ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

1

durch Beyspiele beseelt, und bis zu anschaulicher Klarheit gebracht wird? Hatte es nicht schon vor Johanne Lehrer der Tugend genug unter dem jüdis schen Volke gegeben; hatte man die Erklärung der Gesetze Gottes nicht bis zur Spißfindigkeit getrie ben, und sich in weitläuftigen Untersuchungen darüber ausgebreitet? War aber durch alle diese Bes mühungen das klare, lebendige Bild der wahren Tugend erweckt worden, das in den Seelen der Juden erwachte, sobald Johannes erschien, sobald sie das, was man ihnen bisher bloß mit Worten gesagt hat te, in seinem Beyspiel wirklich dargestellt und ausgeführt erblickten? O es ist im strengsten Sinne wahr, M. Z., daß der Weg, durch Worte zu be lehren, mühsam und lang, der durch Beyspiele hingegen kurz und leicht ist. Sind nicht die meisten Menschen unfähig, einen Unterricht, der bloß mit Worten gegeben wird, gehörig zu faffen? Giebt es nicht Tausende, die bey dem Schalle derselben steHen bleiben, und sie dem Gedächtniß einprägen, ohne etwas daben zu denken? Ist nicht manches, was zur Ausübung einer wahren Tugend gehört, so beschaffen, daß kein Ausdruck es ganz erreicht, daß man es schlechterdings selbst erfahren, oder doch an Andern sehen muß, wenn man es gehörig fassen will? Solltet ihre noch nie gemerkt haben, wie viel darauf ankommt, ob ihr eine Pflicht bloß dem Namen nach kennet, oder ihre Ausübung im Leben

[ocr errors]

selbst schon beobachtet und gleichsam mit Augen g

ge sehen habt; ob ein Lehrer euch bloß sagt, was zu thun ist, oder euch durch sein Beyspiel alles deutli cher macht? War es endlich nicht eine Hauptabficht, warum der Sohn Gottes vom Himmel kam, ein fehlerfreyes, vollendetes Bild sittlicher Vollkom menheit aufzustellen, und an einem zuverlässigen Mu fter zu zeigen, was die durchaus veredelte menschli che Natur seyn, und wie sie handeln soll? Wie wichtig muß der Unterricht durch Beyspiele seyn,

wie viel Kraft muß er haben, unsrer Erkenntniß mehr Licht, Vollständigkeit und Brauchbarkeit zu ge ben: da es Gott selbst nöthig gefunden hat, ihn uns auf eine so ausserordentliche Art zu ertheilen; da er mit allem, was er uns von seinem Willen durch Worte kund gethan hatte, auch noch das Bild der erhabensten menschlichen Tugend in dem Beyspiele seines Sohnes verknüpft hat.

[ocr errors]

Aber noch mehr, das gute Beyspiel belehrt nicht bloß, es überzeugt auch. Geschehen bloß Forderungen, hält man uns unsre Pflichten bloß vor, so wird unser Herz, dem daran gelegen ist, ihnen auszuweichen, tausend Zweifel dagegen zu erregen wissen; es wird die Erfüllung derselben bald für schädlich, bald für allzuschwer, bald für ganz unmög lich erklären. Aber welche Ausflucht bleibt uns übrig, wenn das, was wir leisten sollen, von Andern bereits ausgeführt worden ist, oder vor unsern Augen geschieht? Können wir uns weiter darauf ber rufen, daß man beym Gehorsam gegen seine Pflicht seinen wahren Vortheil verliere, wenn wir an unz läugbaren Beyspielen sehen, welche Ruhe der Seele, welche Achtung, welches Ansehen, welcher Genuß die treue Ausübung des Guten begleitet? Können wir uns weiter mit unsrer Schwachheit entschuldigen, und unser Unvermögen vorwenden, um die Beobachtung unangenehmer Pflichten von uns abzuwälzen, wenn Andre mit der That beweisen, daß sich die da mit verbundnen Schwierigkeiten gar wohl besiegen lassen? Dürfen wir es weiter wagen, an der Möglichkeit einer wahren Tugend zu zweifeln, wenn wir uns mit Beyspielen derselben umgeben sehen, gegen deren Aechtheit sich nichts einwenden läßt? So streng auch die Forderungen Johannis waren, so geneigt auch seine lasterhaften Mitbürger seyn mußten, Einwendungen dagegen zu machen, und ihnen ihren Beyfall zu versagen: es geschah nicht, mit

ehrerbietigem Stillschweigen hörte man ihn, man mußte sichs eingestehen, er habe recht, man war darum so ganz und völlig überzeugt, weil er alles selbst that, was er verlangte, weil er mehr leistete, als er seinen Zuhörern zumuthete, weil sein Beyspiel alle Zweifel zu Boden schlug. Nein, so weit können Worte es nimmermehr bringen; man kann unsre Vernunft durch fie gewinnen, man kann uns Beweise vorhalten, gegen die sich nichts weiter sagen läßt. Aber der Widerwille unsers Herzens ist damit noch nicht besiegt, der Vorbehalt, es lasse sich so nicht handeln, ist damit noch nicht weggeräumt. Alle Bedenklichkeiten hingegen verschwinden, sobald der rührende Glanz des guten Beyspiels hinzukommt. Dann kann die Frage gar nicht weiter seyn, ob ge= schehen könne, was geschehen soll; und das abgeneigte Herz fühlt die Würde, die Schönheit, die Gröffe der Tugend, wenn sie durch Beyspiele anschaulich wird, viel zu stark, als daß es nicht willig werdensollte, sie selbst auszuüben.

Doch dieß ist eben das Vierte, was zur Kraft des guten Beyspiels gehört; es ermuntert. Daß es keine eitle Hoffnung war, was Zacharias im Evangelio von seinem Sohne sich versprach, er werde dem Herrn den Weg bereiten: das hat der Erfolg bewiesen; nimmermehr würde Jesus so viel Eingang gefunden haben, nimmermehr würde die Verbreitung der bessern Religion so schnell von Statten gegangen seyn, wenn Johannes nicht eine so heilfame Bewegung gestiftet, und das Volk für die Wohlthaten Jesu empfänglicher gemacht hätte. Aber war es nicht sein gutes Beyspiel, wodurch er diese Wirkung hervorbrachte; war es nicht seine strenge, erhabne, alles mit Ehrfurcht erfüllende Tugend, was seine Mitbürger gleichsam mit einem bessern Geist beseelte, was ihnen Luft, und Kraft, und Muth einflößte, sich über die schimpfliche Sclaveren des Las

sters zu erheben? Und o ich frage euch, die ihr noch ungebessert send, die ihrs wisset, daß ihr der Sünde noch dienet, ob ihr euch nicht gerührt fühlet, ob nicht eine gewisse, edle Wärme euer Herz er greift, ob sich nicht der Wunsch, wohl gar der Vor: satz in euch regt, gut und fromm zu werden, wenn euch Beyspiele der Tugend vor Augen schweben, wenn ihr zuweilen nicht umhin könnet, euch beym Anschauen einer edlen That, euch bey der Betrach tung eines grossen ehrwürdigen Charakters, euch int Umgang mit einem weisen, tugendhaften Menschen zu verweilen? Und ihr, die ihr euch das Zeugniß geben könnet, daß ihr das Gute liebet; woher, ich bitte euch, woher habt ihr diese Liebe; was hat sie in euch erweckt und genährt; was hat euch am meis ften zu dem Eifer entflammt, jede pflichtwidrige Neigung in euch zu bekämpfen; was hat euch in diesem Kampfe gestärkt, und beym Gefühl unzähli- ger Schwierigkeiten immer wieder Muth eingeflößt? Kehret zurück mit euern Gedanken in euer verfloßnes Leben; die ehrwürdigen Bilder tugendhafter Eltern, weiser Lehrer, edler Freunde, grosser Männer, die Bilder guter Menschen aus allerley Zeiten und Ländern, deren Beyspiel euch bekannt wurde, werden sich euch darstellen; ihr werdet eingestehen müssen, daß sie es waren, was euch belebte, stärkte, und zur Nacheiferung entflammte; ihr werdet sagen können, was und wie viel ihr jedem schuldig seyd, ihr werdet im Stande seyn, die gefährlichen Zeit: puncte eures Lebens nachzuweisen, wo ihr gewiß verloren gewesen wäret, wenn nicht bald die Ehrfurcht, bald die Schaam, bald Liebe gegen diesen oder je nen edlen Mann euch gerettet, und euch im Gehorsam gegen eure Pflicht befestigt hätte. Nein, es ist nicht möglich, guten Beyspielen nahe zu seyn, ohne ihren Einfluß zu fühlen, ohne gleichsam unwillkürlich durch sie angezogen, umgeändert und veredelt zu werden; selbst der Bösewicht fängt wenigstens an

[ocr errors]

zu heucheln, wenn er sich von lauter guten Menschen ungeben sieht; und ihr dürfet sicher darauf rechnen, daß Leichtsinn, Bosheit und Fühllosigkeit bey einem Menschen den höchsten Grad erreicht ha ben, wenn kein gutes Beyspiel ihn mehr rührt, wenn er fremde Tugend verachten und ihrer spotten kann.

Doch__nur felten, mur selten wird dieß geschez hen; die Kraft des guten Beyspiels ist so groß, daß fie endlich auch siegt, und zwar auf mehr als eine Art fiegt. Nichts ist gewöhnlicher, als daß der, welcher ein Beyspiel ausgezeichneter Tugend aufstellt, den Neid, die Tadelsucht und die Bers läumdung reizt, als daß man sich Mühe giebt, ihn verdächtig zu machen, und sein Ansehen zu vermindern; selbst der Sohn Gottes und sein Vorläufer Johannes haben diesen Widerspruch erfahren, selbst die sind gelästert worden. Aber die Kraft des guten Beyspiels siegt, M. 3., es kommt eine Zeit, wo die Nattern des Neides und der Bosheit sich wider die Elenden selber kehren, welche den Unschuldigen verlehen wollten; wo bald die Zeitgenossen, bald die Nachwelt dem verkannten Tugendhaften Gerechtig keit widerfahren lassen, und sein Bild in dem Tem: pel des Verdienstes und der Unsterblichkeit aufstellen. Nichts ist gewöhnlicher, als daß dem, welcher durch seine Tugend wirken, bessern und Einfluß äußern will, von allen Seiten her widerstanden wird, als daß er bald in der Trägheit, bald in den Leidenschaften und Lastern der Menschen gewaltige Hindernisse findet; wie hat der Sohn Gottes, wie hat sein Vorläufer Johannes mit diesen Hindernissen gekämpft, wie heftig hat man sich ihnen widersezt! Über die Kraft des guten Beyspiels fiegt, M. 3., es kommt eine Zeit, wo man es doch einsieht, der Tugendhafte habe recht, wo man gerührt von seiner Großmuth, beschämt durch sein Wohlwollen, überwunden von seiner Standhaftigkeit, nachgiebt,

und

1

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »