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Die Farbenlehre in schlaflosen Nächten.

Mannes, das in der Jugend Versäumte nachzuholen. Er kam nicht über die vier Species der Algebra hinaus1. Dennoch verlor er den Muth nicht, die Natur des Lichtes und der Farben so weit zu ergründen, als es zum Verständniß des Schönen in Natur und Kunst erforderlich und hinreichend ist. Man kann ja den Generalbaß meisterlich verstehen, ohne die mathematischen Undulationsprobleme theoretisch lösen zu können, auf welchen er beruht. Der Muth wuchs unter dem schönen Himmel Italiens, im Anblick der herrlichsten Malereien.

"Ich sehe," schreibt er 2, „daß ich mit einiger Uebung und anhaltendem Nachdenken auch diesen schönen Genuß der Weltoberfläche mir werde zueignen können.“ Aus Italien zurückgekehrt, beschäftigte er sich viel mit Optik und durchlief den „ganzen Kreis der Farbenlehre in schlaflosen Nächten“3. Nach der schlesischen Reise machte er jene Versuche mit den Prismen des Hofraths Büttner, welche ihn zu der plößlichen Ueberzeugung führten, Newton habe geirrt und er selbst sei berufen, vermöge dieser Entdeckung der gesammten Optik eine neue, epochemachende Wendung zu geben. Im Frühjahr und Sommer 1791 arbeitete er seine Beiträge zur Optik, Erstes Stück," aus, worin er seine Entdeckung geradezu als epochemachend bezeichnete. Die Arbeit war hart. Ich habe mir durch das optische Studium eine große Last aufgeladen,“ schrieb er dem Herzog*, „oder vielmehr der Genius hat's gethan; ich bin hineingegangen, Schritt vor Schritt, eh' ich die Weite des Feld's überjah."

Es war nicht der Genius. Eine unbesonnene Eitelkeit lenkte ihn von dem Gebiete ab, das er mit seinen Anlagen und mit fleißigem Studium allenfalls hätte beherrschen können. Anstatt sich bei den Beziehungen zu halten, welche zwischen der Optik

1 Schöll (Fielik), Göthe's Briefe an Frau von Stein. II. „Das Handwerk“ blieb außer seiner Sphäre.

321-324.

2 Göthe's Werke [Hempel]. XXIV. 481.

3 Briefwechsel des Großherzogs Karl August mit Göthe. I. 141 ff. 4 Ebds. I. 171. 172.

Rebellion gegen Newton.

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und der Malerei bestehen, sprang er in das eigentliche physikalische Gebiet über und nahm sich allen Ernstes vor, Newton ab zusetzen. Umsonst protestirten die Physiker. Er glaubte, es handle sich hier ebenso um alte Vorurtheile und blinden Autoritätsglauben, wie auf dem Gebiete der Geschmackstheorien. - Er merkte nicht, daß er hier der exacten Wissenschaft gegenüberstand. Immer tiefer verrannte er sich in seine Entdeckung und in die steife Ueberzeugung, damit noch eine wissenschaftliche Revolution hervorzurufen.

Den Gegensatz seiner vermeintlichen „Erfahrungen“ zu Newtons Lehre, wie er dieselbe auffaßte, hat er am kürzesten in einem Briefe an Fritz Jacobi, aus dem Lager bei Marienborn, unter dem 15. Juli 17931 formulirt:

Newtonische Lehre.

1. Das Licht ist zusammengesetzt: heterogen.

2. Das Licht ist aus farbigen Lichtern. zusammengeseßt.

3. Das Licht wird durch Refraction, Reflexion und Inflexion decom

ponirt.

Resultate meiner Erfahrungen.

1. Das Licht ist das einfachste, unzerlegteste,
homogenste Wesen, das wir kennen. Es ist
nicht zusammengesetzt.

2. Am allerwenigsten aus farbigen Lich-
tern. Jedes Licht, das eine Farbe an-
genommen hat, ist dunkler als das farb-
lose Licht. Das Helle kann nicht aus
Dunkelheit zusammengesetzt sein.
3. Inflexion, Refraction, Reflexion find die
Bedingungen, unter denen wir oft appa=
rente Farben erblicken; aber alle drei find
mehr Gelegenheit zur Erscheinung als
Ursache derselben. Denn alle drei Be=
dingungen können ohne Farbenerscheinung
existiren. Es gibt auch noch andere Be-
dingungen, die sogar bedeutender sind, als
3. B. die Mäßigung des Lichts, die
Wechselwirkung des Lichts auf die
Schatten.

1 Briefwechsel mit Fr. Jacobi. S. 167 ff.

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4. Es wird in fieben, vielmehr in unzählige decompo=

nirt.

5. Wie es decom= ponirt worden, fann es wieder zusammengesezt

werden.

6. Die apparenten Farben entstehen nicht durch eine Determination des Lichts von außen, nicht durch eine Modifica= tion durch Um= stände.

Weitere optische Studien.

4. Es gibt nur zwei reine Farben, Blau
und Gelb; eine Farbeigenschaft, die
Beiden zukommt, Roth, und zwei Mi-
schungen, Grün und Purpur; das übrige
find Stufen dieser Farben oder unreine.
5. Weder aus apparenten Farben kann farb-
loses Licht, noch aus farbigen Pigmenten
ein weißes zusammengesetzt werden. Alle
aufgestellten Experimente find falsch oder
falsch angewendet.

6. Die apparenten Farben entstehen durch
Modification des Lichts durch äußere Um-
stände. Die Farben werden an dem Licht
erregt, nicht aus dem Licht entwickelt. Hören
die Bedingungen auf, so ist das Licht farb-
los wie vorher, nicht weil die Farben wie-
der in dasselbe zurückkehren, sondern weil
fie ceffiren. Wie der Schatten farblos wird,
wenn man die Wirkung des zweiten Lichtes
hinwegnimmt.

Während der französischen Campagne, bei der Belagerung von Mainz, nachher wieder in Weimar erperimentirte er un aufhörlich mit Prismen und Tafeln und stellte unter freiem Himmel Beobachtungen an. 1792 ließ er ein Zweites Stück Beiträge zur Optik" erscheinen. Vergeblich mahnten ihn die Fachmänner wiederum ab. Er hielt fest. Doch fing er keine Controverse an, veröffentlichte weiter nichts mehr. Er begnügte sich, ruhig weiter zu erperimentiren, zu beobachten, zu sammeln. Ein umfangreiches, nach allen Seiten vollständiges Werk sollte endlich unversehens, einer macedonischen Phalanx gleich, den Widerstand niederwerfen, welchen die Physiker seinen mehr plänkelnden „Beiträgen“ wie seinen Xenien auf Newton entgegengestellt hatten. Schiller ward in das Interesse hineingezogen, wie zahlreiche andere Freunde. Schiller sagte zu Allem Ja und Amen, half Göthe bei dem Systematisiren des immer anwachsenden Materials, ließ sich indeß nicht weiter auf ein Erperimentalwissen ein, dem er allzeit

„Entwurf einer Farbenlehre."

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ferngestanden hatte. Fünf Jahre vergingen noch nach Schillers Tod, bis das gesammte chromatische Archiv endlich wohlnummerirt gedruckt war, der erste Band unter dem Titel „Entwurf einer Farbenlehre", der zweite unter dem ebenso bescheidenen „Materialien zur Geschichte der Farbenlehre". Der erste Band ist wieder in zwei Theile geschieden, einen didaktischen und einen polemischen 1. Ton und Haltung des Werkes sind aber keineswegs so bescheiden wie der Titel. Der Widerstand der Fachmänner gegen seine eigene Theorie hatte den sonst sehr abgemessenen Hofmann so in Harnisch gebracht, daß er Newton, den großen Physiker und Astronomen, oft nahezu im Reitpeitschenstil der Genieperiode behandelt. Jezt nennt er dessen Säße bis zum Unglaublichen unverschämt", jest „baaren Unsinn", dann wieder eine fraßenhafte Erklärungsart“, „Advokatenstreiche", Hokuspokus“, „Taschenspie lerei", höchst bewundernswerth für die Schüler in der Laufbank". Eine noch seltsamere Redeblume ist es, wenn er von dem „Newtonischen siebenfarbigen Schmutze" redet oder grollend ausruft: „Aber ich sehe wohl, Lügen bedarfs und über die Maßen!“ 2 Am Schlusse des ersten Bandes angelangt, fühlte er selbst den parlamentarischen Anstand arg verlegt, aber indem er sich herauszureden suchte, trat die persönliche Gereiztheit und Leidenschaftlichkeit nur von Neuem hervor:

„Wir haben mehrere Jahre erlebt und gesehen, daß es im Konflikt von Meinungen und Thaten nicht darauf ankommt, seinen Gegner zu schonen, sondern ihn zu überwinden, daß Niemand sich aus seinem Vortheil herausschmeicheln oder herauskomplimentiren läßt, sondern daß er, wenn es ja nicht anders sein kann, wenig

gr. 80.

1 Zur Farbenlehre von Göthe. I. Bd. Tübingen, J. G. Cotta, 1810. XLVIII u. 654 S. gr. 8o. II. Bd. XXVIII u. 757 S. Dazu ein Atlas mit 17 theils illum., theils schw. Kupfern und 12 S. Tert gr. 4o. (Vom ersten Band existiren Exemplare mit der Jahreszahl 1808.) u. XXXVI.

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S. Göthe's Werke [Hempel]. Bd. XXXV

2 Göthe's Werke [Hempel]. XXXV. 514.

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Der optische Apfel unter den Karpfen.

stens herausgeworfen sein will. Hartnäckiger als die Newtonsche Partei hat sich kaum eine in der Geschichte der Wissenschaften bewiesen. Sie hat manchem wahrheitsliebenden Manne das Leben verkümmert, sie hat auch mir eine frohere und vortheilhaftere Benutzung mehrerer Jahre geraubt; man verzeihe mir daher, wenn ich von ihr und ihrem Urheber alles mögliche Böse gesagt habe. Ich wünsche, daß es unsern Nachfahren zu Gute kommen möge." 1

Eine sonderbare Klage im Munde des Mannes, der die Frankfurter Recensionen, Götter, Helden und Wieland, den Satyros und die Xenien geschrieben, zahllose Leute mit Spott und Wit verfolgt hatte und nun in das friedliche Gebiet der Optik ganz unaufgefordert und ohne alle mathematischen Vorkenntnisse eingebrochen war, mit der ausdrücklichen Absicht, Newtond. H. die durch die gesammte Fachwissenschaft vertretene, wissenschaftlich erprobte, allgemein anerkannte Farbenlehre des größten Physikers und Astronomen über den Haufen zu werfen 2. Wenn er höflich abgewiesen wurde, hatte er es sich selbst zuzuschreiben. Es war das Mildeste, was ihm begegnen konnte.

Ist schon diese persönlich gereizte, leidenschaftliche Auffassung einer wissenschaftlichen Frage als einer förmlichen Parteisache ein höchst ungünstiges Anzeichen für den Werth der Untersuchung, so ergibt eine eingehendere Prüfung derselben wesentlich den Schluß, der seltenbegabte Dichter und Kunstliebhaber habe hier sein Bereich in höchst unvorsichtiger Weise überschritten und mit

1 Ebds. S. 526.

2 Etwas von diesem fröhlichen Leichtsinn besaß er jedenfalls noch, als er im Weinjahr 1811 an den Philologen F. A. Wolf schrieb: „Es freut mich, daß meine Farbenlehre als Zankapfel die gute Wirkung thut. Meine Gegner schmaßen daran herum wie die Karpfen an einem großen Apfel, den man ihnen in den Teich wirft. Diese Herren mögen sich geberden wie sie wollen, so bringen fie wenigstens dieses Buch nicht aus der Geschichte der Physik heraus. Mehr verlang' ich nicht; es mag übrigens, jest oder künftig, wirken was es kann.“ M. Bernays, Göthe's Briefe an Wolf. S. 115.

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