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„Cäsars Tod" auf der Weimarer Bühne.

der Nähe von Weimar, dann Festessen, Theater und Hofball. Es wurde Voltaire's „Tod des Cäsar“ aufgeführt, ein in Paris polizeiwidriges Stück, das aber Napoleon vor den guten Deutschen für weniger gefährlich hielt 1. Bei dem Ball ließ er nach kurzer Begrüßung den Kaiser Alexander stehen und suchte nochmals Göthe auf. Wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit redete er ihm zu, daß er nicht Shakespeare, sondern die classische Tragödie nachahmen sollte: „Je suis étonné qu'un grand esprit comme vous n'aime pas les genres tranchés... Das Trauerspiel sollte die Lehrschule der Könige und der Völker sein; das ist das Höchste, was der Dichter erreichen kann." Ferner soll er ihm noch gesagt haben:

„Sie sollten den Tod Cäsars auf eine vollwürdige Weise großartiger als Voltaire schreiben. Diese Arbeit könnte Ihre Hauptlebensaufgabe werden. In dieser Tragödie müßte man der Welt zeigen, wie Cäsar die Menschheit hätte glücklich machen können, wenn man ihm Zeit gelassen hätte, seine weitausschauenden Pläne zu verwirklichen . . . Kommen Sie nach Paris! Ich fordere das von Ihnen. Da werden Sie einen viel weitern Kreis für Ihren beobachtenden Geist finden, da werden Sie ungeheures Material für Ihre poetischen Schöpfungen finden."

Wieland war den Festlichkeiten in Erfurt fern geblieben; er war zu alt. Einen Monat zuvor hatte der gemüthliche Schwabe folgenden Rückblick auf sein Leben geworfen 3:

"Ich habe zwar in vollen 75 Jahren Gottlob! kein glänzendes, noch sonderliches Glück gemacht; sondern auch das herzdrückende Schicksal erfahren, alle Freunde und Freundinnen meiner Jugend und meiner besten Jahre zu überleben. Aber demungeachtet

1 Er soll zur Herzogin Luise gesagt haben: „Étrange pièce, ce César! Pièce républicaine! J'espère que cela ne fera aucun effet ici." Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette. S. 348. 2 S. Müller, Erinnerungen. S. 240. Thiers, Histoire du Consulat etc. Liv. 32. - Lewes (Frese). II. 431.

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3 H. Döring, Chr. M. Wielands Biographie. 1853. S. 146.

Wieland in seinen alten Tagen.

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verdanke ich der Mutter Natur eine so glückliche Organisation. und Sinnesart, und meinem guten Genius so manche glückliche Ereignisse, und ein so freundlich schönes Gewebe der 27 593 Tage (die Schalttage mit eingerechnet), daß ich mich nicht zu täuschen. glaube, wenn ich gegen einen trüben und stürmischen Tag, womit die Parzen mich nicht verschonen konnten oder wollten, vierzehn heitere und vergnügte Tage eines so frohen Lebensgenusses zähle, als ein Sterblicher, ohne thörichte Forderungen an den Himmel zu machen, von diesem unvollkommenen Erdenleben nur immer verlangen kann. Denn für mich sind die Gefühle, worin sich ein Tropfen Bitterkeit mit dem Süßen vermischt, immer die angenehmsten."

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Wie Göthe, wurde auch er zu dem großen Gala-Diner und zum Hofball eingeladen, fühlte sich aber nicht wohl genug1. Dagegen konnte er der Lust nicht widerstehen, die Pariser Schauspieler zu sehen. Er wohnte dem Tode Cäsars" bei, in einer Seitenloge, in welcher sonst der Herzog dem Schauspiel beizuwohnen pflegte. Napoleon sah da den einfach gekleideten Greis mit seinem Sammetkäppchen und fragte, wer es sei. Als er hörte, daß es Wieland sei, wollte er ihn durchaus sehen.

„Nun war kein anderer Rath," erzählt Wieland selbst, „als mich in den Hofwagen, der mir geschickt wurde, zu sehen und — in meinem gewöhnlichen accoutrement, eine Calotte auf dem Kopf, ungepudert, ohne Degen und in Tuchstiefeln (übrigens anständig costumirt) im Tanzsaal zu erscheinen. Es war gegen halb eilf Uhr. Kaum war ich etliche Minuten dagewesen, so kam Napoleon von einer andern Seite des Saales auf mich zu. Die Herzogin präsentirte mich ihm selbst, und er sagte mir ganz leutselig — das Gewöhnliche, indem er mich zugleich scharf ins Auge faßte. Schwerlich hat wohl jemals ein Sterblicher die Gabe, einen Menschen gleich auf den ersten Blick zu durchschauen, in höherm Grade besessen, als Napoleon. Er sah, daß ich, meiner leidigen Celebrität zum Troß, ein schlichter, anspruchsloser, alter Mann

1 Ebds. S. 147 ff.

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Wielands Gespräch mit Napoleon.

war, und da er, wie es schien, für immer einen guten Eindruck auf mich machen wollte, so verwandelte er sich augenblicklich in die Form, in welcher er sicher sein konnte, seine Absicht zu er reichen. In meinem Leben habe ich keinen einfacheren, ruhigeren, sanfteren und anspruchsloseren Menschensohn gesehen. Keine Spur, daß der Mann, der mit mir sprach, ein großer Monarch zu seyn, sich bewußt war. Er unterhielt sich mit mir wie ein alter Bekannter mit seines Gleichen, und was noch keinem Andern meines Gleichen wiederfahren war, an anderthalb Stunden lang in Einem fort, und ganz allein, zum großen Erstaunen aller Anwesenden. Da ich ein sehr ungeübter, schwerzüngiger französischer Orateur bin, so war es glücklich für mich, daß er gerade in der Laune war, viel zu sprechen, und die frais de la conversation fast allein auf sich nahm. Es war nahe an zwölf Uhr, als ich endlich zu fühlen anfing, daß ich das Stehen nicht länger ertragen könne. Ich nahm mir also eine Freiheit heraus, die sich schwerlich irgend ein anderer Deutscher oder Franzose unterstanden hätte. Ich bat Se. Majestät, mich zu entlassen, weil ich mich nicht stark genug fühle, das Stehen länger auszuhalten. Er nahm es sehr gut auf. ‚Allez donc,' sagte er mit freundlichem Ton und Miene,,allez! bon soir!""

Das lange Gespräch drehte sich erst um Wielands Schriften, dann um geschichtliche Fragen. Wieland sollte sagen, welches Zeitalter er für das glücklichste halte. Als Wieland ausweichend antwortete, ging Napoleon gegen Tacitus los: die römischen Kaiser seien lange nicht so schlecht gewesen, als Tacitus sie geschildert. Darauf kam er auf den Einfluß der Griechen und auf das Christenthum zu sprechen. Wieland fragte Napoleon, weßhalb der Cultus, den er in Frankreich reformirt habe, nicht philosophischer und dem Geiste unserer Zeit nicht angemessener ausgefallen sei". Napoleon antwortete: „Ja, mein lieber Wieland, für Philosophen ist er auch nicht gemacht, denn die Philosophen glauben weder an mich, noch an meinen Cultus, und den Leuten, die daran glauben, kann man nicht Wunder genug thun. Wenn ich einmal eine Religion für Philosophen stiften könnte,

Das Kreuz der Ehrenlegion.

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die sollte freilich anders beschaffen sein." In dem weitern Ge: spräch über Religion machte Napoleon den Skeptiker und ging so weit, die wirkliche Existenz Christi zu bezweifeln. Das war Wieland doch zu arg; er vertheidigte sie mit Lebhaftigkeit.

"Ich weiß wohl, Sire, daß es einige Unsinnige gab, die daran zweifelten, aber es kommt mir ebenso thöricht vor, als wollte man bezweifeln, daß Julius Cäsar gelebt und Ew. Majestät leben.“

„Gut, gut," erwiederte Napoleon, die Philosophen quälen sich ab, Systeme aufzubauen, aber sie suchen vergeblich ein besseres, als das Christenthum, durch welches der Mensch mit sich selbst versöhnt und zugleich die öffentliche Ordnung und die Ruhe der Staaten gleich stark verbürgt wird, wie das Glück und die Hoffnung der Individuen." 1

Das Gespräch Wielands mit Napoleon war somit in jeder Hinsicht bedeutender und gehaltvoller, als dasjenige Göthe's. Göthe war am andern Tag so müde, daß er, als er einen Besuch bei Frau von Stein machte, sofort einschlief und fortschlief, bis die bei ihr versammelte Gesellschaft wieder fort war.

Am 7. October war wieder große Jagd zwischen Apolda und Jena, auf der Höhe des Landgrafenberges, von wo aus Napoleon zwei Jahre zuvor die Schlacht von Jena befehligt hatte. In Begleitung des Prinzen Wilhelm besuchte er das Schlachtfeld. Er soll dabei, nach dem Berichte Müfflings 2, nur durch seinen. Begleiter einem Attentate entgangen sein, das zwei preußische Reiter auf ihn vor hatten. Sie lauerten im Webicht, dem nächsten Wald bei Weimar, mit Musqueten unter dem Mantel auf den Vorbeireitenden. Als sie jedoch den preußischen Prinzen. an Napoleons Seite erblickten, entsank ihnen Muth und Entschluß.

In den nächsten Tagen regnete es Sterne und Ordensbänder. Sowohl Göthe als Wieland erhielten am 14. October von Napoleon das Kreuz der Ehrenlegion, von Kaiser Alexander den St. Annenorden. Was Göthe mit Napoleon eigentlich

1 Müller, Erinnerungen. S. 251.

2 Müffling, Aus meinem Leben. S. 27.

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gesprochen, konnte Frau von Stein in den nächsten Tagen nicht erfahren: es hieß, er sei zufrieden, wolle aber die Unterredung geheimhalten. Daß Napoleon aber zu seiner Umgebung von ihm gesagt habe: Voilà un homme! verbreitete sich bis zu dem Grafen von Reinhard, der damals in Frankfurt war. Er schrieb wenigstens: „Von Ihnen soll der Kaiser gesagt haben: Voilà un homme! Ich glaube es; denn er ist fähig, dieß zu fühlen und zu sagen." 1

Göthe antwortete:

„Also ist das wunderbare Wort des Kaisers, womit er mich empfangen hat, auch bis zu Ihnen gedrungen! Sie sehen daraus, daß ich ein recht ausgemachter Heide bin, indem das Ecce homo in umgekehrtem Sinne auf mich angewendet worden. Uebrigens habe ich alle Ursache, mit dieser Naivetät des Herrn der Welt zufrieden zu seyn." 2

Auf die theatralische Verherrlichung sollte indeß bald eine peinliche Ernüchterung folgen. Weimar sank nach den meteor haften Festlichkeiten bald wieder in seine alltägliche Kleinheit zurück. Aber nicht einmal in seinem winzigen Königreiche von Mineralien, Gypsabgüssen, Münzen, Büchern, Pflanzen, Musikalien, Schauspielern und Schauspielerinnen blieb Göthe's Königthum nunmehr unangefochten.

Die Schauspielerin Karoline Jagemann hatte, seitdem sie des Herzogs „Freundin“ geworden, zahlloses kleines Unheil an der Bühne angerichtet, anderen Schauspielerinnen ihre Rollen weggekapert, sie durch ihren Hochmuth verlegt, in alles Mögliche hineingeredet und hineinregiert. Sie wagte sich endlich auch an Göthe, nicht unmittelbar, aber indem sie gegen ihn intriguirte 3.

1 Briefwechsel zwischen Göthe und Reinhard. Stuttgart 1850. S. 43. 2 Ebds. S. 44.

3 E. Pasqué, Göthe's Theaterleitung in Weimar. Leipzig 1863. II. 169-185. „Aus den die Jagemann betreffenden Theilen dieser Briefe geht zur Genüge hervor, wie die Künstlerin, gleich nach ihrem Eintritt in den Weimarer Kreis, verleitet durch

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