ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

30.

Am dritten Sonntage nach Trinitatis.

Es ist bekannt, M. 3., wie sehr unsre Begriffe

von dem Werth und der Würde der Dinge durch die Tyrannen der Gewohnheit und der Mode ver ändert werden. Sollen wir bestimmen, was recht, was gut, was anständig sey; sollen wir entscheiden, welche Parthey man bey zweifelhaften Fällen, zu ergreifen, und was man vorzuziehen habe; sollen wir über das, was Andre gewählt, gethan und ausge führt haben, ein Urtheil fällen: so richten wir uns nicht etwan nach den Aussprüchen der Vernunft, wir nehmen nicht etwan die Geseße der Religion zur Richtschnur; wir sehen immer nur auf das, was der allgemeine Ausspruch billigt. Die herrschenden Vorurtheile, die eingeführte Gewohnheit, die Gebräuche und Einrichtungen, die wir von Jugend auf gesehen und befolgt haben, behaupten eine so grosse Gewalt über uns, daß sie fast überall den Ausschlag geben, daß sie selbst dann den Sieg davon tragen, wenn unsre Vernunft das Gegentheil behauptet, und etwas anders verlangt. Unmöglich könnten wir ei nen so grossen Werth auf Dinge legen, die vor dem Richterstuhl der Wahrheit elende Kleinigkeiten, oder gar noch etwas schlechteres sind; unmöglich könnten wir den klärsten Forderungen der Pflicht und der B

D. Reinh, volft. Predigtsammlg. 3. Th.

Klugheit mit so vieler Uebereinstimmung und Hartnäckigkeit entgegen handeln; unmöglich könnten die Begriffe von dem, was anständig, gut und rühmlich ist, ben verschiedenen Völkern, und in verschie denen Zeiten und Ländern, so weit von einander abweichen, und so oft mit einander streiten, wenn Vors urtheil, Gewohnheit und Mode nicht mächtiger wä ren, als die Vernunft, wenn das Gefühl, welches Durch die eingeführten Sitten in uns gebildet wor: den ist, nicht fast immer und allein entschiede.

Unter allen den Entscheidungen, die aus dieser Quelle fliessen, scheinen mir die, welche den Werth and die Würde unsrer Geschäfte betreffen, die wichtigsten, M. 3., und in der That auch die nachtheis ligsten zu seyn. Die Natur hat feste, bestimmte Grundfäße, nach welchen leicht ausgemacht werden kann, welche Art, unsre Kräfte zu gebrauchen, welche Beschäftigung und Thätigkeit unter allen die würz digste ist, und den meisten Beyfall verdient; sie läßt jeder Gattung von Geschäft Gerechtigkeit widerfah ren, und beurtheilt sie alle nach dem Einfluß, den fie auf die Erreichung der lezten und höchsten Ab= ficht haben, auf die unsre Bestrebungen gerichtet seyn sollen. Aber welche Verwirrung richten Ges wohnheit und Mode hier an! Durch ihren Ausspruch, durch die Tyranney, mit welcher sie das menschliche Geschlecht beherrschen, erhalten läppische Kindereyen ein ehrwürdiges Ansehen, elende Kleinig keiten ein grosses Gewicht, schädliche Bestrebungen den Ruhm wahrer Verdienste und der traurigste Mißbrauch des Lebens das Lob, welches der Tu gend gebührt. Dagegen ist es eben diese Tyrans ney, eben diese allgewaltige Macht der Gewohn heit, was mit den heilsamsten Arbeiten Geringschä Bung verknüpft, was die nüßlichsten Geschäfte für etwas Erniedrigendes erklärt, was gerade den edel Sten Arten der Thätigkeit den untersten Rang ans

weiset, und die meisten von der Schuldigkeit loss spricht, dieselben zu äussern.

Denn was ist edler, ich bitte euch, was ist erhabner und würdiger, als Weisheit und Tugend zu befördern, als an der Erleuchtung und Besserung seiner Brüder zu arbeiten, als etwas dazu benzutras gen, daß die menschliche Natur ihre Hoheit fühlen, und nach dem Ziele streben lerne, das für sie das lezte und wichtigste ist. Aber welchen Rang weiset Gewohnheit und Mode solchen Beschäftigungen an? Giebt es nicht unzählige Menschen, die weit nöthis gere und weit wichtigere Dinge thun zu müssen glauben, die ihr Streben nach Reichthum, nach Ehre und nach Vergnügen für eine weit größre Angeles genheit halten? Giebt es nicht Leichtsinnige, die der Meynung sind, für die Befferung der Menschen zu sorgen, sen das Geschäft der Lehrer, der Prediger, der Erzieher; ihnen könne man nicht zumuthen, sich mit etwas abzugeben, das ihres Amts nicht sey? Giebt es nicht sogar Thoren, die sich zu erniedrigen, die ihre vornehme Geburt und ihren hohen Stand zu beschimpfen meynen, wenn sie an der Befferung ihrer Nebenmenschen arbeiten, wenn sie etwas thun und bewirken sollen, was darauf Beziehung hat? Höret die Stimme der Vernunft und der Religion, M. Br. Wendet eure Augen auf das grosse Muster im heutigen Evangelio, erinnert euch daran, warum die erhabenste Person im Himmel und auf Erden unter den Menschen erschienen ist, was der Sohn Gottes betrieben, welches Geschäft er für das würdigste, für das Werk seines Vaters erklärt hat: und ihr werdet leicht entscheiden können, was auch ihr zu thun habt, wenn ihr die edelste unter allen menschlichen Beschäftigungen nicht vernachlässigen wollet. Doch ihr werdet schon merken, daß es heute meine Absicht ist, euch dieß zu Gemüthe zu führen, euch daran zu erinnern, daß

[ocr errors]

dre zu beffern; ich behaupte, den wahren Adel seiner Natur, sein Gefühl für die erhabensten Abz fichten, und die größte Weisheit bey der Univendung und dem Gebrauch seiner Fähigkeiten könne ein Mensch nicht deutlicher, nicht glücklicher zeigen, als dadurch, daß er an der Besserung Andrer arbeite, als dadurch, daß er das Seinige beytrage, das Licht der Wahrheit in Undern anzuzünden, die Liebe zum Guten in ihnen zu erwecken, und sie zur treuen Beobachtung alles dessen, was Pflicht ist, zu ermuntern und zu gewöhnen. Es läßt sich leicht beweisen, daß kein andres Geschäft, es habe Namen, wie es wolle, ehrwürdiger und erhabner sen, als dieses; denn unsre edelsten Kräfte sind wirk fam; wir arbeiten für den erhabensten Endzweck; wir befördern den dauerhaftes sten Nußen; wir nehmen Theil an dem grossen Werke Christi; wir leben und handeln in Gemeinschaft mit Gott selber, wenn wir zur Besserung Andrer geschäftig sind; Urfachen genug, warum diese Bemühung unter allen die würdigste seyn muß.

[ocr errors]

unsre edelsten Kräfte sind wirksam, wenn wir zur Besserung Andrer geschäftig sind, dieß ist die erste Ursache, warum diese Bemühung unter allen die würdigste ist. Denn das fällt in die Uugen, M. 3., daß Geschäfte, die nichts weiter for: dern, als Stärke des Leibes, die sich durch die Anwendung unsrer Hände und Glieder verrichten lassen, ohne daß unser Geist viel daben zu denken, und un ser Herz viel daben zu empfinden hätte, unter allen die niedrigsten sind, so nöthig und unentbehrlich sie auch seyn mögen; bey ihnen sind blos diejenigen Kräfte unsers Wesens in Thätigkeit, die wir mit den unvernünftigen Thieren gemein haben. Unfre Geschäfte werden dagegen in eben dem Grade edler, würdiger, dem eigentlichen Vorzug unsrer Natur

1

[ocr errors]

gemäßer, in welchem zu ihrer Ausführung Ueberle
gung und Nachdenken erforderlich ist, in welchem
wir Gelegenheit haben, unsre Vernunft zu üben,
gute Gesinnungen zu äussern, eine uneigennützige
Denkungsart zu beweisen, und uns als Wesen zu
zeigen, die höhere Vortheile und grössere Güter ken-
nen, als die vergänglichen Güter der Erde. Je mehr
uns ein Geschäft Veranlassung giebt, auf diese Art
und mit diesen Fähigkeiten unsers Geistes wirksam
zu seyn, desto mehr erhebt es uns über unsre thie-
rischen Mitgeschöpfe, desto mehr erscheinen wir dabey
als Wesen höherer Art, desto sichtbarer wird in
demselben die grosse Würde, der wir fähig sind.
Aber wo, ich bitte euch, wo sind diese edlern Kräfte /
unsrer Natur mehr in Bewegung, wo wirken sie
lebhafter und harmonischer, wo wird ihre Vortreff-
lichkeit anschaulicher, als wenn wir daran arbeiten,
einen oder mehrere unsrer Mitbrüder zu bessern?
Wie strengt unsre Vernunft sich an, wie bietet sie
alles auf, was in ihrem Vermögen steht, welches
Licht geht aus ihr hervor, wenn uns daran liegt,
einen Unwissenden zu belehren, einen Irrenden zu-
rechte zu weisen, einen Wahrheitsliebenden aufzuklä-
ren über die wichtigsten Angelegenheiten! Welcher
Eifer erwärmt unser Herz, welches Wohlwollen
regt sich in unserm Busen, wie lebhaft ist das Spiel
unsrer edelsten Neigungen, wenn wir Andre mit der
Ehrfurcht, mit der Liebe, mit der reinen innigen Er-
gebenheit gegen Gott und Jesum, gegen Rechtschaf
fenheit und Tugend erfüllen wollen, die wir selbst
empfinden! Mit welcher Behutsamkeit gehen wir
zu Werke, welche Klugheit, welche seine Geschmei=
digkeit, die alles ergreift, alles benuzt, alles zu
Hilfe nimmt, beweisen wir, wenn es uns am Hera
zen liegt, einen Unglücklichen von seinen Fehlern zu
befreyen, einem Schwachen im Guten Beystand zu
leisten, einen Wankenden zu befestigen! Nein, nie
wird der Adel unsers Geistes, nie wird die hohe

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »