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eben diese merkliche Abwechslung unsrer Umstände sey eine Ermunterung für uns, recht oft Vergleichungen anzustellen zwischen dem, was wir jezt sind, und zwis schen dem, was wir ehemals waren. Je öfter wir dieß thun, je lebhafter wir uns die ganze Reihe unsrer Schicksale vorstellen: desto mehr werden unsre chemaligen Gefühle sich in uns erneuern; desto stärker werden wir empfinden, wie dem Armen zu Muthe_ist, wenn wir einst selbst arm waren; wie der Gedrückte und Niedrige denkt, wenn wir einst selbst unter dem Drucke lebten; was der Kranke fühlt, wenn wir einst selbst so litten; desto mehr Fähigkeit, durch das Elend und den Jammer Andrer gerührt zu werden, werden wir selbst im Glücke beybehalten, und so dir, dir nachahmen, Herr Jesu, der du auch in der Herrlichkeit ein treuer Hoherpriester bist, und Mitleiden haben kannst mit unsrer Schwachheit. Du sißest zur Rechten der Majestät im Himmel, und bist Herrscher über alles; aber die Herrlichkeit des Himmels hat jene Lie: be, jenes zarte menschliche Gefühl nicht aeschwächt, mit welchem du in deiner Niedrigkeit der Freund, der Trost, der Wohlthäter aller Leidenden warst. Ach was wären wir, wenn die kleinen unbedeutenden Ver: änderungen dieses Lebens uns gegen die verhärteten, die du, Sohn des Allmächtigen, würdigest, deine Brüs der zu nennen! Nein, den Weg der Liebe, der Sanft: muth, des Wohlwollens wollen wir betreten, der dich zur Herrlichkeit führte; wir wollen uns bestreben, ges finnt zu seyn, wie du. Ogieb uns deinen Geist, Herr Jesu, gieb uns deinen Sinn! Amen.

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Am funfzehnten Sonntage nach Trinitatis.

Nichts muß für den ernsthaften und nachdenkenden Beobachter dessen, was auf Erden_geschieht,_merkwürdiger seyn, M. 3, als das verworrene Schauspiel der menschlichen Bestrebungen. So zahlreich auch das menschliche Geschlecht ist; so groß auch die Unterschiede des Alters, des Standes und des Volks sind; so weit auch die äussern Umstände, Verfassungen und Einrichtungen von einander abweichen, in welchen die Menschen einzeln sich befinden und leben: so ist doch alles in unaufhörlicher Bewegung; alles verfolgt ge wisse Endzwecke; alles strebt, seine Kräfte zu äussern und sein Daseyn durch gewisse Wirkungen zu erken: nen zu geben. Und welch ein Kampf, welch ein selt: fames Gemisch einander entgegenlaufender Bestrebun gen entspringt aus dieser Bemühung! Je stärker der innre Trieb ist, welcher die Menschen in Bewegung fest; ie weiter sie sich mit ihrer Geschäftigkeit aus: breiten, und je mehr Gegenstände sie in den Umkreis derselben ziehen: desto leichter begegnen sie einander, desto gewisser werden sie einander hinderlich, desto mehr sehen sie sich genöthigt, entweder einander auszuweichen, oder sich in einen Streit einzulassen, dessen Ausgang immer ungewiß ist. Ein immerwährendes Jagen nach gewissen Vortheilen; ein ängstliches Be streben, es Undern zuvorzuthun, und ihnen den Rang abzulaufen; ein unablässiges Aufbieten aller nur mög

lichen Künste, sich Undern bemerklich und wichtig za machen; eine fast unglaubliche Anstrengung endlich, die Qual der langen Weile abzuwenden, und jeden Augenblick des Lebens mit angenehmen Unterhaltungen auszufüllen: dieß ist es, was ben der menschlichen Thätigkeit am meisten in die Augen fällt, was man wahrnimmt, man mag auf Erden hinsehen, wo man will.

Aber unmöglich kann dem, der dieses sonderbare Schauspiel mit Nachdenken betrachtet, die Bemers kung entgehen, M.Z., daß ben weitem die meisten dieser Bestrebungen eitel sind, und nie eine Wirkung hervorbringen, mit der die Vernunft zufrieden seyn könnte. Ach unzählige Menschen, die ihre Kräfte das ganze Leben hindurch angestrengt haben, und unaufhörlich in unruhiger Bewegung gewesen sind, ver schwinden beym Tod aus der menschlichen Gesellschaft, ohne auch nur eine merkwürdige und dauerhafte Spur ihres Daseyns zurückzulassen. Es giebt. Absichten und Entwürfe, an deren Ausführung ganze Gesellschaften, ganze Völker mit einem ungeheuern Aufwande von Kraft seit Jahrhunderten arbeiten, und die noch immer unvollendet sind, von denen es sogar ungewiß ist, ob sie jemals vollendet werden können. Und wem wird es nicht beym Nachdenken über sein tägliches Thun und Wirken, mehr als ihm lieb ist, deutlich, daß er sich häufig ganz umsonst anstrengt, daß er seine Zeit und seine Kräfte in unzähligen fruchtlosen Handlungen verschwendet, und daß er nach den fortgesezten treuen Bemühungen vieler Jahre seinem Endzweck noch um keinen Schritt näher ist.

Sollte es denn das traurige Loos der Men schen seyn, zu wirken, und nichts auszurichten, unaufhörlich Bewegungen zu machen, und nicht weiter zu kommen; sollte ein grausames unwidertreibliches Schicksal sie dazu bestimmten haben, sich einige Jahre hindurch in einer zwecklosen Anstrengung zu erschö pfen, und dann ohne allen wahren Gewinn von dem

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Schauplaß dieses eitlen Tumults wieder abzutreten? O wie wären wir zu bedauern, M. Br., wenn dieg so wäre, wenn es nicht in unsrer Macht stünde, un: nüßen Bemühungen vorzubeugen, und unsrer Thäs tiakeit eine weise, fruchtbare, noch für eine andre Welt wichtige Einrichtung zu geben! Höret den, der vom Himmel auf die Erde gekommen ist, das größte Geschäft zu vollenden, das man jemals unternommen hat; höret den Sohn Gottes im heuti gen Evangelio über menschliches Thun und Wirken urtheilen: und ihr werdet die Ursachen kennen ler nen, warum unsre Bemühungen so oft thöricht und eitel sind; ihr werdet aber auch überzeugt werden, daß es möglich sey, Absicht und Zusammenhang in unsre Bestrebungen zu bringen, und Früchte zu schaf fen, die noch in der Ewigkeit genossen werden kön: nen. O laß es uns gelingen, Herr Jesu, dir nachzuahmen! Laß uns gleichgültig gegen alles, was eines vernünftigen, zu ewigdaurenden Endzwecken bes stimmten Wesens unwürdig ist, alle unsre Kräfte, alle unsre Bestrebungen auf das allein richten, was du uns als das rechte Ziel augewiesen hast! Auf dich soll unser Blick gerichtet seyn; dir, der das Werk des Vaters so herrlich vollendet hat, dir, dem Führer zur Tugend und zur Unsterblichkeit, wollen wir folgen. Wir flehen um deinen Segen in stillen Gebeten.

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Evangelium: Matth. VI. v. 24-34.

Niemand kann zweyen Herren dienen, entweder er wird einen hassen, und den andern lieben; oder wird einem anhan, gen, und den andern verachten. Ihr könnet nicht Gott dienen und dem Mammon. Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Les ben mehr, denn die Speise? Und der Leib mehr, denn die Kleidung? Sehet die Vögel unter dem Himmel an, sie såen nicht, sie erndten nicht, fie sammlen nicht in die Scheinen; und enter himmlischer Vater ernähret sie doch. Send ihr denn nicht viel mehr denn sie? Wer ist unter euch, der

feiner Länge eine Elle zusehen möge, ob er gleich darum forget? Und warum forget ihr für die Kleidung? Schauet bie Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: fie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist, als der. felben eins. So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, das doch heute stehet, und morgen in den Ofen ge worfen wird: sollte er das nicht vielmehr euch thun? o ihr Kleingläubigen! Darum sollt ihr nicht sorgen und sa gen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach solchem allen trach. ten die Heiden: denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr deß alles bedürfet. Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen. Darum forget nicht für den andern morgen denn der morgende Tag wird für das seine sorgen. Es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.

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Voll von treffenden Bemerkungen über das Thörichte, Zwecklose und Eitle in der Thätigkeit und den Bestrebungen der Menschen ist das vorgelesene Evangelium, M. 3. Wir dürfen die Erinnerungen Jesu in demselben nur sammeln, um dadurch auf alles geführt zu werden, was zu dieser Eitelkeit ge= hört. Aber noch mehr. Jesus läßt es nicht dabey bewenden, zu zeigen, wie vergeblich und widersinnig die menschlichen Sorgen und Bemühungen zu seyn pflegen er giebt auch eine Anweisung, wie alles besa ser einzurichten sen, und welches Ziel unser Streben Haben müsse, wenn es nüßlich und weise seyn soll. Lasset uns diesen wichtigen Inhalt des Evangelit auch zum Inhalt unsrer heutigen Betrachtungen wählen; lasset uns untersuchen: wozu uns das Eitle antreiben soll, das in der gewöhnlia chen Geschäftigkeit der Menschen herrscht. Wir wollen vor allen Dingen dieses Eitle, nach Anleitung des Evangelii, genauer kennen Iernen; hernach aber sehen, wozu es uns antreiben soll.

Unfre Geschäftigkeit ist eitel, M. 3., wenn sie entweder gar keine Absicht hat, sondern ein unver

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