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II. Besonderer Teil.

Das Heidentum innerhalb der altchristlichen Kirche.

1. Die falsche Wertschätzung des alten Testaments.

Der Dogmatismus.

In dem berühmten Schlußgleichnis des 1. Evangeliums (25, 31 f.) gibt Jesus in unzweideutiger Weise die Normen an, nach welchen ein göttliches Urteil über Wert und Unwert der Menschen, über Seligkeit und Verdammnis erfolgen solle.

Nur die Erfüllung des „höchsten Gebotes", der selbstlosen Nächstenliebe (vgl. Marc. 12, 28f.), bedingt den Wert des Menschen. Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." Nach diesem Kriterium Jesu werden die einen in das Reich Gottes, zum ewigen Leben berufen, die anderen in die ewige Pein verbannt.

Das großartige Bild ist auch dem Einfältigsten verständlich. Es leidet keine Miẞdeutung.

Und dennoch hat die ganze christliche Kirche schon früh und bis auf den heutigen Tag die Entscheidung über Wert und Unwert, über Seligkeit und Verdammnis des einzelnen Christen nicht nach diesem Grundsatz abgegeben, sondern nach dem Glauben, also nach der Beschaffenheit der religiösen Erkenntnis, nicht des religiösen Wollens und Handelns.

Es kann hier weder eine Definition des Wortes Glauben gegeben, noch eine Erörterung über die Beziehung, in welcher die Werke christlicher Liebestätigkeit zu ihm stehen, eingegangen werden. Der Gegensatz zwischen Jesu höchstem Gebot und der Kirchenlehre ist klar und leidet keine Vertuschung durch allerlei theologische Spitzfindigkeiten.

Wohl aber ist es von großer theoretischer und praktischer Bedeutung festzustellen, seit wann und durch welche Einflüsse diese Umwertung des Christentums stattgefunden hat.

Wie ist der Dogmatismus, d. h. die Beurteilung des Christen nach dem Maße seiner kirchlichen Rechtgläubigkeit aufgekommen und im Christentum zur Herrschaft gelangt?

Wie verschieden auch immer die Auffassungen sein mögen, welche über das Wesen des Christentums und seine ursprüngliche Gestalt bestehen: das Eine wird nicht bestritten werden können, daß es trotz aller Anlehnung an die bestehenden religiösen Vorstellungen des Judentums einen völligen Bruch mit dem offiziellen Gottesdienste und den Vorschriften des Alten Testaments, welche jenes Grundlage waren, nicht nur hergestellt, sondern auch beabsichtigt hat.

Das Ritualgesetz der mosaischen Bücher und der an ihre Satzungen sich anschließenden pharisäischen Vorschriften forderte peinliche Beobachtung der Sabbathsruhe und der Fastengebote.

Jesus beseitigte sie zwar nicht prinzipiell, ordnete aber ihre Beachtung durchaus den von ihm verkündeten sittlichen Forderungen unter: „Des Menschen Sohn ist ein Herr auch des Fastens und des Sabbaths" (Marc. 2, 28. 2, 16-20). Gegenüber den zahlreichen Satzungen, welche Waschungen vorschrieben, gegenüber den äußerlichen Reinigungs- und Speisegeboten verlangte Jesus eine innerliche Läuterung: „Ihr Pharisäer verlasset Gottes Gebot und haltet der Menschen Satzungen" (Marc. 7, 8).

Gegen alle die Hunderte von Geboten, welche die Hauptsache, die sittliche Umgestaltung des Herzens, als nebensächlich erscheinen ließen, wandte sich Jesus mit der größten Schärfe.

Wer die Wechsler aus dem Tempel trieb und die Verkäufer von Opfertieren hinausstieß, der hat offenbar gerade hierin einen völligen Bruch mit dem Judentum angestrebt.

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Mit der Autorität des Menschensohnes", des Verkünders des nahen Gottesreiches, welcher eine souveräne Gewalt über die mosaische Gesetzgebung hatte, stellte er die Ordnungen seines Reiches den Grundgesetzen des jüdischen Gottesdienstes gegenüber. Was Moses fordert, wird durch ein vernichtendes „Ich aber sage euch" beseitigt (Matth. 5, 21f.).

Trotz alledem ist sehr bald und stetig zunehmend innerhalb der Christenheit die Autorität dieser mosaischen Gesetzgebung

wieder gewachsen, und bald erhielt das Alte Testament auch in der Christenheit ein gleiches, ja zum Teil ein höheres Ansehen als die Worte Jesu.

Es ist recht eigentlich ein Krebsschaden für alles wahre Christentum geworden, daß eine solche Anschauung wieder zur Herrschaft gekommen ist.

Zur Verteidigung und zur Beschönigung einer solchen widerchristlichen Auffassung wird in erster Linie auf Jesu Wertschätzung des Alten Testaments hingewiesen.

Wenn nach Jesu Tode die Mitglieder seiner Familie und mehrere der ihm nahestehenden Jünger in ihrer Hochschätzung des Alten Testaments so weit gingen, daß sie im Widerspruch zu den entscheidendsten Lehren Jesu mit einer an Eigensinn grenzenden Festigkeit viele Gebote des mosaischen und damit jenes engherzigen Ritualgesetzes hochhielten, so muß, meint man, Jesus selbst durch seine Verehrung der den Juden heiligen Schriften Anlaß dazu gegeben haben. Und in der Tat ist dem so, nur nicht in dem Grade und in der Weise, wie es die alten Judenchristen angenommen haben und die Rechtgläubigen heutzutage vertreten.

Jeder Mensch, auch der vielseitigste und wissenschaftlich hochstehendste, ist abhängig von der Weltanschauung seines Zeitalters. Mit tausend Fäden ist sein Denken und Fühlen mit dem Wissen und Empfinden seiner Zeitgenossen verknüpft.

Im besonderen sollte es eigentlich selbstverständlich sein, daß jeder Mensch, auch der weitsichtigste Forscher und Lehrer nicht ausgenommen, in allen naturwissenschaftlichen und historischen Kenntnissen durchaus gebunden ist an diejenigen, welche zu seiner Zeit verbreitet, in seiner Umgebung geltend waren.

Leider ist aber alles, was sonst im Leben für ausgemacht gelten kann, nicht selbstverständlich, sobald es sich um theologische Dinge, um heilige Persönlichkeiten und dogmatische Fragen handelt.

Hier wird für Jesus und manche biblische Größen alsbald eine Ausnahmestellung angenommen. Und doch ist es eine Abgeschmacktheit, wenn sogenannte „gläubige Christen" verlangen, daß die Äußerungen der Religionsstifter auch in allen Äußerlichkeiten eine absolute Geltung haben sollen.

Es wäre absurd, wenn man es als einen Mangel in Jesu Bildung feststellen wollte, daß er keine Kunde von den physikalischen

Gesetzen der Elektrizität und der mechanischen Wärmetheorie besessen hätte (vgl. meine Schrift: Hat Jesus Wunder getan? S. 92f.). Und es ist nicht minder absurd, wenn man von ihm eine Kenntnis des Kopernikanischen Weltsystems oder von dem Newtonschen Gesetz der Schwerkraft verlangen würde. Jesus kann keine andere Auffassung über die Entstehung der Welt oder über die Geltung der Naturgesetze gehabt haben, als wie sie seine Zeitgenossen, die Durchschnittsmenschen in Palästina vor 1900 Jahren besessen haben. Wie alle Juden, war auch für Jesus die Schrift", d. h. eine Sammlung der Bücher, welche im wesentlichen unserem heutigen Kanon des Alten Testaments entspricht, eine Autorität ersten Ranges.) „Es steht geschrieben!" Mit diesen Worten weist Jesus alle Angriffe gegen seine Lehre zurück. Die Erzählungen von der Schöpfung der Welt (vgl. Matth. 19, 2f.) und von der Sintflut (Matth. 24, 37 f.) standen ihm fest. Über das freie Wirken einer göttlichen Allmacht hatte er die gleichen absoluten Anschauungen, wie sie ihm die dichterischen Phantasien des Psalmisten darboten.

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Es erscheint ihm nicht wunderbar, daß Gott imstande ist, direkt in das Walten der Natur einzugreifen (Luc. 12, 6) und den Fallgesetzen Einhalt zu gebieten. Dem entsprechend redet Jesus selbstverständlich vom Sonnenaufgang und Untergang (Matth. 8, 11, 24, 27) so, daß man erkennt, wie er eine Bewegung der Sonne annimmt. Jesus hielt das Senfkorn für das kleinste aller Körner, was es nicht ist (Marc. 4, 31).

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Jesu Vorstellung von der örtlichen Lage von Himmel, Hölle und Erde ist durchaus die des Alten Testaments. Jesus nimmt z. B. das Paradies als den Ort der Gemeinschaft mit Gott an (Luc. 23, 43). Auch Jesus hält den Satan für einen Lügner und Mörder von Anfang an" (Joh. 8, 44). Dagegen wird, nach seiner Anschauung, wer jetzt selig abscheidet, mit „Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen" (Math. 8, 11), „in Abrahams Schoß sein“ (Luc. 16, 22f.). Selbstverständlich teilte Jesus weiter auch die historischen Kenntnisse seiner Volks- und Zeitgenossen und entnahm sie wie diese aus den heiligen Schriften seines Volkes.

Es ist gewiß, daß er Abraham, „so wie ihn das Alte Testament schildert, nach seinen Hauptzügen als wirklich existierend annahm“.

1) Vgl. hierzu und zu dem Folgenden Meinholds Schrift Jesus und das alte Testament" (Freiburg 1896).

. Soltau, Heidentum u. altchristl. Kirche.

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Manche sagenhaften Züge aus der Geschichte der Patriarchen, vor allem aber zahlreiche Einzelheiten über die Tätigkeit von Mose, hat Jesus gerade so angenommen, wie sie in den Büchern Mose erzählt werden. Dasselbe gilt von der Geschichte der Könige. Jesus hat die in den historischen Büchern des Alten Testaments überlieferten Nachrichten für durchaus geschichtlich gehalten. Er operiert mit den Einzelheiten jener Berichte so, als ob gar kein Zweifel an ihrer Richtigkeit aufkommen könnte. In allen diesen Dingen stand Jesus ganz auf dem Boden seiner Zeit“.

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Wenn dem aber so ist, so ist damit auch ein Urteil gewonnen über den Wert, welchen er der Tradition der heiligen Schrift beigelegt hat. Er hatte eine hohe Meinung von dem Werte und der Glaubwürdigkeit aller ihrer Überlieferungen. Die Authentie des Buches Jona wie die Annahme, daß der alte Prophet Daniel der Urheber jenes prophetischen Buches der Diadochenzeit sei, standen für Jesus fest.

Noch bedenklicher für den beschränkt-kirchlichen Standpunkt, welchen Jesus zu vertreten scheint, muß der Umstand angesehen werden, daß auch eine Fülle von religiösen Vorstellungen des A. T. zum geistigen Eigentum Jesu geworden sind. Und doch ist dieses unleugbar der Fall. Die kindlich poetischen Anschauungen des Psalmisten über Gott und Welt, über Himmel und Hölle sind dieselben, welche sich in Jesu Reden und Gleichnissen vorfinden.

Das Zeitalter Jesu glaubte an den Teufel und an eine ungezählte Schar von dämonischen Geistern. Jede Hemmung des menschlichen Daseins, Besessenheit, Stummsein, Blindheit geht von solchen bösen Geistern aus. Auf sie geht nach dem A. T. das ungerechte Gericht auf Erden, die Bedrückung des Armen und Elenden zurück.

Diesen bösen Mächten steht auch nach Jesu Ansicht die Schar von guten Engeln gegenüber, die für Gottes Sache und für die Frommen eintritt.

In allen diesen Fragen ist Jesus durchaus ein Kind seiner Zeit. Treffend hat Meinhold demnach hervorgehoben, es müsse festgehalten werden, daß Jesus in solchen Dingen nicht bloß geirrt habe, sondern auch habe irren müssen, wenn er seinen Heilandsberuf erfüllen wollte.

Wenn Christus auf seine Zeitgenossen bedeutsam einwirken wollte, mußte er auf dem Boden seiner Zeit stehen, mußte aramäisch

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