ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

danken zu sammeln, und sie auf uns selbst zurückzuz ziehen. Sehet da den wichtigen Zeitpunct, wo Gott euch Licht über euch selbst geben, wo er euch über die wahre Verfassung eures Herzens aufklären will, wenn ihr nur hören und lernen wollet! Wollet ihr wissen, welchen Fehlern ihr am meisten ergeben send, und welche Triebe eures Herzens noch eine schädliche Gewalt behaupten: erinnert euch an die Ursachen eurer Krankheit, sorschet nach, wodurch ihr sie euch zugezogen habt, und ihr werdet bald belehrende Entdeckungen machen. Wollet ihr wissen, ob ihr ein nüßliches, und für Andre wichtiges Leben führet, ob ihr euch auf eine Art betraget, die euch Uchtung und Beyfall erwirbt: sehet euch um, mit welcher Theilnehmung man euch in euern Krankheiten betrachtet, welche Beweise des Wohlwollens und Liebe, oder der Gleichgültigkeit und Geringschäbung ihr erhaltet, und ihr werdet bald belehrende Entdeckungen machen. Wollet ihr wissen, in welcher Ordnung eure Angelegenheiten sind, welchen Fleiß in eurem Beruf, welche Treue in euren Geschäften, welchen Eifer bey Erreichung eurer Abfichten ihr bisher bewiesen habt: überleget, in welchem Zustand ihr alles verlassen würdet, welchen Benfall eurer Mitmenschen ihr erhalten, oder welchen Tadel ihr fürchten müßtet, wenn eure Krankheit sich mit eurem Tod endigen sollte, und ihr _werdet bald belehrende Entdeckungen machen. Wollet ihr endlich wissen, wie ihr mit Gott stehet, und in welcher Verfassung sich euer Herz befindet: fraget euch selbst, mit welcher Freudigkeit ihr die Welt verlassen, und vor seinem Richterstuhl ́erscheinen würdet, wenn eure Krankheit euch der Ewigkeit überge ben sollte, und ihr werdet bald belehrende Entde ckungen machen. Glücklich, glücklich, wer die Tage der Krankheit und Stille zu solchen Ueberlegungen anvendet! Und wenn er sich noch so lange selbst verkannt haben sollte: hier wird ihm ein Licht auf

gehen, hier werden die Blendwerke der Eigenliebe verschwinden, hier wird er sich in der Gestalt erblicken, die er vor dem Richterstuhle der Wahrheit hat. Wir sollen unsre Krankheiten zu einer heilsamen Selbsterkenntniß gebrauchen.

[ocr errors]

Aber noch mehr; sie sollen uns zur Uebung im Guten dienen. Denn es giebt Tugenden, M. 3., die sich nirgends besser lernen, nirgends glücklicher beweisen lassen, als in den Tagen der Schwachheit, als auf dem Siechbette. Es ist Got: tes Gebot an euch, diese Gelegenheit, im Guten zu wachsen, nicht ungenüzt zu lassen, sobald sie euch zu Theil wird. Wohlan also, wenn wir hilfsbedürftig auf unserm Lager schmachten, und es so innig füh len, wie bald es mit uns aus seyn kann: so lasset uns Demuth lernen, so lasset uns den kindlichen Stolz, und die thörichte Eitelkeit, die in gefunden Tagen uns so leicht aufbläht, aus unsrer Seele vertilgen. Wenn der Schmerz unsre Glieder lähmt, wenn wirs fühlen, wie viel Geduld Andre mit uns haben, welchen Eckel sie überwinden, wie viel Bequemlichkeiten fie sich versagen müssen, um uns beyzustehen: so lasset urs Gefälligkeit und Sanftmuth lernen, so lasset uns jene Härte, jenen Uebermuth, jene gebieterische Strenge, mit der wir in gesunden Tagen Andre so oft be Handeln, ablegen und verbessern. Wenn wir die Ge walt der Krankheit empfinden, wenn es nicht möglich ist, uns sogleich von der Qual zu befreyen, die uns peinigt: so lasset uns Geduld und Standhaftigkeit lernen, so lasset uns jene Weichlichkeit, jene übertriebene unmännliche Empfindlichkeit, der wir uns sonst so gern überlassen, besiegen und überwinden. Wenn es endlich ungewiß ist, wie unsre Krankheit fich endigen wird, wenn wir zweifelhaft zwischen Lod und Leben hin und wieder wanken: so lasset uns Unterwerfung unter Gottes Fügungen lernen, so lasset uns kindliches Vertrauen durch Christum zu ihm

fassen,

fassen, und mit Gelassenheit erwarten, was er über uns beschliessen wird. Gesunder am Geist, ge schmückt mit neuen Tugenden, und geübter zu allem Guten werdet ihr euer Krankenlager verlassen, wenn ihr die Schwachheiten eures Körpers so anwendet, wenn ihr sie so mit christlicher Weisheit zu eurer Bildung gebrauchet.

Aber vornämlich lasset euch durch dieselben zu einem höhern Grade wahrer Menschenliebe erwärmen. Unmöglich kann es uns irgendwo ein: leuchtender werden, wie sehr Liebe, wie sehr wechsel: seitiges Wohlwollen und thätige Hülfe in jeder Art der Noth Pflicht für uns sen, als auf dem Kran kenbette; hier, wo wir so ganz abhängig von dem Erbarmen und der Unterstüßung Andrer sind, kann uns gar kein Zweifel übrig bleiben, Gott habe die Schwachheiten unsers Leibes zu einem. Bande der menschlichen Gesellschaft machen, er habe uns alle dadurch antreiben wollen, freundlich und treu einander beyzustehen. Unmöglich kann es uns irgendwo einleuchtender werden, wie sehr sich zärtliche, aus herzlichem Wohlwollen und uneigennütziger Güte ents springende Unterstüßung von den kalten Dienstleistungen erkaufter Miethlinge unterscheidet. Uch nur die Pflege der wahren theilnehmenden Liebe ist wirklich erquickend für den gequälten Leidenden, schafft ihm wirklich Erleichterung! Lasset uns dieß nicht um sonst bemerken, wenn wir krank sind; lasset uns viels mehr den Entschluß fassen, eben die edle wohlthätige Liebe, die uns da alles erleichtert, die unsre Noth vermindert, ohne die wir hilflos und verlassen seyn würden, auch gegen unsre Brüder immer eifriger und vollkommner zu beweisen. Und dabey überle get, ich bitte euch, welcher Gedanke euch beym Lei den noch die meiste Beruhigung giebt, was euch, wenn ihr krank send, wenn die Vorstellung bey euch rege wird, daß Gott euch vielleicht von der Welt abforDr. Reinh, vollst. Predigtsammlg. 3.TH. D

dern möchte, noch am meisten tröstet. O das Be wußtseyn, nicht umsonst gelebt, etwas Gutes gestis: tet, Menschen belehrt, gebessert, beglückt zu haben, das Bewußtseyn, beym Scheiden von der Erde die Liebe und den Dank derer mitzunehmen, mit denen man in Verbindung gewesen ist, dieses Bewußtseyn ist es, was die meiste Linderung in unsre Qualen mischt, was mitten im Leiden am Meisten aufheitert. Versäumet nicht, durch wahre Verdienste um eure Brüder es euch zu verschaffen; kehret von eurem Krankenlager in das thätige Leben nie anders, als mit dem Vorsatz zurück, eure wiederhergestellten Kräfte immer gewissenhafter zum Wohl Andrer an: zuwenden, und die Menge derer immer grösser zu machen, die mit Thränen des Danks und der Liebe an eurem Grab einst sagen werden: für uns hat er gearbeitet; für uns hat er gelebt.

Endlich, M. Br., sey uns jede Krankheit eine Erinnerung an unsern künftigen Ueber gang ins Vaterland. Wir vergessen es so leicht, daß wir hier keine bleibende Stätte haben, wir verlieren uns gern in Entwürfe, Geschäfte und Unternehmungen, die sich bloß auf dieses Leben bezie hen, und treffen Anstalten, als ob wir ewig hier bleiben sollten. Jede Krankheit, jede Erschütterung dieser zerbrechlichen Hütte ist eine Widerlegung jener Träume von langem Leben und von irdischer Wohlfahrt, denen wir so gern nachhängen, und erinnert uns daran, daß wir den Erdkreis mit allen seinen Gütern und Freuden vielleicht bald werden verlassen müssen. Lasset uns diese Erinnerung nicht scheuen, M. Br., lasset sie uns vielmehr dazu nüßen, das Gefühl unsrer Würde in uns zu er wecken, und unsern Geist dahin zu erheben, wo sein rechtes Vaterland ist, wo er erst recht anfangen soll, zu leben, zu wirken, und zu geniessen. - Wie wohlthätig werden unsre Krankheiten für uns wer

[ocr errors]

den, wenn wir sie als Bothen Gottes betrachten, die uns unsern immer näher kommenden Hingang verkündigen! O dann werden wir mit edler Ge schäftigkeit, weil die flüchtigen Stunden dahin eilen, Gutes schaffen, so viel wir können; werden mit dankbarer Heiterkeit und Mässigung' geniessen, was uns Gott auf unsrer Pilgerschaft darbietet; und dabey immer bereit seyn, zu scheiden, sobald er gebietet! Mit dieser ruhigen, ächt christlichen Fassung erfülle Gott euch alle, M. Br., und verwandle jedes Leiden, das euch treffen wird, für euch in Quellen wahrer, ewigdauernder Segnungen durch seinen Geist um Jesu Chrifti willen; Amen.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »