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Der didaktische Theil.

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unendlichem Aufwand von Zeit, Mühe, Fleiß ein Werk ge= schrieben, das zu seinem Ruhme besser ungeschrieben geblieben wäre. Schon die Anordnung entspricht nicht ganz dem ruhigen Gang einer vorurtheilsfreien Forschung. Jeder, der eine solche Theorie entwickeln will, wird naturgemäß kurz den Stand der Frage erläutern, die bisherigen Lösungsversuche auseinandersetzen, das etwa Ungenügende derselben nachweisen, dann seine eigene Theorie vortragen und die Einwürfe, die sich dawieder erheben lassen, zu lösen versuchen. Wäre Göthe ernst und besonnen, wahrhaft wissenschaftlich nach solcher Methode verfahren, so hätte er an seinem Unternehmen selbst zweifelhaft werden müssen. Sie hätte ihn auf den richtigen und vernünftigen Weg zurückgebracht. Statt dessen sucht er zuerst mit Advokatenkünsten seine „Entdeckung" plausibel zu machen, dann Newton zu widerlegen und endlich durch einen Rückblick auf die Geschichte seine unbewiesene Hypothese zu einer Art von Weltfrage aufzubauschen 1.

In dem „didaktischen Theil", der in 920 Paragraphen alle erdenklichen Notizen und Beobachtungen über Licht und Farben aphoristisch zusammenstellt, ist wieder keine methodische Ordnung innegehalten. Göthe behandelt erst die „physiologischen Farben“, dann die „physischen", aber ohne Newtons Theorie der Refraction, auf die schließlich alles ankommt, gründlich zu prüfen; dann die „chemischen Farben", stellt allgemeine Ansichten auf, bespricht die Beziehung der Farben zu Wissenschaften, Künsten und Gewerben und schildert endlich die „sinnlich-sittliche" Wirkung der Farben. Verbunden mit der willkürlichen Anordnung hat die aphoristische Behandlung einen doppelten, tiefgreifenden Nachtheil: 1. daß Thatsache ohne Verkettung an Thatsache gereiht und nichts eigent

1 Das Drolligste ist, wie er, der begeisterte Verehrer des mathematischen Spinoza, jezt die Mathematik los zu werden sucht, sie zu einer Art Rhetorik herabseßt, mit dem Französischsprechen“ vergleicht, ihr vorwirft, daß ihr „Idee und Liebe“ fehlen, und der Physik deßhalb räth, sich ganz von der Mathematik zu trennen. W. Danzel, Weber Göthe's Spinozismus. Hamburg 1843. S. 408 ff.

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Die Urphänomene und die Puhmacherei.

lich bewiesen wird; 2. daß eine Unmasse unzugehörigen Stoffs die hauptsächlichen Thatsachen verwirrt, erdrückt und stört. Neben ganz verbürgten Erscheinungen werden im selben Tone die schiefsten Mißdeutungen aufgereiht, neben richtigen Beobachtungen nichtssagende Schimpfereien, neben geistreichen und allenfalls noch erklärlichen Abschweifungen die wunderlichsten Albernheiten.

Man lese nur etwa die Lehre von den Urphänomenen § 175, 176, 1771, den Wirrwarr, der von § 178 ab an Stelle der Refractionslehre Newtons gesetzt ist, und dazu die Kraftthese § 558:

„Daß alle Farben zusammengemischt Weiß machen, ist eine Absurdität, die man nebst andern Absurditäten schon ein Jahr: hundert gläubig und dem Augenschein entgegen zu wiederholen gewohnt ist."

Als Beitrag zur sinnlich-sittlichen Farbentheorie tischt Göthe dagegen in allem Ernst Säße auf wie die folgenden:

"S 762. Die Erfahrung lehrt uns, daß die einzelnen Farben besondere Gemüthsstimmungen geben. Von einem geistreichen Franzosen wird erzählt: Il prétendait que son ton de conversation avec Madame était changé depuis qu'elle avait changé en cramoisi le meuble de son cabinet qui était bleu 2.

1 Die beste wissenschaftliche Erklärung dieses sogen. Urphänomens, d. H. der Farben trüber Mittel, hat Hr. Brücke gegeben. Sizungsberichte der mathematisch-physikalischen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften. 1852. S. 530. Die Physiologie der Farben für die Zwecke der Kunstgewerbe 2c. Leipzig 1866. S. 95.

2 Dazu passen die Winke, welche Göthe seinem Adepten von Henning gab, falls er auch den Berliner Damen die Farbenlehre predigen wollte: „Steht doch einer Blondine Blaßgelb und Veilchen= blau ganz gut; warum schmückt sich die Jugend so gern mit Rosen= farb und Meergrün? Eine tüchtige Brünette hat Himmelblau und Orange nicht zu fürchten, doch wird immer ein gewisses Zartgefühl diese Gegensäße nicht in ihrer elementaren Entschiedenheit, sondern in einem gewissen ausweichenden Schwanken sich anzueignen suchen. Muster-Charten von älteren und neueren Kleiderstoffen erweisen hier

"S 790.

Das hierarchische Violett.

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Blauroth (Violett). Jene Unruhe nimmt bei der weiterschreitenden Steigerung zu, und man kann wohl behaupten, daß eine Tapete von einem ganz reinen gesättigten Blauroth eine Art unerträglicher Gegenwart sein müsse. Deßwegen es auch, wenn es als Kleidung, Band oder sonstiger Zierrath vorkommt, sehr verdünnt und hell angewendet wird, da es dann seiner bezeichneten Natur nach einen ganz besondern Reiz ausübt.

"S 791. Indem die hohe Geistlichkeit diese unruhige Farbe sich angeeignet hat, so dürfte man wohl sagen, daß sie auf den unruhigen Staffeln einer immer vordringenden Steigerung unaufhaltsam zu dem Kardinalpurpur hinaufstrebe.“

Das ist wohl Gerede, wie es Diderot drucken ließ, um die schweren Auslagen seiner Libertinage zu bestreiten; aber Optik ist das denn doch wohl nicht mehr.

Am Schlusse des didaktischen Theils hat Göthe einen an ihn gerichteten Brief des jungen Malers Philipp Otto Runge1 vom 3. Juli 1806 abdrucken lassen, der offenbar eine Bundesgenossenschaft aus dem künstlerischen Lager vorstellen soll, aber dabei denn auch kritisches Material zur Beurtheilung des Unternehmens liefert.

„Man wird," sagt Göthe, „bei aufmerksamer Vergleichung gewahr werden, daß mehrere Stellen genau mit meinem Entwurf übereinkommen, daß andere ihre Deutung und Erläuterung aus meiner Arbeit gewinnen können, und daß dabei der Verfasser in mehreren Stellen mit lebhafter Ueberzeugung und wahrem Gefühle mir selbst auf meinem Gange vorgeschritten ist.“ 2

Man wird aber bei aufmerksamer Vergleichung noch mehr gewahr, besonders wenn man die ausführlichere Farbenlehre zur

gute Dienste!" Göthe-Jahrbuch. III. 212. So verwandelt sich der Kampf gegen Newton zum friedlichen Besuch beim Damenschneider und bei der Puhmacherin.

1 Geboren den 23. Juli 1777 zu Wollgast in Pommern, also 28 Jahre jünger als Göthe.

2 Göthe's Werke [Hempel]. XXXV. 315–322.

Baumgartner, Göthe. III. 2. Aufl.

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Philipp Otto Runge's Farbentheorie.

Betrachtung heranzieht, welche ein Bruder Runge's lange nach dessen Tode, erst 1840 herausgab1, und worin seine Ideen etwas ausführlicher ausgesponnen sind. In schroffem Gegensatz zu dem grollenden Weimarischen Zeus, der von seinem Laboratorium aus aphoristische Bannflüche gegen Newton daherwettert, oder ohne Mathematik, mit künstlicher Sophistik dessen mathematisch demonstrirte Lehrsätze zu unterminiren sucht, finden wir hier die demüthigste, anspruchsloseste Künstlerseele von der Welt, fromm und gottesinnig wie Novalis, phantasiereich wie Brentano, voll. tiefen Naturgefühls und sinnigen Künstlerverstandes wie der alte wackere Leonardo da Vinci. Er geht wie Göthe in der Farbenlehre von seiner Palette aus, wo die Farben nicht als ätherische Schwingungen, sondern als Farbstoffe beisammen sind; er schaut dann hinaus in den freien Gotteshimmel und in das wunderherrliche Zauberspiel, das der Schöpfer mittelst der stofflichen Elemente in der sichtbaren Natur hervorbringt; er blickt endlich hinein in's Menschenherz und geht den Gefühlen nach, welche der Reiz der Farbe darin hervorruft. Wie Göthe findet er, daß die sieben Farben des Prisma als Farbstoffe auf der Palette bei jeder nur erdenklichen Mischung niemals einen weißen Farbstoff hervorbringen. Wie Göthe nimmt er Gelb und Blau (dazu Roth 3) als Grundfarben an, Weiß und Schwarz als Zugabe und untersucht nun die Mischungen. Wie Göthe betrachtet er Newtons Farbenlehre als irrthümlich und für die Malerkunst verwirrend. „Wir wollen diese Fünf (Gelb, Blau, Roth, Weiß und Schwarz) genau betrachten, und werden finden, wodurch die Irrthümer entstanden sind, welche durch Newton

1 Hinterlassene Schriften von Philipp Otto Runge, Mahler. Hamburg, Perthes, 1840. I. 84–170. Da der Brief Runge's schon vom 3. Juli 1806 datirt ist, Göthe's „Farbenlehre“ erst 1810 erschien, so kann die Uebereinstimmung mehrerer Stellen Runge's mit Göthe's Entwurf sehr wohl davon herrühren, daß Göthe ihn ausgepumpt hat, wie er es vielfach mit H. Meyer machte. Eingehender kann die Frage hier nicht besprochen werden.

2 A. a. O. I. 105 ff.

3 Bei Göthe Farbeigenschaft".

Verschiedenheit der beiden Methoden.

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eine solche Autorität gewonnen und welche die ganze Untersuchung in Verwirrung gebracht haben."

Aber nun kommt gleich ein gewaltiger Unterschied. Er bäumt sich nicht als stolzer Revolutionär gegen Newton auf, er mißhandelt ihn nicht als Kezer, Lügner und Betrüger. Ruhig anerkennt er die sieben prismatischen Farben und die Experimente, welche der große Physiker darüber angestellt, quält sich nicht damit, seine Beobachtungen zu revidiren oder andere dagegen aufzustellen; er begnügt sich, das, was die mathematische Physik lehrt, friedlich in seinem Sinne zu deuten. Newton," sagt er 1, nennt den Lichtstrahl weiß, und diesen Zusammenfluß der Farben ebenfalls weiß. Nach unseren Betrachtungen aber werden wir einsehen, daß dieser Focus nichts anders als der farblose Zusammenfluß der durchsichtigen Farben sein kann, oder dasselbige was dieser ist." Er überläßt der mathematischen und streng wissenschaftlichen Physik ein Gebiet, das ohne mathematische und physikalische Begriffe sich nicht beherrschen läßt, und anstatt mit Göthe die Physiker zu schelten, schließt er seine Untersuchung mit den schönen Worten:

„Alle gute und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab von dem Vater des Lichtes. Gleichwie dieses nun geschieht in uns, so glaube ich auch, daß es geschieht außer uns in der Natur. Wir, so wie wir uns in uns losmachen von aller irdischen Begierde, werden wir auch je mehr und mehr gereinigt, und wie wir ganz lauter und rein sind, sind wir, indem sich Gott zu uns wendet, mit Ihm und allen reinen Geistern in Eins verschlungen. Und wer dieses gekostet hat, wer da weiß, wie die reine Existenz Göttlichen Ursprungs, und ewig ist in Göttlicher Vereinigung, der hat sich, ob durchstrahlt oder noch undurchstrahlt von dem Lichte des Ewigen, zur innern Ruhe und über die Angst der Welt erhoben, und dieses ist der Friede Gottes, der über alle Vernunft ist." 2

Seine weiteren chromatischen Studien verlegte er, wie früher,

1 A. a. O. I. 109.

2 A. a. O. I, 111.

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