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alles wohl gemacht; daß er sich selbst darauf berufen konnte: die Blinden sehen, und die Lahmen gehen, die Ausfähigen werden rein, und die Tauben hören, und die Tod: ten stehen auf. Doch so groß auch seine Bereit willigkeit war, jedem Leidenden seine Gesundheit wie: derzugeben, und die mannigfaltigen Uebel des Leibes zu heilen, die er unter seinen Mitbürgern anträf: nur vorübergehend, nur auf seine Zeitgenossen eingeschränkt würden seine Wohlthaten gewesen seyn, wenn er uns nicht in den Stand gesezt hätte, über diese Uebel richtig zu denken, und sie für das zu halten, was Sie find. In dieser Aufklärung, in diesem Unterricht über einen für alle Sterbliche so wichtigen Gegent stand liegt eine weit größre, eine des Erlösers der Welt weit würdigere Wohlthat, als in allen den wunderbaren Heilungen, die er verrichtet hat; bey ihr lasset uns also jezt stehen bleiben, fie lasset uns heute auwenden und benußen lernen. Ich werde nämlich dießmal zeigen, wie wir als Christen die Gebrechlichkeit und die Krankheiten unsers Leibes beurtheilen und gebrauchen sollen. Ein richtiges Urtheil über die Schwachheit unsers Leibes ist nämlich um so nöthiger, je leichter man sich hier irren kann, und je schädlicher die Abwege sind, auf die man bey dieser Sache bereits gerathen ist. Lasset uns also alles kurz zusam menfassen, was uns das Christenthum zur Beurtheilung dieser Sache an die Hand giebt. Es wird sich sodann leicht bestim men lassen, wie wir die Gebrechlichkeit und die Krankheiten unsers Leibes ́ als Christen gebrauchen sollen.

Wofür halten also Christen, wenn sie den Sinn ihrer Religion kennen, die Uebel des Leibes, denen alle Menschen unterworfen sind, und die dem ersten Unblick nach ein fo trauriges Schauspiel darbieten?

Folgen wir den Belehrungen Jesu und seiner Apostel, M. 3., so sind die Gebrechlichkeit und die Krankheiten unsers Leibes keineswegs Merk male einer traurigen Einkerkerung unsers Geistes in seinen Körper; sondern theils unvermeidliche Folgen heilsamer Naturge febe; theils Wirkungen unsrer gesellschaft: lichen Verhältnisse; theils Strafen unsrer Vergehungen; aber doch zugleich Einrichtun gen, aus denen unendlich viel Gutes ent springen kann. Lasset mich diese fünf Puncte nach der Reihe erklären.

Die Gebrechlichkeit und die Krankheiten unsers Leibes sind keineswegs Merkmale einer trau rigen Einkerkerung unsers Geistes in seinen Körper; sehet da eins der ältesten und schädlichsten Vorurtheile, das in Ansehung der Schwach-: heiten unsers Leibes geherrscht hat, und dessen Eins flüsse noch immer in den Meynungen der Menschen fichtbar find! Das Gefühl, wie sehr der Geist vom Körper beschwert, mit peinlichen Empfindungen aller Art geängstigt, und in seiner Wirksamkeit gestört werde, hat sehr früh die Vermuthung hervorgebracht, er befinde sich zur Strafe in demselben, er ser aus einem bessern Zustand gewisser Fehler wegen in diese traurige Verbindung mit grober Materie verstossen, er müsse in dieser Gefangenschaft, die mit seiner höhern und Himmlischen Natur sehr wenig übereinstim me, für ehemalige Sünden büffen. Daher kam es, daß man den finnlichen Stoff, aus welchem unser Körper zusammengesezt ist, für den wahren Sih alles Bösen hielt; daß man in laute Klagen über den Körper ausbrach, und ihn als einen verhaßten Kerker beschrieb; daß man es für die vornehmste Pflicht des Weisen erklärte, sich von dem Körper möglichst abzusondern und loszureissen; daß man die Gemeinschaft mit demselben als eine Verunreinigung

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des Geistes vorstellte, und den Tod als die glückliche Veränderung pries, die den gefesselten Geist in Freyheit setze, und es ihm möglich mache, sich leicht und ungehindert zu bessern Gegenden emporzuschwin= gen. Wie gut auch dieß alles klingen, wie sehr unser Gefühl auch damit übereinstimmen mag, das Christenthum lehrt gerade das Gegentheil, M. 3. Nicht ein qualvoller Kerker, nicht ein strafender Peiniger, nein, ein treuer Gefährte, ein bequemer Wohnfit, ein brauchbares Werkzeug des Geistes ist der Körper nach den Aussprüchen desselben. Denn sindet sich in der Schrift auch nur eine Spur von der Meynung, als ob die Verbindung der Seele mit dem Leibe für jene Strafe sey? Wird nicht alle Kreatur Gottes als gut und ihres Schöpfers würdig beschrieben? Nennt der Upostel die Leiber derer, die sich nach den Vorschriften des Christenthums bessern, nicht ausdrücklich Glieder Christi? Sezt er nicht hinzu: wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist? Kann der menschliche Körper ein befle= ckender, zur Strafe eingerichteter Aufenthalt seyn, da selbst der Sohn Gottes Mensch geworden ist, und fich mit einem Leibe bekleidet hat? Würde die Schrift noch überdieß den Tod für Strafe erklären, würde fie ihn als das größte Unglück vorstellen, das uns begegnen kann, wenn es wahr wäre, daß er Befreyung aus dem Kerker sey, und uns einer entehrenden Sclaveren entreisse? Würden wir endlich selbst einen so grossen Abscheu gegen denselben fühlen, wenn wir ihn als den Retter aus einer schimpflichen Gefangenschaft segnen müßten? Immerhin sen es also unläugbar, M. Z., daß unser Körper gebrechlich und unzählbaren Uebeln ausgesezt ist; wir würden der Schrift, wir würden den Entscheidungen einer unverdorbenen Empfindung widersprechen, wenn wir diese Uebel für Merkmale einer traurigen Einkerkerung unfers Geistes in demselben halten wollten.

Dagegen fällt es desto deutlicher in die Augen, daß sie zum Theil unvermeidliche Folgen heil samer Naturgefeße sind. Auf jede Einrichtung, welche Gott getroffen hat, lehrt uns das Christen: thum merken, M. 3., es gebietet. Nachdenken über Alles, was wir in der Natur veranstaltet sehen. Ift es aber nicht offenbar, daß bey den Gesehen, welche Gott derselben vorgeschrieben hat, und vorschreiben mußte, eine gewisse Gebrechlichkeit unsers Leibes und mancherley Krankheiten desselben gar nicht vermieden werden konnten? Unser Körper ist mit so vie ler Kunst gebaut, ist so fein gegliedert und ausgebildet, besteht aus so viel zarten, leicht verleßbaren Theilen, daß wir uns wahrlich nicht sowohl darüber verwundern sollten, daß zuweilen Unordnungen in demselben entstehen, als vielmehr darüber, daß derselben nicht mehr sind. Mußte aber unsrer Seete eine so zarte, künstliche Wohnung, in der freylich leicht etwas stocken, zerreissen, geschwächt werden kann, nicht nothwendig angewiesen werden, wenn sie fähig seyn sollte, fein und lebhaft zu empfinden, und alle ihre Kräfte glücklich zu äussern? Hier fand keine Wahl statt; entweder mußte Gott uns einen Leib geben, der Schwachheiten und Schmerzen eben so stark fühlen konnte, als Vergnügen und Luft; oder uns aller Empfindung, und mithin auch alles Lebens und aller vernünftigen Thätigkeit berauben. Hiezu kommt, daß wir auch mit der äussern Welt in Verbindung stehen sollten. Aber mußte diese äußre Welt nicht nothwendig eine Menge von Gegenstän den enthalten, die dem zarten Gewebe unsers Körpers ben aller sonstigen Nußbarkeit doch auch nachtheilig werden, und es zerstören können? Ist es nicht eben die Luft, welche wir athmen, was uns auch Krankheiten zuführen, und gefährliche Seuchen verbreiten kann? Ist es nicht eben das Wasser, das uns erquickt, und unsern Durst labt, was uns auch ersticken und tödten kann? Ist es nicht eben

das Feuer, das uns wärmt, und uns tausend Bez quemlichkeiten verschafft, was uns auch quälen und verzehren kann? Ist die ganze Natur nicht voll von Gegenständen und Veränderungen, die bald zu unsrer Fortdauer, bald zu unserm Vergnügen unentbehrlich sind, und doch unter gewissen Umständen für unsern Körper schädlich, und Ursachen seines Untergangs werden können? Lasset uns billig seyn, M. 3., lasset uns nicht Unmöglichkeiten verlangen. Unverletzliche Fühllosigkeit und zarte Empfindung konnte unser Leib doch offenbar nicht zugleich haben; Gott selbst konnte nicht bewirken, daß der Einfluß der Aussenwelt nie zu unserm Nachtheil gereichen möchte. Die Gebrechlichkeit und die Krankheiten unsers Leibes sind zum Theil unvermeidliche Folgen heilsamer Naturgefeße.

Sehet hinzu, auch Wirkungen unsrer gesellschaftlichen Verhältnisse. Nicht einmal fortdauern, geschweige denn sich bilden und glücklich seyn kann der Mensch, wenn er nicht im Schoose der Gesellschaft lebt, nur hier kann er werden und geniessen, was er werden und geniessen soll. Aber ist Gesellschaft ohne Zusammenseyn und Annäherung ist sie ohne wechselseitige Dienstleistungen, ist fie ohne Betreibung unzähliger Geschäfte, ist sie ohne Vertheilung gewisser Lebensarten und unabläsfiges Verkehr möglich, und können diese Verhältnisse nicht lauter Quellen mannigfaltiger, zerstörender Uebel für unsern Körper werden? Sind Wohnungen, find Städte und Gegenden, wo groffe Mengen von Menschen zusammengedrängt leben, nicht in mehr als einer Hinsicht gefährlich, sind sie nicht der wahre Siß schneller Ansteckung, schädlicher Mißhandlungen und entnervender Schwelgeren? Sind die Dienste, die wir einander zu leisten haben, nicht bald so beschwerlich, bald mit so nachtheiligen Umständen verknüpft, daß wir auf mehr als eine Art daben Scha

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