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Der Göthe-Cultus eine Einseitigkeit.

den einen Werther, Wilhelm Meister und Faust nicht mehr als Typen echten deutschen Geistes nehmen, sondern als dichterische Gestalten einer sittlich sehr herabgekommenen Zeit. Sie werden die Schein-Universalität Göthe's dann mit der wirklichen Universalität der katholischen Wissenschaft vergleichen, und sich leicht überzeugen, daß ein Angelo Secchi mehr von der Natur des Lichts und von der Einheit der Naturkräfte, ein Raphael Garrucci und ein de Rossi mehr von altchristlicher Kunst, ein Reichensperger und Pugin mehr von der christlichen Kunst des Mittelalters, ein Janssen mehr von deutscher Art, Geschichte und deutschem Volksgeist, ein Peter von Cornelius und Eduard von Steinle mehr von Raphael und der italienischen Malerei, ein Joseph von Görres mehr von der Mystik und von den deutschen Volksbüchern, ein Friedrich von Schlegel mehr von der Weltliteratur, ein Lorinser mehr von Calderon, ein Cardinal Wiseman mehr von Shakespeare verstanden hat, als Johann Wolfgang Göthe nebst Heinrich Meyer, Wilhelm Riemer, Peter Eckermann und ihrem ganzen übrigen kritischphilologischen Kometenschweif.

Sobald man aufgehört haben wird, dieses schillernde GötheMeteor für einen universellen Leitstern wahrer Weltanschauung, Lebensweisheit und Wissenschaft zu halten, wird man auch bald am Himmel der deutschen Literatur wieder andere Sterne erkennen und besser zu würdigen wissen. Man wird bei Lessing weit mehr Kraft, Klarheit, männlichen Stil bei Herder einen viel universelleren Geist — bei Schiller einen viel edlern Schwung, mehr Ideenreichthum und Idealität finden, als bei Göthe „dem Einzigen". Man wird gewahren, daß die romantische Schule einen weit umfangreicheren Blick in die Weltliteratur eröffnet, als Göthe's bruchstückweises und höchst parteiisch einseitiges Gerede in Kunst und Alterthum. Man wird fühlen, daß die Calderon-Uebersetzungen eines Gries und die Shakespeare-Uebersetzungen eines A. W. von Schlegel denn doch mehr geistigen Gehalt bieten, als Dünger-Commentare zu Prometheus und Elpenor, daß es sich doch eher verlohnt, die Dramen eines Zacharias Werner und Grillparzer zu lesen, als Göthe's Großkophta und Fischerin, daß

Der Göthe-Cultus ein Hemmniß der Bildung.

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das deutsche Volk in den Lieder- und Balladenkränzen der romantischen und schwäbischen Dichterschule sicherlich einen weit reicheren Schatz von Poesie besitzt, als in den Gelegenheitsversen, welche die sogenannte Götheforschung aus vergessenen Papierkörben hervorgeholt. Wem das mechanische Getriebe der mit Papiermühle und Dampfpresse um die Wette ringenden Brodschriftstellerei noch nicht jedes poetische Gefühl abgestumpft hat, der wird in den Werken eines Tieck und Novalis, eines Brentano und Eichendorff, eines Arnim und Uhland weit mehr herzerfreuende Geistesnahrung finden, als in dem unabsehbaren alexandrinischen Formelfram, mit welchem die trostlosesten Prosaiker die Werke Göthe's überkrustet haben und welcher gleich einem riesigen Schmarozzergewächs jede wahrhaft harmonische und poetische Geistesbildung überwuchert.

Nicht bloß für Sitte und Religion, auch für die Weiterentwicklung unserer Literatur, für Geschmack, Poesie, ästhetische Bildung wird es der größte Gewinn sein, wenn an die Stelle eines einseitigen Göthe-Cultes wieder ein maßvolles Studium seiner Werke tritt.

Anstatt der schockweise aufsprießenden, größtentheils flachen, gedankenarmen und poesielosen Schriften über Göthe wird man. wenigstens wieder Göthe selbst lesen - und das wird schon ein wirklicher Vortheil sein. Denn Göthe hat wenigstens Geist, Poesie, genialen Schönheitssinn und jene feine, formelle Bildung, welche die heutige Göthe-Literatur nur in den seltensten Fällen verräth. Meist feiert sie den Abgott des modernen Geschmacks in der allergeschmacklosesten Weise.

Unter den Schriften Göthe's wird man jene vernachlässigen, welche ihrem Inhalt oder ihrer Form nach nur von untergeordnetem Werthe sind, wie seine Farbenlehre, seinen Benvenuto Cellini, seine zahllosen Fragmente, seine mittelmäßigen kleinen Dramen und jenen ganzen bunten Kram unvollendeter Kleinigkeiten, von welchem die Commentatoren zehren und welcher nur durch ihre ,,breiten Bettelsuppen" verständlich wird.

Briefwechsel wie jener Göthe's mit Schiller, mit den beiden

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Vernünftiges Studium Göthe's.

Humboldt, mit Sulpiz Boisserée, mit dem Grafen Reinhard werden immer ihren literarischen Werth behalten; aber Briefwechsel wie jener mit der Frau von Stein, sind ein Skandal und jener mit der Welarer Lotte und mit Marianne von Willemer eine Lächerlichkeit. Die Suche vollends nach jedem Geschäftsbrief und Waschzettel wird man jenen überlassen, denen jeder Sinn für Poesie abhanden gekommen ist.

Hat man einmal gewagt, nicht Alles an und von Göthe für göttlich zu halten, sondern das Einzelne nach objectiven Normen zu prüfen, Form und Gehalt, Idee und Ausdruck, Vorzüge und Schwächen, Gutes und Verwerfliches zu unterscheiden, so wird man seine bedeutenderen Kunstleistungen mit mehr Urtheil, mit mehr Verständniß und deßhalb auch mit mehr geistigem Gewinn in sich aufnehmen. Iphigenie, Tasso, Hermann und Dorothea werden immer Muster eines feinen, künstlerisches Geschmackes, wenn auch keineswegs die höchsten Vorbilder dramatischer und epischer Kunst bleiben. Der Faust, Göthe's Romane und seine Selbstbiographie sind höchst merkwürdige Kunstschöpfungen, bedeutende Spiegelbilder der modernen Cultur; sittlich gereifte, gründlich gebildete und charakterfeste Männer werden ohne Gefahr Nutzen daraus ziehen können. Welchen Gewinn aber die Römischen Elegien, der Westöstliche Divan und Göthe's Liebes

1 In Bezug auf „Iphigenie“ bemerkt Bischof Efaias Tegnér, der größte der schwedischen Dichter, gewiß kein voreingenommener Kritiker, daß dieses Steinbild" ihn, troß aller formellen Schönheiten, kalt lasse und keineswegs, wie es die Poesie thun sollte, von der Erde zum Himmel emporziehe, sondern bloß aus dem Norden nach Griechenland verseße: „Hvem beundrar icke den sköna, enkla, ädla, helleniska formen? Och likväl hvem har någonsin känt sitt inre uppvärmdt af denna stenbild? Den flyttar oss ikke, som poësien bör, från jorden till himlen, utan endast från Norden till Grekland. Ingen lefvande ande är inblåst i denna näso, de stirrande ögonen se på mig utan lif och rörlighet, der klappar intet hjerta under den grekiskt rundade marmorbarmen." Esaias Tegnérs Samlade Skrifter. Stockholm 1872. IV. 304.

Rückkehr zu den christlichen Idealen.

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poesie überhaupt bieten soll, ist schwer zu sagen; die schöne Form ist hier an einen ihrer unwürdigen Stoff verschwendet.

Wie die Ueberschätzung Göthe's im Grunde nur auf Oberflächlichkeit, Beschränktheit und seichter. Modebildung beruht, so weist ein ernsteres Studium seiner Werke naturnothwendig darauf hin, daß er der größte der Dichter durchaus nicht ist, daß es im Reiche der Poesie überhaupt keine Monarchie gibt. So wenig Göthe als Epiker über Homer, Virgil, Wolfram von Eschenbach, Milton, Tasso, Camoëns steht, ebenso wenig erschwingt er sich als Dramatiker über Sophokles, Shakespeare, Lope, Calderon und Schiller. Als Romanschriftsteller hält er sich kaum neben Cervantes, Walter Scott, Manzoni; als Komödiendichter ist er unendlich weit hinter Aristophanes und Molière zurückgeblieben. So wenig unsere moderne Cultur sich in idealer Hinsicht über jene des christlichen Mittelalters erhebt, so wenig überflügelt Göthe's Faust das große Weltgedicht Dante's.

Manchem wäre es freilich lieb, wenn Weimar schon die ganze Welt und Göthe ihr alleiniger Gott und König wäre. Aber es ist noch nicht so weit. Der alte Gott lebt noch und hat im Reiche der Poesie und Kunst die Gaben in ebenso wunderbarer Mannigfaltigkeit ausgetheilt, als in anderen Bereichen seiner Schöpfung.

Unsere Philosophie ist längst von den Systemen abgekommen, welche Fichte, Schelling, Hegel in Göthe's Jena ausgebrütet haben; wir studiren wieder Thomas von Aquin und die anderen großen Denker der christlichen Vorzeit. Warum sollte eine solche Wendung auf dem Gebiete der Literatur unmöglich sein? Sollen Pantheismus, heidnische Naturauffassung und epikuräische Lebensweisheit hier ruhig weiterherrschen, während sie auf rein philosophischem Gebiete längst überwunden sind? Nein, das kann und darf nicht sein. Auch hier wird das Heidenthum wieder den christlichen Idealen das Feld räumen müssen. Christus vincit. Christus regnat. Christus imperat!

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