Die deutsche poetische Literatur. Leipzig 1841. S. 309.

1 H. A. Taine, History of English Literature. Translated by H. Van Laun. Edinburgh 1874. IV. 35-38.

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Poesielosigkeit der modernen Aufklärung.

tact mit der Moralität (!) ward das Christenthum auf die Anbetung des Idealen beschränkt. Um wiederum physische Kräfte zu vergöttern, müßte der Mensch abermals ein gesundes Kind werden, wie in Homers Zeiten. Um wiederum geistige Kräfte zu vergöttern, müßte der Mensch abermals ein kränkliches (?) Kind werden, wie in Dante's Zeiten. Aber er war ein Erwachsener und konnte nicht zu Civilisationen und Epen zurückkehren, von welchen der Strom seines Denkens und seines Lebens ihn für immer abgewandt hatte. Wie sollte man ihm nun seine Götter zeigen? die modernen Götter? Wie konnte er sie in persönliche und sichtbare Form kleiden, nachdem er sich abgemüht, sie gerade jeder persönlichen und sinnlichen Form zu berauben, und nachdem ihm. dieß gelungen war? Anstatt die Legende zu verwerfen, nahm Göthe sie wieder auf. Er wählte eine mittelalterliche Legende zu seinem Stoff. Sorgfältig, ängstlich genau zeichnete er alte Volkssitte und alten Volksglauben, die Werkstätte eines Alchimisten, die Beschwörungsbücher eines Zauberers, gewöhnliche Bauern, studentische Wirthshausscenen, einen Herensabbat auf dem Brocken, eine Messe in der Kirche; man könnte glauben, einen Holzschnitt aus Luthers Zeit vor sich zu haben, kleinlich gewissenhaft ausgeführt: nichts ist übergangen. Himmlische Gestalten erscheinen in geheiligter Stellung nach dem Terte der Schrift, wie in den alten Mysterienspielen: der Herr mit seinen Engeln, dann mit dem Teufel, welcher sich Erlaubniß holt, Faust zu versuchen, wie er einst Job versucht; der Himmel, wie ihn der Hl. Franciscus sich dachte und wie Van Eyck ihn malte, mit Anachoreten, heiligen Frauen und Lehrern einige in einer Landschaft mit bläulichen Felsen, andere oben in den Lüften, in Chören, eine Schaar über der andern, um die verklärte Jungfrau schwebend. Göthe bemüht sich sogar, so orthodox zu erscheinen, daß er zu jeder der Büßerinnen ihren lateinischen Namen und ihr gebührendes Hei ligenhäuschen aus der Vulgata setzt. Und eben diese Treue

1 Magna peccatrix, S. Lucae VII. 36; Mulier Samaritana, S. Joannis IV; Maria Aegyptiaca (Acta Sanctorum) etc.

Aesthetische Rückkehr zum Mittelalter.

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verkündigt ihn als Skeptiker. Wir sehen es: wenn er die alte Welt wieder auferweckt, thut er es als Historiker, nicht als ein Gläubiger. Er ist bloß Christ aus Erinnerung und poetischem Gefühl. Der moderne Geist überfließt in ihm absichtlich das enge Gefäß, in welchem er ihn absichtlich einzuschließen scheint. Der Denker durchdringt sichtlich den Erzähler. Jeden Augenblick eröffnet ein anscheinend unbeabsichtigtes, aber doch berechnetes Wort hinter dem Schleier der Ueberlieferung philosophische Streiflichter. Was sind denn diese übernatürlichen Wesen, - dieser Gott, dieser Mephistopheles, diese Engel? Ihre Substanz löst sich unaufhörlich auf und bildet sich neu, um abwechselnd die Idee, welche sie füllt, zu zeigen oder zu verbergen. Sind es Abstractionen oder Charaktere? Ist dieser Mephistopheles, dieser Revolutionär, dieser Philosoph, der Voltaire's Candide gelesen und cynisch über alle höheren Mächte spottet, - ist er etwas Anderes als der Geist der Negation'? Sind die Engel, wenigstens im Prolog, etwas Anderes, als die ideale Intelligenz, welche durch Mitgefühl dazu gelangt, Alles zu lieben, und durch Ideen, Alles zu verstehen? Was soll man von dieser Gottheit sagen, welche, erst biblisch und persönlich gedacht, nach und nach jede Form verliert, entschwindet, in die Tiefe versinkt und hinter dem Glanze der lebendigen Natur und mystischer Träumerei mit dem unnahbaren Absoluten zusammenschwimmt? So entfaltet sich die ganze Dichtung, Handlung und Charaktere, Menschen und Götter, Alterthum und Mittelalter, das Ganze und das Einzelne, stets am Grenzgebiet zweier Welten die eine sichtbar und gestaltet, die andere geistig und gestaltlos; die eine umfaßt alle äußeren Regungen der Geschichte und des Lebens, all jenen farbenreichen, duftigen Zauber, welchen die Natur über die Oberfläche des Daseins ergossen hat; die andere enthält die tiefen Zeugungskräfte und unsichtbaren festen Gesetze, durch welche alle diese lebenden Wesen an das Licht des Tages treten. Endlich sehen wir unsere Götter: wir parodiren sie nicht länger, wie unsere Vorfahren, durch Idole und persönliche Gestalten; wir erkennen sie, wie sie in sich selbst sind, und um sie zu sehen, brauchen Baumgartner, Göthe. III. 2. Aufl

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