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ziehen sie die menschliche Aufmerksamkeit an sich! Kaum hatte sich die Menschheit über die niedrigsten Stufen der rohesten Wildheit erhoben: so bildete fie schon Träume von einem künftigen Leben; so fühlte sich schon das Bedürfniß, über ihr Schicksal beym Tode nachzudenken; so reizte die allgemeine Herrschaft desselben schon ihre Forschbegierde. Und so find wir es denn größtentheils dem Tode schuldig, daß die grosse Wahrheit von der Unsterblichkeit uns frer Seele durch das fortgesezte Nachdenken so vies ler Weisen immer mehr Licht und Gewißheit erhalten hat; wir sind es größtentheils dem Tode schuldig, daß die Erkenntniß von Gott, von seinen Ge: sinnungen und von seinen Rathschlüssen über uns imuner deutlicher, trostvoller und beruhigender gewor den ist; wir sind es größtentheils dem Tode schuldig, daß unser Geist seinen hohen Beruf, weise, tugendhaft und fromm zu werden, und für eine beßre Welt zu leben, immer lebhafter hat empfinden lernen; wir sind es größtentheils dem Tode schuldig, daß wir das helle Licht, das uns Jesus Christus vom Himmel brachte, daß wir die neuen, herzerhe benden Aufklärungen, welche_er uns über diese Wahrheiten gab, mit ganzer Seele auffassen, und uns einprägen. Bedürften wirs nicht, erweckte die Furcht, mit der wir dem Augenblicke des Todes ent gegensehen, nicht schmachtende Sehnsucht nach Licht über unser zweydeutiges Schicksal beym Sterben: welchen, Reiß, welchen Antrieb könnten wir haben, uns zu den wichtigsten Wahrheiten zu erheben, uns durchzuarbeiten durch die täuschenden Irrgänge so vieler Zweifel und Vorurtheile, und vorzudringen bis an die äussersten Gränzen der menschlichen Erkenntniß? Du hast uns dem Tod unterworfen, allmächtiger Gebieter über unser Schicksal; aber du hast es gethan, um uns zu dir zu führen; um uns zu reißen, dich aufzusuchen in der ganzen Natur; um uns zu gelehrigen Schülern deines Sohnes zu machen;

machen; um durch deine Erkenntniß unsern Geist zu bilden, und ihn zu weihen für die beßre Welt! Ein Beförderer unsrer sittlichen Vollkommenheit ist der Tod, M. Br., denn er hat einen groffen Theil unsrer wichtigsten Kenntnisse veranlaßt.

Aber auch unsrer edelsten Gefühle. Lebhafte Empfindungen entwickeln sich nur dann in uns, M. 3., wenn sich uns wichtige Gegenstände dars stellen, wenn wir an Veränderungen denken, die eis nen großen Einfluß auf unsern Zustand haben, und mit unsrer Wohlfahrt in der genauesten Verbindung stehen. Und diese Gefühle werden um so edler und würdiger seyn, jemehr das, was sie erweckt, mit der Religion zusammenhängt, uns an Gott und Jes fum erinnert, uns die Bestimmung unsrer Natur zeigt, und uns mit Wohlwollen gegen unfre Brüder erfüllt. Aber wo treffen alle diese Umstände mehr zusammen, als beym Andenken an den Tod? Hier vereinigt sich alles, was edle Gefühle in uns aufregen kann, Gefühle, die uns selbst und Andre betreffen.

Ein groffer Theil edler Gefühle, die sich auf uns selbst beziehen, rührt von dem Tode her, der uns bevorsteht. Hier berufe ich mich auf eure Erfahrungen, beßre, ernsthafte, erhabnere Sees len, die ihr Empfänglichkeit für stille Betrachtungen. habt, die ihr fähig seyd, grosse Gedanken zu fassen. Saget es selbst, welchen Ueberlegungen verdanket ihr die meisten jener seligen Stunden, wo ihr mit stiller Wehmuth eure Fehler beweintet, wo ihr die feurigsten Entschliessungen zum Guten faßtet, wo ihr am eifrigsten zu dem betetet, der alles vermag und regiert, wo euer Dank gegen Gott, eure Liebe zu Jefu, eure Sehnsucht nach reicherem Licht, nach reinerer Tugend, nach höherer Vollkommenheit am wirksamsten war; welchen Ueberlegungen verdanket ihr die meisten dieser seligsten Stunden, wo euer Herz so viel gewann, sich so merklich reinigte und stärkte,

Dr. Reinh, voüft. PredigĦammig. 3. Th.

und die ihr nicht vertauschen würdet gegen ganze Jahre einer wilden, rauschenden Freude? War es nicht die Aussicht auf euer Grab, war es nicht der Gedanke an euer Ende, waren es nicht Gefühle eines kränklichen Körpers, die euch Vorboten seiner baldigen Auflösung zu seyn dünkten, wovon ihr in diesen Stunden der einsamen Betrachtung ausgienget, was euch zu denselben vorbereitete, was euch mit dem Ernst erfüllte, der so wohlthätig für euch wurde? Und warum sollten wirs nicht gern geste= hen, geliebte Brüder, daß das Andenken an unsern Tod ganz besonders fähig ist, unser Herz durch gute Empfindungen zu veredeln: da diese wichtige Bez trachtung selbst Jesum so oft beschäftigte, selbst für ihn eine Quelle der erhabensten Gefühle wurde, selbst seine grosse Seele mit dem heiligsten Feuer erfüllte? Und werfet, ich bitte euch, werfet einen Blick auf die rohesten Menschen. Ist noch irgend etwas im Stande, ihr fühlloses Herz zu rühren, und einiges Nachdenken, einige Furcht über ihren gefährlichen Zustand, einige Sehnsucht nach Besserung in ihnen zu erwecken: so ist es die Vorstellung, daß es vielleicht bald aus ist mit ihnen, so ist es ein Blick auf Tod und Grab. Wie viel würde unser Herz verlieren, wie wenig würde es durch edle Gefühle erweicht und verbessert werden, wenn wir nicht im Tod eine Veränderung vor uns sähen, welche sehr lebhafte Bewegungen bey uns veranlassen muß.

Doch diese Gefühle werden auch Andre be treffen. Wie viel der Tod dazu beytrage, Theilnehmung an dem Zustand Undrer in uns zu erwecken, sehet ihr aus dem Evangelio. Die unglückliche Wittwe, die ihren Einzigen zum Grab begleitet, weint nicht allein; viel Volks aus der Stadt gieng mit ihr, sagt der Evangelist; es waren Mehrere von dem Verluste gerührt, den sie gelitten hatte. Und wie tief empfand ihn Jesus, diesen Verlust; wie bald erklärte sich sein sanftes men

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fchenfreundliches Herz für sie, so wenig er sie auch kannte! Da fie der Herr sahe, heißt es, jame merte ihn derselbigen. Wollet ihr untersuchen, M. Z., wodurch euer Herz nach und nach jene Empfindlichkeit erlangt hat, nach der ihr bald eine ge wisse bange Unruhe über Andre fühlet, bald zum ins nigsten Mitleiden gegen sie erweicht seyd, bald Wohl wollen, festen Muth, milde Frengebigkeit, standhafte Anhänglichkeit und treue Liebe gegen sie beweiset; wollet ihr prüfen, was diese menschenfreundlichen Regungen ben euch am meisten unterhält: so werdet ihrs euch nicht verhehlen können, daß der Ge danke, euer Aufenthalt sey ein Aufenthalt unter Sterbs lichen, unter schwachen, leidenden, hinfälligen Geschö pfen, die vornehmste Quelle dieser Empfindungen ist. Es ist der Anblick fiecher, kränkelnder Men: schen, bey denen wir die Merkmale eines nahen To des zu finden menuen, was uns oft besorgt für Andre macht. Es ist der Anblick hinwelkender Mens schen, welche der Tod in der Blüthe des Lebens vers wüstet; der Anblick gebeugter Eltern, werwaister Kinder, getrennter Ehen, zerrissener Freundschaften, verheerter Familien, was unsre Aufmerksamkeit auf Andre hinzieht, unser Herz für sie einnimmt, uns mit Wohlwollen gegen sie erfüllt, einen edlen Eifer, eine Begeisterung für sie hervorbringt, die nie ents standen seyn würde, wenn sie uns durch ihr trauri ges Schicksal nicht merkwürdig geworden wären. Ist es unläugbar, M. 3., daß unsre sittliche Vollkom menheit gar sehr dadurch gewinnt, wenn jenes theils nehmende Gefühl, das in Jesu so wirksam war, er weckt, geübt, gestärkt, veredelt wird, so find wir uns frer gemeinschaftlichen Sterblichkeit viel schuldig; der Tod veranlaßt einen grossen Theil unsrer edelsten Gefühle.

Seßet hinzu, auch unsrer schönsten Handlungen. Wir bedürfen Reiß und Antrieb, M. 3., wenn wir thätig seyn, und von unsern Kräften

einen guten, gemeinnüßigen Gebrauch machen sollen. Auch fällt es in die Augen, daß Gott eine Menge von Einrichtungen getroffen hat, welche die Lust zur Thätigkeit in uns erwecken, und uns gleichsam immer in Bewegung erhalten müssen. Aber gehört der Tod nicht recht sichtbar unter diese Einrichtungen; muß er nicht offenbar das Meiste beytragen, lebendige Wirksamkeit unter den Menschen auszubreiten, und ́auch dadurch wahre Vollkommenheit zu befördern? Ist er es nicht, was unzählige Menschen täglich antreibt, thätig zu eigner und zu fremder Wohlfahrt zu seyn?

Der Tod ists, was täglich unzählige Menschen antreibt, thätig zu eigner Wohlfahrt zu seyn. Denn sehet euch um, M. Z., in der menschlichen Gesellschaft; bemerket, wer in derselben die wenigste Neigung hat, sich anzustrengen, und einen heilsamen Gebrauch von seinen Kräften zu machen. Taufend Beyspiele werden euch belehren, daß die trägsten, die nachlässigsten, die sorglosesten Geschöpfe diejeni gen sind, die sich auf ihre Eltern, auf ihre Freun de, auf Menschen verlassen können, die ihnen alles zu verschaffen im Stande find, was sie bedürfen; ihr werdet mit Erstaunen sehen, daß die unbrauchbarsten Geschöpfe oft gerade die sind, welche von Jugend auf in den glücklichsten Verbindungen gelebt, und nie dringende Ursachen gehabt haben, sich anzustrengen. Und was würden wir alle seyn, M. 3., wenn Gott nicht durch Todesfälle unsre Trägheit zerstreut, wenn er nicht diejenigen von unsrer Seite weggerissen hätte, auf die wir gerechnet hatten, wenn wir nicht zum Theil schon früh durch den Tod unfrer Eltern, unsrer Freunde, unsrer Versorger genöthigt worden wären, durch eignen Fleiß, durch eigne Ueberlegung, durch eigne Wahl unser Bestes zu be fördern? Gehet zurück in der Geschichte eures Lebens, bis auf den Zeitpunct, wo ihr anfienget, mit Ernst über euer Schicksal nachzudenken, wo der erste

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