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pflicht vorschreibt, dürfen wir Niemand, selbst den Lasterhaften nicht ausschliessen, wir sollen als Christen, nach dem Beyspiel Gottes und Jesu, bereit seyn, jeden Menschen, er sey auch, wer er wolle, sogar unsern Feinden so viel Gutes zu erzeigen, als in unfern Kräften steht. Aber wird es uns möglich seyn, mit dem Geiste dieser wohlthätigen, alles umfassenden Menschenliebe zu handeln, wenn wir uns weigern, denen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die uns als lasterhaft erscheinen? Der Herr im Evangelio be trachtet den ungerechten Haushalter noch immer mit Nachsicht und mit einer Art von Wohlgefallen, so viel Schaden er ihm auch zugefügt hatte. Denn er ist gerecht gegen ihn, er gesteht ihm den Ruhm einer geübten Klugheit zu, und die Bemerkung dieses Vorzugs söhnt ihn gleichsam mit ihm aus. So ist es, M. Z.; je billiger wir gegen Lasterhafte sind, je mehr wir mit unparthenischer Aufrichtigkeit, das Gute, welches sie noch an sich haben, erkennen und schäßen, je mehr wir uns gewöhnt haben, nicht. immer bey ihrer tadelnswürdigen Seite stehen zu bleiben, sondern unsre Augen auch auf diejenige zu richten, welche ihnen zur Ehre gereicht: desto ge neigter wird unser Herz werden, auch sie noch als Gegenstände des Wohlwollens und der Achtung, wenigstens als Gegenstände des Mitleids und der Erbarmung zu betrachten, desto bereitwilliger werden wir seyn, ihnen Gutes widerfahren_zn lassen, sobald wir Gelegenheit dazu finden. Hören wir auf, Christen zu seyn, sobald wir anfangen, irgend ein menschliches Geschöpf zu hassen, und mit feindseliger Bitterkeit zu behandeln: so werden wir auf alle Weise dafür sorgen müssen, gerecht gegen Lasterhafte zu seyn; die Hauptpflicht des Christenthums, die Liebe, verbindet uns dazu.

Es ist aber auch nicht weniger der Klugheit gemäß, so zu handeln; wir verstehen nicht einma

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unsern wahren Vortheil, wenn wir Lasterhaften nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen. Es ist einmal eine Sache, die sich nicht abläugnen läßt, daß auch verdorbene Menschen noch manches Gute an fich haben; selbst das Böse, welches sie wirken, ist oft genug der Beweis, daß sie große Kräfte des Geistes und Herzens, daß sie vielerley Erfahrung und Uebung, daß fie viel Wissenschaften und Geschicklichkeiten besißen. Sollen wir solche Vorzüge vergeblich an ihnen wahrnehmen? Ist es der Klugheit gemäß, fie gleichsam für uns verloren gehen zu lassen? Müssen wir sie nicht vielmehr als eine Anweisung betrachten, wie wir solche Menschen gebrauchen, von welcher Seite wir sie fassen, wozu wir fie, wenn wirs nicht vermeiden können, in Verbindung mit ihnen zu seyn, nüßlich anwenden sollen? O wir gewinnen viel für unsern Unter-richt und für unsre Belehrung, für unsre Zufriedenheit und Ruhe, für unsre Absichten und Geschäfte, wenn wir auch von solchen Menschen, die in vielen Stücken tadelnswürdig denken und handeln, mit Klugheit zu lernen, wenn wir sie vermittelst der auten Eigenschaften, die sie noch besitzen, für das Gute in Bewegung zu sehen verstehen. Denn warum sollt ich nicht sagen, was Jesus im Evange lio selbst behauptet, daß die Kinder dieser Welt klüger sind, denn die Kinder des Lichts in ihrem Geschlecht; daß mit Menschen, die durch ihre natürliche Lebhaftigkeit, durch ihr Temperament voll Kraft und Thätigkeit, und durch ihre gewaltigen Leidenschaften zu grossen Uusschweifungen hingerissen werden, dennoch in Geschäf ten, wenn es darauf ankommt, mit Vorsicht, mit Muth, mit Entschlossenheit und Nachdruck zu handeln, gemeiniglich weit mehr anzufangen und auszurichten ist, als mit schwachen, gutmüthigen, ungeübten Geschöpfen, die freylich nie viel Böses gethan haben, die es recht herzlich gut meynen, aber

wohl nie viel Großes ausrichten werden? Wollen wir also mit der Ueberlegung handeln, die Christen geziemt, so ist es Pflicht, die guten Eigenschaften lasterhafter Menschen, die Gott ihnen nicht umsonst gegeben hat und erhält, vernünftig zu benußen, sie zur Beförderung guter Absichten anzuwenden, und ihnen daher alle nur mögliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; auch die Klugheit verbindet uns zu diesem Verhalten.

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Seßet die Aufmerksamkeit auf das Beyspiel Gottes und Jesu noch hinzu. Die Langmuth und Güte ist bekannt, mit der Gott auch die Lasterhaften trägt. O er läßt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute, er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. Und schenkt er ihnen ihrer Vorzüge wegen nicht oft ein glänzendes irdisches Glück? Wendet er sie nicht zur Beförderung seiner Absichten an? Führt er nicht oft grosse Dinge durch sie aus, und braucht fie zu nüßlichen Werkzeugen? Oeffnet er sich durch das mannichfaltige Gute, welches sie noch an sich haben, nicht oft einen Zugang zu ihrem Herzen, und führt sie, nachdem sie lang herumgeirrt haben, endlich doch noch zur Besserung und zur Wohlfahrt? Soll dieses Verfahren Gottes, soll diese weise, väterliche, wohlthätige Behandlung lasterhafter Menschen uns nicht aufmerksam machen, und zum Muster dienen: sollen wir uns nicht beeifern, fie nachzuahmen, so gut wir können? Und wie sehr müssen wir uns dazu verbunden fühlen, wenn wir einen Blick auf das Benspiel Jesu werfen! Kann Jemand billiger und gerechter gegen Lasterhafte seyn, als er es war? Schäzte er das Gute nicht ohne Ausnahme, er mochte es finden, wo er wollte, er mochte es bey einem Samariter, oder bey einem Heiden, oder bey einem Zöllner autreffen? Zeigte er den Pharisäern, die auf ihre Frömmigkeit, so stolz

waren, nicht mehr als einmal, daß, die verworfen sten Menschen, daß die unterste und verdorbenste Classe von Sündern durch unparthenische Redlichkeit und Folgsamkeit sie übertreffe und beschäme? War er nicht herablassend und gütig genug, auch denen Zutritt zu sich zu gestatten, die man ihrer Laster wegen allgemein verachtete, weil er noch manches Gute an ihnen bemerkte, weil er sie noch zu gewinnen und zu bessern hoffte? Nein, sein Sinn, feine Weisheit, seine Sanftniuth_und Erbarmung, kann unmöglich in uns seyn, es kann uns an dem Wohle der Menschen, an der Rettung und Seligkeit aller derer, für die sein Blut geflossen ist, unmöglich so viel liegen, als ihm, wenn wir anders handeln, wenn wir Lasterhafte mit einem Abscheu verwerfen, der gar nichts Gutes, gar nichts Achtungswürdiges weiter an ihnen erkennen will. Je mehr das erhabne Muster Gottes, der sich aller seiner Werke erbarmt, je mehr das rührende Vorbild Jesu, der die Sünder so gern aufnahm, uns vor Augen schwebt: desto stärker werden wir die Verbindlichkeit fühlen, auch Lasterhaften Gerechtig keit widerfahren zu lassen, das Gute, welches noch immer in ihnen verborgen liegt, richtig zu bemer ken, unparthenisch zu schäßzen, und bey unserm Verhalten darauf Rücksicht zu nehmen. Aber da: beŋ kann ich nicht umhin, euch noch ausdrücklich daran zu erinnern, daß die Pflicht, die ich bisher erklärt und bewiesen habe, mit grosser Vorsicht aus: geübt werden muß, und daß man sich selbst einer augenscheinlichen Gefahr anssezt, wenn man mit unüberlegtem Eifer daben zu Werke geht.

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Lasset mich daher noch einige Regeln der Klugheit benfügen, die ben Beobachtung dieser Obliegenheit nie aus den Augen gelassen werden dürfen. Wir wollen nämlich auf alle Weise zu verhüten suchen, daß das

Gute, welches wir an Lasterhaften finden, uns nicht gleichgültig gegen ihre Fehler mache, und in eine schädliche Verblendung stürze. Denn wahrlich die Vorzüge lasterhafter Menschen sind oft so glänzend, wir entdecken ben genauerer Aufmerksamkeit auf sie oft so viel unerwar tete Vollkommenheiten, sie wissen die Fehler, welthen fie ergeben sind, durch so viel Reiße eines grossen Verstandes, eines gefühlvollen Herzens und einer einnehmenden bezaubernden Lebensart zu bedecken, und gleichsam zu verschönern, daß wir Mühe haben, fie nicht zu verkennen, nicht ihre Laster selbst lie benswürdig zu finden. O wie soll ich euch genug warnen, wenn böse Menschen dieser Art euch bes kannt werden! Wie soll ich insonderheit euch, die ihr noch jung und unerfahren seyd, oder ein weiches, leicht zu gewinnendes Herz habt, genug bitten, auf eurer Hut zu seyn, wenn Verbrecher mit solchen liebenswürdigen Eigenschaften Gelegenheit finden, auf euch zu wirken! Ach sie werden euch an sich ziehen, werden euch verblenden, sie werden euch gleichgültig machen gegen ihre Laster, sie werden euch mit denselben anstecken, ihr werdet unglückliche, bedakernswürdige Opfer der Verführung werden, wenn ihr nicht mit der größten Anstrengung über euch was chet! Lasset uns gerecht seyn, M. Br., lasset uns keinem Lasterhaften, das Gute absprechen, das er an sich hat. Aber ben der 2kusübung dieser Pflicht lafset uns nie vergessen, mit wem wir zu thun ha= ben; lasset uns fest an den Grundsaß halten, daß die größten Fähigkeiten und die liebenswürdigsten Eigenschaften nimmermehr ein Ersatz für lasterhafte Gesinnungen und herrschende Unfittlichkeit seyn können. Wo wir diese merken, da lasset uns vorsichtig seyn, da lasset uns bedenken, daß der, welcher fie an sich hat, er besitze dabey noch so viel Gutes, dennoch ein gefährlicher und bedauerswürdiger Mensch ist, der uns nie ganz einnehmen darf, wenn

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