ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Aussaße behaftet waren, hielt man für unheilbar; und gesezt, diese Elenden hätten doch noch eine schwache Hoffnung zu ihrer Wiederherstellung genährt, so konnz ten sie dieselbe wenigstens nicht sobald vermuthen, son dern mußten sie vom langsamen Gange der Zeit erwar ten. Plößliche Veränderungen unsers Schicksals find also Begebenheiten, durch die unser äusserliches Wohl weit eher anders wird, als es nach unsern Einsichten und Vermuthungen von der Zukunft geschehen konnte.

Hieraus ist der Eindruck verständlich, den fie, fie mögen angenehm oder unangenehm seyn, auf unsre Seele machen. Nothwendig bringen sie ein Befremden hervor, das unsre bisherigen Vorstellungen und Gedanken sehr merklich unterbricht. Alles unerwartete, es bestehe, worin es wolle, veran laßt dieses Stillestehen unsrer Gedanken, diese Verles genheit der Seele, die sich nicht gleich zu helfen weiß, die sich genöthigt sieht, auf einmal eine Menge von fremden Vorstellungen aufzunehmen, auf welche sie nicht im mindesten vorbereitet war. Daher kommt es eben, M. Z., daß wir so ausser uns find, wenn uns plößlich etwas Angenehmes oder Unangenehmes widerfährt, daß unsre ganze Seele gleichsam arbeitet, sich dessen bewußt zu werden, was mit ihr vorgeht; daß uns alles eine Zeit lang ein Traum zu seyn scheint, dessen Wirklichkeit wir noch in Zweifel ziehen; daß wir zulezt nicht mehr fähig sind, irgend etwas anders zu Denken, als unsre neue Verfassung. Alle unsre vorigen Gedanken sind dann wie verschwunden; alles scheint uns verwandelt und anders; wir denken und empfinden nichts weiter, als was so plößlich, se ganz wider unsre Erwartung vorgegangen ist.

Ist dieß aber der Eindruck, den eine plößliche Veränderung unsers Schicksals bey uns hervorbringt (und wer sollte dieß nicht aus eigner Erfahrung_wissen?): so läßt sich leicht einsehen, wie dieser Eindruck mit unsern Gesinnungen zusammenhänge. Unfre Gesinnungen nämlich sind der Inbe

[ocr errors]

griff von Grundsäßen und Urtheilen, die uns so geläufig worden sind, daß unsre Gefühle und Handlungen sich darnach richten. Nun giebt uns aber jede plößliche Veränderung unsrer Umstände eine Menge von neuen Vorstellungen, die wir vorher noch gar nicht hatten, oder doch nicht mit der Klarheit, nicht von der Seite, nicht in der Verknüpfung dachten, in der sie uns nun erscheinen. Nothwendig fangen wir also an, über vie les ganz anders zu urtheilen, als bisher, und unsre Meynungen nach den neuen Umständen zu formen. Hiezu kommt, daß das Neue, welches sich uns mit so grosser Gewalt aufdringt, unsre ganze Seele gleichsam erschüttert, und ihre vorigen Einsichten und йeberzeugungen in Verwirrung bringt. Um so leichter wird es also unserm Geiste werden, auch ganz andre Grundfäße anzunehmen, und die alten, welche so viel von ih rer Kraft verloren haben, und zu der veränderten Lage der Dinge nicht recht zu passen scheinen, mit Gleichgültigkeit fahren zu lassen. Und so ist es denn sehr begreiflich, wie plötzliche Veränderungen unsers Schickfals mit unsern Gesinnungen zusammenhängen; warum diese selbst so sehr dabey verändert werden; und wie es zugeht, daß Menschen, die auf einmal glücklich oder unglücklich geworden sind, gleichsam verwandelt scheinen, und sich nicht mehr ähnlich sehen. Es ist nur der Vorzug feltner ausserordentlicher Menschen, über alle Zufälle erhaben zu seyn, und sich in Glück und Unglück immer gleich zu bleiben; jedes gewöhnliche menschliche Geschöpf ändert mehr oder weniger seine Gesinnungen, sobald es eine plößliche Veränderung seines Schicksals erfährt.

Doch ich wollte heute bloß den nachtheili: gen Einfluß des plößlichen Glücks auf die Gesinnungen der Menschen beschreiben, denn dieß ist die Betrachtung, auf die uns das Verhalten der Aussäßigen im Evangelio leitet. Es ist nämlich theils aus der Natur solcher Veränderungen verständlich, theils nach der Erfahrung gewiß, daß flüchti

ger Leichtsinn, daß Vergessen der vorigen Grundsäße und Empfindungen, daß Selbstgefälligkeit und Hochmuth, daß endlich FühlTosigkeit gegen Unglückliche die gewöhnlichen Wirkungen sind, die ein plößliches Glück bey denen hervorbringt, die es erfahren.

Flüchtiger Leichtsinn ist die erste dieser Wirkungen. Denn was anders als dieser Leichtsinn konnte die neun Ausfäßigen im Evangelio hindern, zu ihrem Wohlthäter zurückzukehren, sobald sie sich geheilt sahen, und ihm für das neue Leben zu danken, das er ih nen geschenkt hatte? Aber bemerket, welchen Schwung ihr flüchtiger Geist von der neuen Kraft empfängt, die er in seinem Körper fühlt. Kaum sind sie von Jesu weggegangen, so sehen sie ihren Aussat verschwinden, so empfinden sie es, daß sie sich den Priestern zeigen, und erwarten dürfen, von diesen für rein erklärt zu wer den. Dieser frohe Gedanke verbreitet über sie eine so ausschweifende leichtsinnige Freude, daß sie nicht einmal den kleinen Weg zurück machen wollen, um Jesu für ihre Heilung zu danken, sondern nur nach Jerusa= lem eilen, um im Tempel das Zeugniß ihrer Reinigkeit zu erhalten. Und was ist natürlicher, M. 3., als daß ein plötzliches Glück die Seele mit einem solchen Leichtsinn erfülle? Jede lebhafte Freude giebt unserm Geist einen gewissen freyen Schwung, unsern Gedanken eine schnelle leichte Folge, die das gerade Gegentheil von Ernst und Bedachtsamkeit ist, und uns, wenn wir uns nicht bey Zeiten mässigen, zum Leichtsinn vorbereitet. Wann ist aber unsre Freude lebhafter, als wenn uns eine glückliche Veränderung plößlich überrascht, und eben dadurch doppelt angenehm wird? Wie oft schreibt sich also jener Leichtsinn, der so Manchen von einer Thorheit zu der andern, wohl gar von einer Ausschweifung zur andern fortreißt, von dem Zeitpuncte eines plößlichen Glücks her, das ihm begegnete! Wie Mancher, der in seiner Dürftigkeit ernsthaft und bedachtsam war, ist flüchtig und unbesonnen, seitdem

er schnell reich geworden ist! Wie Mancher, der an eis nem wichtigen Entwurfe mit vorsichtiger Ueberlegung arbeitete, überläßt sich allen Ausschweisungen des Leichtsinns, seitdem ihm alles wider Erwarten gelun: gen ist! Wie Mancher scheint bloß deswegen von einer gefährlichen Krankheit genesen zu seyn, um desto geDankenloser in den Tag hinein zu leben! Es ist sehr gewöhnlich, es ist leicht begreiflich, daß flüchtiger Leichtsiun die nachtheilige Wirkung haben kann, die ein plößliches Glück in unsern Gesinnungen hervorbringt.

Und so kann denn aus demselben auch ein Vergessen der vorigen Grundsäße und Empfin Bungen entspringen. Wie viel Ehrfurcht gegen Jefum, wie viel Aufmerksamkeit auf ihn, wie viel Vertrauen zu ihm äussern die Ausfäßzigen im Evangelio, so lange sie noch die Schmerzen ihrer Krankheit empfins den! Aber wie schnell ist dieß alles vergessen und vers schwunden, sobald sie sich geheilt sehen; wie wenig den Een fie an den Urheber ihres Glücks zurück, dem sie. immerwährenden innigen Dank angelobt haben wür den, wenn er dieß hätte zur Bedingung ihrer Genesung machen wollen! Während ihrer Krankheit hatten sie einen Samariter unter sich geduldet, der ein gleiches Schicksal mit ihnen hatte; das Unglück hatte sie zu Freunden eines Menschen gemacht, mit welchem sie als Juden keinen Umgang hätten pflegen sollen. Aber diese ganze Freundschaft ist auch auf einmal zu Ende, der bisherige Grundsatz vernünftiger Duldung ist ver schwunden, sobald sie sich gesund fühlen; nun kennen fie den verächtlichen Irrgläubigen nicht mehr, nicht einmal umkehren wollen sie mehr mit ihm, um ihrem gemeinschaftlichen Wohlthäter ihren Dank zu bringen. Soll ich euch an ähnliche Fälle erinnern, M. Z., die Das tägliche Leben in Menge enthält? Wo sind jene Vorfäße, wo sind jene frommen Entschliessungen und Gelübde, die so Mancher auf seinem Krankenbette faßt und thut, wenn Gefahr des Todes ihm droht? Ist es nicht, als ob sie seinem Gedächtniß auf einmal entfal

len

len senen, als ob er gar nichts mehr davon wisse, sos bald die Gefahr vorben ist? Wo sind die Gesinnun gen der Liebe, der Zärtlichkeit, der Freundschaft ben so Manchem, den ein unerwartetes Glück plößlich über uns erhoben hat? Ist es nicht, als ob er vergessen hätte, wer wir sind, als ob er uns nicht mehr kennte; ist es nicht, als ob das Andenken an alles, was er ehemals gegen uns empfand, und was wie ehemals. ihm waren, erloschen wäre, seitdem er nicht mehr uns fers Gleichen ist? Wo sind jene Gesinnungen der Menschenliebe, des thätigen Fleißes, der Arbeitsama keit, der strengen Ordnung, die jener Reiche hatte,. als er noch arm war? Ist es nicht, als ob sein plößliches Glück ihn zu einem andern Menschen gemacht, jene Tugend vertilgt, und die entgegenstehenden Fehler an ihre Stelle gesezt hätte? Es ist sehr gewöhnlich, es ist leicht begreiflich, daß Vergessen der vorigen Grundsäße und Empfindungen die nachtheilige Wire kung seyn kann, die ein plötzliches Glück in unsern Gesinnungen hervorbringt.

Aber eben so leicht wirkt es auch Selbstgefäls ligkeit und Hochmuth. Denn was ist natürlicher, als daß wir anfangen, eine hohe Meynung von uné selbst zu fassen, sobald wir uns für Günstlinge des Glücks halten, denen nicht leicht etwas fehlschlägt; sobald wir uns wider Vermuthen in dem Besiß sol cher Güter und Vorzüge sehen, durch die wir auf einmal weit mehr vermögen, als sonst. Wie leicht schreis ben wir dann auf die Rechnung unsrer Verdienste, unfrer vorzüglichen Würdigkeit, unsrer ungemeinen Kräfte und Talente, was Zufall war, und seinen Grund in ganz andern Ursachen hatte! Finden sich nicht noch überdieß bald niedrigeSchmeichler, welche diesen Wahn bestärken, welche von Eigennuß getrieben, sich vor uns demüthigen, und unserm Stolze Nahrung verschaffen? Sehet auf die, die ein plößliches Glück aus der Nies drigkeit und Armuth in beßre Umstände versezt hat; nur selten werdet ihr diese nachtheilige Folge desselben

D. Reinh, vollfi. Predigtsammlg, 3. Th.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »