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Der greise verliebte Epimetheus-Göthe.

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ruft Epimeleia um Hilfe. Ihr Hirt ist erschlagen. Phileros eilt zum Meere, um sich zu ertränken. Prometheus bietet seine Leute auf, ihn zu retten. Eos hilft und verkündet die Rettung.

So weit reicht das Fragment. Aus ein paar abgerissenen Worten einer weitern Skizze haben die Commentatoren ein Stück ausgedacht, das die Culturgeschichte der ganzen Welt umspannen soll. Göthe hat indeß dieses Culturbild nicht gedichtet. Was aus den ausgeführten Scenen spricht, ist Göthe's altes und immerwährendes Geständniß, daß er Kunst, Poesie, Schönheit nur in einem sinnlichen Liebesrausch zu finden weiß, sei es im seligen Besitz der Geliebten, sei es in Klage und Sehnsucht nach ihr. Der greise Epimetheus ist er, der, von Minna Herzlich getrennt, erst trauernd den Liebesträumen seiner Jugend nachhängt, dann neue Liebe hofft, in dem Liebestreiben der jüngern Generation Erinnerung und Hoffnung neu belebt und wenigstens als Dichter Lust und Leid der Liebe noch einmal durchzukosten sucht. Das ist sein Element, sein Ideal, sein Alles.

„Der Seligkeit Fülle, die hab' ich empfunden!
Die Schönheit besaß ich, sie hat mich gebunden;
Im Frühlingsgefolge trat herrlich sie an.
Sie erkannt' ich, fie griff ich, da war es gethan!
Wie Nebel zerstiebte trübsinniger Wahn,
Sie zog mich zur Erd' ab, zum Himmel hinan.

„Du suchest nach Worten, sie würdig zu loben,
Du willst sie erhöhen; sie wandelt schon oben.
Vergleich' ihr das Beste, du hältst es für schlecht.
Sie spricht, du besinnst dich; doch hat sie schon Recht.
Du stemmst dich entgegen; sie gewinnt das Gefecht.
Du schwankst, ihr zu dienen, und bist schon ihr Knecht.

„Das Gute, das Liebe, das mag fie erwiedern.
Was hilft hohes Ansehn? Sie wird es erniedern.
Sie stellt sich an's Ziel hin, beflügelt den Lauf;
Vertritt sie den Weg dir, gleich hält sie dich auf.
Du willst ein Gebot thun, sie treibt dich hinauf,
Gibst Reichthum und Weisheit und Alles in den Kauf.

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„Sie steiget hernieder in tausend Gebilden,
Sie schwebet auf Wassern, fie schreitet auf Gefilden,
Nach heiligen Maßen erglänzt sie und schallt,
Und einzig veredelt die Form den Gehalt,
Verleiht ihm, verleiht sich die höchste Gewalt;

Mir erschien sie in Jugend-, in Frauengestalt." 1

Eine platonisch-idealistische Deutung läßt dieser Hymnus nicht zu. Das ganze Fragment athmet die weichste, glühendste Liebesluft. Keine Enttäuschung, kein Verlust, nicht Alter, nicht Erfahrung, nicht die allgemeine Noth, nicht die drückenden Kriegsereignisse vermögen den Dichter in seinem Liebesrausch zu stören. Er lebt ihn in all seinen Phasen durch, und die Dichtung stockt, wie so viele andere, nachdem er seinem Herzen Luft gemacht.

Wie beim Werther fehlt auch hier das cynische Schlußkapitel wiederum nicht, obwohl Göthe es nicht in seinem Werke aufzunehmen wagte. Es übertrifft an Schlüpfrigkeit alles, was Wieland und was Göthe selbst in dieser Hinsicht geleistet haben, und gehört, troß seiner geglätteten Form, zur niedrigsten Rubrik der Literatur. Das Gedicht heißt „Das Tagebuch". Göthe selbst hielt damit zurück, weil er es für „weit verfänglicher“ hielt, als selbst die anstößigsten seiner „Römischen Elegien“ und weil er fürchtete, „der Mehrzahl guter Menschen durch eine zu große Offenheit Aergerniß zu geben“ 2. Eckermann fand das Gedicht „so ohne allen Rückhalt natürlich und wahr, daß die Welt dergleichen unsittlich zu nennen pflegt". Riemer aber, dem Göthe 1810 zu Karlsbad das Gedicht dictirte, drückt die Befürchtung aus, „die Waare“ möchte confiscirt werden, wenn sie auch besser sei, als die eines Wieland und Thümmel, und fügt bei: „ Sie ist zur Zeit noch secretirt geblieben und möge es noch lange bleiben, da die guten Deutschen keinen Spaß verstehen und Alles gleich für baren Ernst nehmen, was auch nur ein Usus Ingenii ist." 3

1 Ebds. S. 367. 368.

2 Eckermann, Gespräche. I. 82 (25. Febr. 1824).

Riemer, Mittheilungen. I. 622-624.

„Ein verborgenes Juwel von Göthe."

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Als das Gedicht 1864 herausgegeben und von Emil Kuh in der Desterreichischen Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches Leben“ feierlich als ein verborgenes Juwel von Göthe" angepriesen wurde, wiesen selbst die gewiß nicht prüden „Blätter für literarische Unterhaltung" diese unsittliche Marktschreierei zurück und verurtheilten das Bestreben, dergleichen „geheime Sünden an's Tageslicht zu fördern" 1.

auf

Als das Gedicht 1879 (mit dem Datum 1880) zu Karlsbad wieder neu aufgelegt und verbreitet wurde, fiel es der Polizei in die Hände, wurde jedoch auf Göthe's Namen hin wieder freigegeben. Zürnend erhoben sich da die „Grenzboten“ und nach ihnen die „Frankfurter Zeitung“ gegen die unfeine Speculation, durch welche eins der herrlichsten (1) Göthe'schen Gedichte zu einem zweideutigen Sensationsobject herabgewürdigt worden, die Stufe der Weinstuben- und Commisvoyageur-Literatur, auf die Stufe jener Pikantissima“, die sich Woche für Woche in den Spalten des Beiblattes zum „Kladderadatsch' herumtreiben“; ein Thautropfen sei dadurch „im Schmutze selbst zu Schmutz“ ge= worden. Es liegt indeß auf der Hand, daß unschuldige Thautropfen zu derartigen Speculationen nicht verwandt werden, und daß das Gedicht nur deßhalb unter die „Pikantissima“ gekommen ist, weil es zu denselben gehört oder nach Eckermanns Ausdruck so rückhaltlos natürlich ist, „daß die Welt dergleichen unsittlich zu nennen pflegt" und zwar mit Recht.

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1 Blätter für lit. Unterhaltung 1864. S. 921. 922.

2 Grenzboten 1879. IV. 103-109. Frankfurter Zeitung, 15. Jan. 1880.

4. Die Farbenlehre.

1808-1810.

„Eine eigentliche Theorie ist nicht in Göthe's ,Farbenlehre enthalten, wohl aber ist sie dadurch vorbereitet, und ein Streben nach ihr spricht so deutlich aus dem Ganzen, daß man sagen kann, sie werde, wie ein Septimen-Accord den harmonischen, der ihn auflöst, gewaltsam fordert, ebenso vom Totaleindruck des Werkes gefordert."

A. Schopenhauer, Ueber das Sehen u. die Farben. „Darin sind die Physiker einig, daß in Göthe's Farbenlehre nicht eine Erklärung, sondern nur eine Beschreibung von Versuchen, allerdings in meisterhafter Darstellung, gegeben sei."

W. Klinkerfues.

Das Nächste, was Göthe den „Wahlverwandtschaften" und der „Pandora" folgen ließ, war sein größtes, wissenschaftliches Werk, dasjenige, auf welches er sich fast mehr als auf seine Dichtungen zu Gute that, von welchem er den Ruhm und die Bedeutung eines bahnbrechenden Entdeckers erwartete: seine Farbenlehre.

„Auf Alles," pflegte er wiederholt zu sagen, „was ich als Poet geleistet habe, bilde ich mir gar nichts ein. Es haben treffliche Dichter mit mir gelebt, es lebten noch trefflichere vor mir, und es werden ihrer nach mir sein. Daß ich aber in meinem Jahr hundert in der schwierigsten (!) Wissenschaft, der Farbenlehre, der einzige bin, der das Rechte weiß, darauf thue ich mir etwas zu gute, und ich habe daher ein Bewußtsein der Superiorität über viele." 1

1 Eckermann, Gespräche. II. 59.

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Neben all den Liebesdichtungen nimmt sich das ernste Buch mit seinen trockenen Paragraphen wunderlich genug aus. Faust ist zum Wagner geworden, und die poetische Phantasie scheint unter prosaischen Erperimenten, Schemata und Schablonen völlig begraben zu sein. Dennoch ist dem nicht so. Das ganze Werk ist vielmehr aus Selbsttäuschungen hervorgegangen, die man nur einem Dichter einigermaßen verzeihen kann.

Weil Göthe in jungen Jahren etwas zeichnen gelernt hatte, glaubte er zum Maler berufen zu sein; weil er als Dichter mit einem reichen Schönheitsgefühl ausgestattet war, glaubte er auch Malerei, Skulptur, Architektur, ja alle übrigen Künste beherrschen zu können; weil er mit seinem lebhaft sinnlichen Naturell an der Philosophie keinen Geschmack fand, wandte er sich mit Leidenschaft den bildenden Künsten und der Naturwissenschaft zu, hoffte durch geniale Intuitionen in denselben das Geheimniß des Schönen zu ergründen, und zweifelte nicht, auf diesem ästhetisch-empirischen Wege zu einem genußreichen Verständniß des Weltalls zu gelangen, welches an Tiefe und Bedeutung alle Philosophien überflügeln würde. Mit der ersten Täuschung trug er sich an zwanzig Jahre; erst in Italien gewann er endlich durch das Zureden erfahrener und ihm wohlwollender Künstler die Ueberzeugung, daß er nicht zum Maler berufen sei. Desto fester aber klammerte er sich jetzt an die beiden damit verwandten Täuschungen an und hielt sie fest bis zum Tode. Aus ihnen ist der Plan seiner Farbenlehre erwachsen.

Licht und Farbe sind das Element der Malerei, welche Göthe nebst der Poesie und Skulptur am frühesten beschäftigte. Schon in seinen Jugendaufzeichnungen, dem „Ephemeriden“, finden sich Belege hierfür1. Dichtungen und Briefwechsel bezeugen die wachsende Neigung. Der Wunsch, die Optik von Grund aus zu studiren, scheiterte an dem Mangel mathematischer Kenntnisse und an dem unglücklichen Versuch des in Jahren vorgerückten

1 A. Schöll, Briefe und Auffäße von Göthe aus den Jahren 1766-1786. S. 79.

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