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Die „Oberaufsicht“ über Kunst und Wissenschaft. sämmtliche Landeskassen wurde eine permanente einheitliche Behörde, das Landschaftscollegium, eingeseßt, die frühere Kriegscommission mit diesem verschmolzen. Generallandschaftsdirector wurde Voigts alter Freund, Herr von Ziegesar, Vicepräsident des neuen Collegiums Herr von Müffling.

Göthe wurde von diesen kleinen Staatsveränderungen nur insofern betroffen, als im Laufe des Jahres 1809 auch sein Geschäftsbereich genauer abgegrenzt und einheitlicher organisirt wurde. Derselbe umfaßte die Oberaufsicht über die Bibliothek, das Münzcabinet, die freie Kunstschule, die Gemälde- und Kupferstichsammlung in Weimar, das lithographische Institut und die Zeichenschule in Eisenach, dann die zoologischen, botanischen, mineralogischen, anatomischen, physikalisch-chemischen Cabinete, den botanischen Garten, die Sternwarte und die Thierarzneischule in Jena, und endlich kraft besondern Auftrags der höchsten Erhalter der Universität Jena — die dortige akademische Bibliothek. Diese Institute hatten früher ihre besonderen Behörden gehabt, wurden aber jezt einer einheitlichen Verwaltung unterstellt, der „Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst“. „Die einzelnen Etats wurden verschmolzen, und es hing von dem Ermessen der Oberaufsicht ab, wo jedesmal, nach Vorkommen der Umstände, Verwendungen gemacht, und diesem oder jenem Zweige nachgeholfen werden sollte; welches bei lebendiger Uebersicht und vorurtheilsfreien Gesinnungen um desto möglicher war, da der Fürst nicht sowohl Vorschläge zu dem, was geschehen sollte, verlangte, als vielmehr gern von dem, was geschehen war, berichtliche und persönliche Kenntniß nahm." 1

Bis zum Jahre 1819 führte Göthe diese „Oberaufsicht“ gemeinschaftlich mit seinem Freunde Gottlob Christian von Voigt, dann allein, nur mit stellvertretender oder sonstiger Hilfe seines Sohnes und des Dr. C. Vogel, der später Göthe's Amtsleben zuerst

1 Tages- und Jahreshefte, 1809. Göthe's Werke [Hempel]. XXVII. 188. Dr. C. Vogel, Göthe in amtlichen Verhältnissen. Jena 1834. S. 6 ff.

Göthe's Verdienste in diesem Geschäftskreis.

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beschrieben hat. So dilettantisch auch die Art und Weise war, in welcher Göthe früher die verschiedenen Zweige der Naturwissenschaft und der schönen Künste betrieben hatte, so hatte er doch, theils spielend, theils forschend, im Laufe von mehr als dreißig Jahren ein buntes, mannigfaltiges Detailwissen in allen Zweigen derselben aufgespeichert. Manche jener Anstalten dankten seinem Sammelfleiß ihr Entstehen, andere ihre Bereicherung und glückliche Entwicklung. Mit seinem mehr zersplitterten als einheitlichen Wissen, seiner Sammellust, seiner methodischen Ordnungsliebe, seinem empirischen Forschertrieb und seiner Künstlerfreude am Schönen, war er für eine solche Mittelstellung zwischen Hof und Wissenschaft eine überaus geeignete Persönlichkeit. Sein Ruf zog tüchtige Leute an. Als gewandter Weltmann wußte er sowohl bei Hofe die Interessen der Kunst und Wissenschaft anregend zu vertreten, als auch für die Beamtungen die richtigen. Kräfte ausfindig zu machen und sie praktisch zu leiten. Was man auch über seine wissenschaftlichen und Kunstanschauungen denken mag, praktischen Blick, reiches Wissen und musterhafte Amtsführung in jener ihm so recht völlig entsprechenden Sphäre hat ihm Niemand abgestritten. Mit Theologie und Philosophie kam er da höchstens nebenher in Berührung; sein Amtskreis umfaßte zunächst das moderne Realwissen, besonders die Medicin, die Naturwissenschaften, Philologie, Literatur und Kunst. Da war es von Nußen, daß er für alle Fächer Interesse hatte, keines nach Art eines gründlichen Fachmannes einseitig begünstigte. Sein Wirken hat nicht wenig dazu beigetragen, daß Weimar und Jena heute so reiche und bedeutende Sammlungen besigen1. Ihm allein das zuzuschreiben, ist aber eitel Ruhmrednerei. Eine ganze Schaar tüchtiger Fachgelehrter, Bibliothekare, Custoden, Gehilfen und Schreiber haben den Löwenantheil an der Arbeit, Göthe aber den Löwenantheil am Ruhm und Nutzen gehabt.

1 Die Großherzogliche Bibliothek in Weimar zählt jezt über 170 000 Bände, nebst einer werthvollen Handschriftensammlung, einer Militärbibliothek von 6000 Bänden und 7500 Landkarten. Die Universitätsbibliothek von Jena zählt 200 000 Bände u. s. w.

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Während er sich in seinem Geschäftsleben eher zum Pedantismus als zur Nachlässigkeit hinneigte, gegen Fernerstehende eine steife, förmliche, oft ablehnende Haltung annahin, bewahrte er in seinem dichterischen Geistesleben eine wahrhaft jugendliche Frische und Munterkeit, im Kreise seiner Freunde die angenehmste Geselligkeit. In einem Alter, wo selbst den zähesten Lebemännern mit Kraft und Muth auch die Thorheiten der Jugend zu ver gehen pflegen, an der Schwelle des Greisenalters begann er abermals von Neuem jenes Spiel der „Liebe“, dem er nahezu sein ganzes Leben lang nachgehangen, und machte noch einmal „Werthers" Leiden durch, allerdings nicht mehr in jenem brausenden, stürmischen Ungestüm, aus welchem die Dichtungen der Genieperiode hervorgequollen waren, doch mit einer Tiefe der Leidenschaft, welche immerhin noch an jene Gluth der Jugend erinnert.

Sein Verhältniß zu Minna Herzlieb, der Pflegetochter des Buchhändlers Frommann 1 in Jena, wurde schon erwähnt. „Minna war" nach der Erzählung der Malerin Luise Seidler 2 „die lieblichste aller jungfräulichen Rosen, mit kindlichen Zügen, mit großen, dunkeln Augen, die, mehr sanft und freundlich als feurig, Jeden herzig unschuldsvoll anblickten und bezaubern mußten. Die Flechten glänzend schwarz, das anmuthige Gesicht vom warmen Hauche eines frischen Colorits belebt, die Gestalt schlank und biegsam, vom schönsten Ebenmaß und graziös in allen Bewegungen." „Turpe senilis amor," sagt Lessing in seinem Laokoon, „ein gieriger Blick macht das ehrwürdigste Gesicht lächerlich, und ein Greis, der jugendliche Begierden verräth, ist sogar ein ekler Gegenstand."3 Göthe dachte nicht so. Einem bejahrten Manne," sagt er in Ottiliens Tagebuch, „verdachte man, daß er sich noch um junge Frauenzimmer bemühte. Es

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1 Den Charakter der Pflegemutter Johanna, geb. Weffelhöft, zeichnen deren Räthe an eine angehende Hausfrau". - Das Frommann'sche Haus. S. 185-191.

2 Grenzboten 1874. IV. 445.

3 Lessings Werke [Hempel]. VI. 133.

Ein neuer Liebesroman.

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ist das einzige Mittel, verseßte er, sich zu verjüngen, und das will doch Jedermann." 1. Obwohl achtundfünfzig Jahre alt und erst vor Jahresfrist mit Christiane Vulpius öffentlich getraut, verliebte er sich im November 1807 und es sollte noch nicht seine letzte Liebesgeschichte sein in die achtzehnjährige Minna Herzlieb und tändelte so lange mit dieser Liebe herum, bis sie sich, wenn auch ohne äußeres Aergerniß, doch für sein Gemüthsleben zum völligen Roman gestaltete 2. Der Anfang war offenbar Spielerei. In den Abendzirkeln bei Frommanns wurden Sonette von Klinger, A. W. Schlegel, Gries und Zacharias Werner vorgelesen. Göthe hatte bis dahin diese künstliche Form wenig gepflegt. Er dichtete nun Sonette, ein Dußend in Jena, nachher noch fünf in Weimar, zierliche Dingerchen, wahre Muster der schwierigen Form, aber wieder sämmtlich Liebesgedichte *. Eines sprach den Namen der Geliebten aus, ein anderes feierte ihn als Charade. Ein Platoniker war Göthe einmal nicht. Die Tändelei ward Ernst, und als er von Jena scheiden mußte, war ihm ganz ähnlich zu Muthe, wie einst, als Merck ihn von den Butterbroden Lotte's und dem Mondschein zu Wezlar hinwegholte. Er hatte den Hamen einer unglücklichen Liebe tief im Herzen und konnte ihn so leichten Kaufes nicht wieder los werden.

Wie lange Göthe dieser folternden Träumerei nachgehangen, ob auch sein Verhältniß zu Bettina Brentano mit in dieselbe hineingespielt, ob sie auf die späteren unglücklichen Lebensschicksale Minna's Einfluß gehabt, kurz über den ganzen Verlauf dieses

1 Göthe's Werke [Hempel]. XV. 153.

2 „Peut-être était-il d'avis qu'après avoir commis la faute de prendre une femme, il convenait de la garder, mais il n'eût pas été choqué qu'on n'en prît deux. Lui-même, tout en étant le mari de Christiane, n'éprouvait aucun scrupule d'aimer Minna Herzlieb." - A. Mézières, Revue des Deux Mondes. C. 883.

3 Ein Sonett in der „Natürlichen Tochter“, II. A. 4. Auftr., ein anderes in dem Vorspiel: „Was wir bringen."

4 Göthe's Werke [Hempel]. I. 209–218.

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Entstehungsgeschichte der Wahlverwandtschaften".

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neuen Romans fehlen alle zuverlässigen näheren Angaben 1. Es ist nur Göthe's Geständniß vorhanden, daß er an einer tiefleidenschaftlichen Wunde gekrankt habe 2, dann ein paar Sonette, welche einen ernstlichen Liebesschmerz athmen der Roman „Die Wahlverwandtschaften“ und Göthe's Versicherung: „daß darin kein Strich enthalten, der nicht erlebt, aber kein Strich so, wie er erlebt worden" 3, endlich das Geständniß Göthe's an Zelter bei Minna's Verlobung mit Pfund: „Seine Braut fing ich an als Kind von acht Jahren zu lieben, und in ihrem sechzehnten liebte ich sie mehr wie billig."

„Die Wahlverwandtschaften" reihen sich ihrer Entstehung nach an einige Erzählungen und Novellen, welche Göthe im Sommer 1807 schrieb: „Sanct Joseph der zweite“, „Die neue Melusine“, „Die pilgernde Thörin“, „Die gefährliche Wette“, „Der Mann von fünfzig Jahren“. Eine solche weitere Novelle hatte Göthe anfänglich geplant. Der Stoff," meinte er aber hinterher, „war allzu bedeutend und zu tief in mir gewurzelt, als daß ich ihn auf eine so leichte Weise hätte beseitigen können." Die Aus führung schritt während des Jahres 1808 wenig voran, um so rüstiger vom April bis Juni 1809. Am 6. Juni hoffte er, die Arbeit in etwa 14 Tagen vollenden zu können. Der Besuch des Königs Jerome nöthigte ihn indeß, im Juli für eine Woche von Jena nach Weimar zu gehen, und so wurde es October, bis sie fertig war. „Der 3. October," erzählt er, „befreite mich von

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1 Luise Seidler stellt in ihren Erinnerungen“ (Berlin, Herz, 1874) jede eigentliche Liebschaft von Seite Minna's in Abrede. F. J. Frommann (Das Frommann'sche Haus. Jena 1872) gleitet mit befremdlicher Kürze über die Thatsache hinweg, daß Minna 1808, bald nach Göthe's Sonettenwuth, von Jena weg nach Züllichau verseht wurde, gibt aber von Göthe's Seite „heftige Empfindungen“ und „leidenschaftliche Erregtheit" zu. Vgl. GötheZelter Briefwechsel. II. 53. 69.

2 Göthe's Werke [Hempel]. XXVII. 186.

3 Eckermann, Gespräche mit Göthe. 4. Aufl. Leipzig 1876.

II. 127.

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