ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Der Fürstencongreß zu Erfurt.

45

Unterdessen rückte der Fürstencongreß von Erfurt heran. Das Statthalter-Palais Dalbergs, wo Wieland, Göthe, Schiller, Herder und die anderen Genies so manchen Besuchsabend verplaudert hatten, sollte den mächtigsten Herrscher Europa's be herbergen. Alle Fürsten Europa's sollten sich um ihn versammeln. Französische Decorateurs erschienen, um die vielthürmige Kleinstadt aufzuputzen. Die berühmtesten Schauspieler von Paris kamen, um vor einem Parterre von Königen und Fürsten zu spielen. Alle Rheinbundsstaaten bis auf die kleinste Souveränität herab wurden durch ihre Fürsten oder ihre Thronerben vertreten. Preußen hatte den Prinzen Wilhelm, Oesterreich den General Vincent geschickt. Am 27. September 1808 kam Napoleon an und traf noch am selben Tage mit dem Kaiser Alerander und dem Großfürsten Constantin zusammen. Seit den Zeiten des Mittelalters war kaum mehr ein so großartiger Fürstentag gehalten worden. Doch kein deutscher Kaiser hatte ihn berufen, sondern der korsische Empor kömmling, der Sohn der Revolution, der die alten, ehrwürdigen Fürstengeschlechter verachtete und sie, an der Seite des russischen Autokraten, sehr von oben herab behandelte 1.

Während Göthe Napoleon bewunderte, Voigt jede Auflehnung gegen seine Gewaltherrschaft für Vermessenheit hielt, trug der Herzog nur widerwillig das fremde Joch 2. Er berief noch 1808 den Herrn von Müffling in seine Landesregierung, der als preußischer Offizier und Unterquartiermeister den Rückzug von 1806 mit ihm gemacht und die Franzosen gründlich haßte. Voigt sah ihn nicht gerne. Niemand wußte, daß er hauptsächlich dazu angestellt war, die Erregung und Bewegung gegen Napoleon im Geheimen zu schüren und den verstreuten Elementen einen Vereinigungspunkt zu geben. So stellte wenigstens Müffling selbst seine Aufgabe dar. „Von Weimar aus,“ sagte er,

1 Vgl. Häusser, Deutsche Gesch. III. 195-200.- A. Schöll, Karl-August-Büchlein. S. 124. Friedr. von Müller, Erinne= rungen. S. 217 ff.

2. Jahn, Göthe's Briefe an Voigt. S. 96 ff.

46

Ein Parterre von Königen.

wurden die Schwachen ermuthigt, der Haß gegen den Tyrannen genährt und manches ohne Aufsehen vorbereitet, was 1813 beim Ausbruche des Krieges sich als ächt deutsches Element zeigte.“ 1 Auch die Badereisen des Herzogs nach Karlsbad und Teplitz sollen nach seiner Versicherung in diesem Sinne ausgenüßt worden sein.

Auf dem Fürstencongreß war begreiflicher Weise nichts von solcher Gesinnung zu spüren. Der Herzog verschwand unter den übrigen Vasallen des französischen Kaisers. Wurde doch die Wache, als sie den König von Württemberg mit dreifachem Trommelzeichen begrüßen wollte, von dem Offizier angeschrieen: Still! Es ist ja bloß ein König! Taisez-vous, ce n'est qu'un roi!

Göthe, der früher in Weimar kein Gehör bei Napoleon hatte finden können, wollte anfänglich von den Festlichkeiten, die mit dem Congreß verbunden waren, nichts wissen. Aber der Herzog schickte am 29. nach ihm. Nun kam er und interessirte sich an dem merkwürdigen Schauspiel. Besonders zog ihn das französische Theater an. Am 29. wurde Racine's „Andromache", am 30. dessen „Britannicus", am 3. October Voltaire's „Oedipus“ gegeben. Göthe war über die Leistungen der Schauspieler in heller Begeisterung. Dazu Stücke, welche zu den bedeutendsten der französischen Bühne gerechnet wurden und ein „Parterre von Königen"!

Den Königen und Fürsten erwies Napoleon wenig Artigkeit. Dem Kaiser Alexander ersparte er die Demüthigung nicht, in seiner Gegenwart die Tapfersten eines französischen Regiments, das 1807 gegen die Russen gekämpft, vor sich kommen und sich ihre Heldenthaten erzählen zu lassen. Dagegen entsprach es seiner Politik, die gleich ihm aus dem Bürgerstande aufgekommenen literarischen Berühmtheiten etwas auszuzeichnen. Sie waren nicht so zahlreich wie die kleinen deutschen Souveräne und hatten von jeher eine gute Dosis französischer Gesinnung an den Tag

1 Müffling, Aus meinem Leben. S. 18 ff.

Die Franzosenfreunde Göthe und Wieland.

47

gelegt. Von der ganzen frühern weimarischen Herrlichkeit waren eigentlich nur noch Zwei übrig: der Eine war Wieland, wie Göthe ihn genannt hatte, le doyen de la littérature allemande, 75 Jahre alt, einst der unermüdliche Nachahmer des Mercure de France und der französischen Salonliteratur, der begeisterte Prediger der französischen Revolutionsideen und der gestrenge Richter der französischen Revolution, jezt ein gebrochener Greis, den Göthe und sein Kreis mehr oder weniger als eine überlebte Größe behandelten und über den längst die komische Edictalvorladung der Romantiker ergangen war, der sich aber nicht als falschen Propheten erwiesen hatte, wenn er früher den Sieg Frankreichs von Bonaparte erwartete. Der Andere war Göthe, schon nahezu ein Sechziger, nach gewöhnlicher Berechnung auch über die Jahre hinaus, in welchen ein Schriftsteller große Erfolge zu erzielen pflegt. Seine der classischen französischen Bühne nahestehenden Leistungen „Tasso“ und „Iphigenie“ und sein moderner Wilhelm Meister" waren noch nicht viel über die Grenzen Deutschlands hinausgedrungen. Napoleon scheint ihn nur als Dichter des „Werther“ und „Göß“ gekannt zu haben also bloß den jungen stürmischen Göthe, der, Shakespeare nacheifernd, alle Schranken der Kunst durchbrach, nicht den alten Geheimrath, dem vor lauter Kunstgeheimnissen die eigene Poesie beinahe zum Geheimniß geworden war, der Voltaire und Diderot übersetzte und die griechischen Göttinnen ähnlich verehrte, wie sie in Paris immer verehrt worden waren.

[ocr errors]

Seine Audienz bei Napoleon hat Göthe erst nach vielen Jahren, den 15. Februar 1824, skizzirt1. Am 2. October 11 Uhr Vormittags wurde er zu dem Kaiser gerufen, der, eben beim Frühstück, sich mit Talleyrand und Daru über Contributions

1 Kanzler Müller trieb ihn dazu an. Am andern Morgen schrieb ihm Göthe: „Sie haben mir gestern einen Floh hinters Ohr gesett, der mich nicht schlafen ließ. Ich stand um fünf Uhr auf und ent= warf die Skizze jener Unterredung mit Napoleon. Zur Strafe aber, daß Sie mich dazu verleitet, secretire ich mein Produkt." — Burkhardt, Göthe's Unterhaltungen mit Müller. 1871. S. 80. 81.

48

Göthe's Audienz bei Napoleon.

Angelegenheiten unterhielt. Göthe blieb in respectvoller Entfernung, bis ihn der Kaiser herbeiwinkte.

„Nachdem er mich aufmerksam angeblickt, sagte er: „Vous êtes un homme. Ich verbeuge mich.

[ocr errors]
[blocks in formation]

Ihr habt Trauerspiele geschrieben.
Ich antwortete das Nothwendigste.

Hier nahm Daru das Wort, der, um den Deutschen, denen er so wehe thun mußte, einigermaßzen zu schmeicheln, von deutscher Literatur Notiz genommen; wie er denn auch in der lateinischen wohlbewandert und selbst Herausgeber des Horaz war.

Er sprach von mir, wie etwa meine Gönner in Berlin mochten gesprochen haben; wenigstens erkannt' ich daran ihre Denkweise und ihre Gesinnung.

Er fügte sodann hinzu, daß ich auch aus dem Französischen übersetzt habe, und zwar Voltaire's Mahomet.

Der Kaiser versezte: Es ist kein gutes Stück 2, und legte sehr umständlich auseinander, wie unschicklich es sei, daß der Weltüberwinder von sich selbst eine so ungünstige Schilderung mache.

Er wandte sodann das Gespräch auf den Werther, den er durch und durch mochte studirt haben. Nach verschiedenen ganz richtigen Bemerkungen bezeichnete er eine gewisse Stelle und

1 Göthe's Werke [Hempel]. XXVII. 323 ff. 553 ff. Vgl. A. Schöll, Göthe in den Hauptzügen seines Lebens und Wirkens. 1882. S. 467-484 (Dichter und Eroberer).

2 Wie Göthe Boisserée erzählte, sagte Napoleon geradezu: „Mahomet est une mauvaise pièce", und Göthe meinte dazu : „Er, der ein anderer Mahomet war, mußte sich wohl darauf _ver= stehen." Sulpiz Boisserée. I. 265.

3 Welche, hat Göthe selbst dem Freund Eckermann nicht einmal verrathen wollen (Gespräche III. 28); doch fand „der Alles besser wissende Dünger" sogar zwei Stellen für eine. S. Schöll, Göthe. S. 482.

Napoleon über Werther und Mahomet.

49

sagte: Warum habt Ihr das gethan? es ist nicht naturgemäßʻ; welches er weitläufig und vollkommen richtig auseinanderseßte.“

Göthe entschuldigte sich, indem er dem Kaiser zugleich über seinen literarischen Scharfblick ein Compliment machte.

„Der Kaiser schien damit zufrieden, kehrte zum Drama zurück und machte sehr bedeutende Bemerkungen, wie Einer, der die tragische Bühne mit der größten Aufmerksamkeit gleich einem Kriminalrichter betrachtet und dabei das Abweichen des französischen Theaters von Natur und Wahrheit sehr tief empfunden hatte.

So kam er auch auf die Schicksalsstücke mit Mißbilligung. Sie hätten einer dunklern Zeit angehört. Was, sagte er,,will man jetzt mit dem Schicksal? Die Politik ist das Schicksal.""

Nachdem das kurze Literaturgespräch eine Weile durch politischmilitärische Conversation des Kaisers mit Daru und Marschall Soult unterbrochen, stand der Kaiser plötzlich auf und wandte sich wieder zu Göthe.

"Indem er jenen den Rücken zukehrte und mit gemäßigter Stimme zu mir sprach, fragte er, ob ich verheirathet sei, Kinder habe und was sonst Persönliches zu interessiren pflegt; ebenso auch über meine Verhältnisse zu dem fürstlichen Hause, nach Herzogin Amalia, dem Fürsten, der Fürstin und sonst; ich antwortete ihm auf eine natürliche Weise. Er schien zufrieden und übersetzte sich's in seine Sprache, nur auf eine etwas entschiedenere Art, als ich mich hatte ausdrücken können.

„Dabei muß ich überhaupt bemerken, daß ich im ganzen Gespräch die Mannichfaltigkeit seiner Beifallsäußerung zu bewundern hatte, denn selten hörte er unbeweglich zu, entweder er nickte nachdenklich mit dem Kopfe, oder sagte Oui oder C'est bien oder dgl.; auch darf ich nicht vergessen zu bemerken, daß, wenn er ausgesprochen hatte, er gewöhnlich hinzufügte: ,Qu'en dit Mr. Göt?""

Damit hatte die weltgeschichtliche Unterredung vorläufig ihr Ende. Die zwei folgenden Tage hatte Göthe als Theaterchef viele Sorge, weil Napoleon nach Weimar hinüberkommen und die Schauspieler des Théâtre français auch dort eine Vorstellung geben lassen wollte. Am 6. war große Treibjagd in

Baumgartner, Göthe. III. 2. Aufl.

3

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »