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Die Bauernschutzpolitik der byzantinischen Kaiser des X. Jahrhunderts hat bekanntlich die Ausgestaltung der oorios als Hauptwaffe ihrer Gesetzgebung gehandhabt. Wer sich künftighin mit der byzantinischen Agrargesetzgebung befassen wird, dürfte gut daran tun, nicht achtlos an der Tatsache vorbeizugehn, daß eine dem leitenden technischen Gesichtspunkt der oströmischen Gesetzgebung des X. Jahrhunderts diametral entgegengesetzte Maßregel des Königs Chilperich den Ausgangspunkt einer Entwicklung gebildet zu haben scheint, die ganz in der Linie des von Romanus Lecapenus und dessen Nachfolgern vergebens angestrebten Zieles liegt. An Stelle des Vicinenerbrechts trat im fränkischen Reiche eine Ausdehnung des Verwandtenerbrechts. „Eine starke Festigung des Besitzrechtes der einzelnen Bauern gegenüber der erdrückenden Macht, welche den Grundherrschaften gerade in spätrömischer Zeit zukam“, war nach Dopsch S. 376 die Folge davon. Sollte die hohe Schätzung der der AQоτiunos zugrunde liegenden Lehre von der drauri), welcher die бvéreia untergeordnet wird, ein prinzipieller Fehlgriff der byzantinischen Bauernschutzlegislation und einer der Gründe ihres Scheiterns gewesen sein?

Im Gegensatz zu einer älteren Auffassung, die in Weistümern des ausgehenden Mittelalters noch Überbleibsel des alten Vicinenrechts finden wollte 2), erkennt Dopsch in jenen Weistümern Merkmale der Wiederkehr von Zuständen, welche den in der fränkischen Epoche überwundenen spätrömischen analog sind; die Entwicklung des merowingischen Zeitalters aber führt er auf „neue Entwicklungsmotive" zurück, welche durch den Eintritt der Germanen jetzt triebkräftig gelegt wurden" (S. 375). Damit ist aber noch nicht die Maßnahme des Chilperich erklärt. und auch nicht der Umstand, daß gerade dieser König das Edikt erlassen hat. Wir kennen den Chilperich fast nur durch die haßerfüllte Darstellung Gregors von Tours; sieht man genauer zu, so will es scheinen, daß der König, obwohl mit allen Lastern der älteren Merowinger behaftet, sich vor den andern Angehörigen seines Geschlechtes nicht nur durch eine für seinesgleichen ungewöhnliche Bildung, sondern auch durch eine den Nachkommen Chlodwigs sonst fremde staatsmännische Befähigung ausgezeichnet habe. Chilperich scheint eine Ahnung von dem, was das Wesen eines Staates ausmacht, besessen und darauf hingearbeitet zu haben, in seinem Reiche nach römischem Muster eine starke Zentralgewalt zu schaffen. Auch seine schöngeistigen und wissenschaftlichen Aspirationen legten ihm solche Tendenzen nahe: war er doch nicht nur lateinischer Dichter, sondern auch, wie Kaiser Justinian, den er vielleicht bewußt nachahmte, theologischer Dogmatiker, und was Gregor von Tours über die ketzerischen Ansichten des Königs erzählt, stellt dessen gesundem Verstande kein schlechtes Zeugnis aus3).

1) Vgl. Platon, Obs. sur le droit de Ipotiunois 17ff.

2) Vgl. Gierke, Zeitschr. f. Rechtsgesch. XII (1876) 471.

3) Für die Belegstellen s. meine Studien zur Gesch. des byzant. Reiches 115, Anm. 6.

74 Ernst Stein, Des Tiberius Constantinus Novelle regì Expolijs usw.

Ich glaube nun kürzlich mindestens wahrscheinlich gemacht zu haben, daß Chilperich der Spiritus rector der Unternehmung seines Stiefbruders Gundovald war, der im Jahre 582 mit Unterstützung des Kaisers von Konstantinopel aus nach Gallien ging, um dort Guntram von Burgund zu stürzen und sich dessen Reiches zu bemächtigen; ich habe dort auch darauf verwiesen, daß Chilperich schon einige Jahre früher freundliche Beziehungen zum Kaiser Tiberius angeknüpft hatte1), die auch noch über das Jahr 578, in dem sie zuerst in die Erscheinung treten, zurückgereicht haben können.

Läßt es sich auch vom Standpunkt der juristischen Theorie bis zu einem gewissen Grade rechtfertigen, wenn Platon) die Ansicht bekämpft, daß die rooτiunos eine notwendige Folge der 302 sei, so hat doch im allgemeinen die historische Betrachtung an dem engen Zusammenhang beider unbedingt festzuhalten, wie auch Dopsch es tut. Sollte es da ein Zufall sein, daß der Kaiser Tiberius eine Novelle über die po erläßt, der König Chilperich aber das Vicinenerbrecht aufhebt? Mir scheint vielmehr die Aufhebung des Vicinenerbrechts durch Chilperich zu jenen seiner Handlungen zu gehören, in welchen er sich als Nachahmer der für ihn vorbildlichen kaiserlichen Gewalt betätigt haben mag. wobei sein Verfahren auch eine außenpolitische Bedeutung gehabt hätte, insofern es als Akt der Deferenz gegen den Kaiser gelten konnte, wenn er einer kaiserlichen Konstitution in seinem Reiche ein inhaltlich gleichartiges Edikt folgen ließ. Ist aber diese Vermutung richtig, so gewinnen wir einen Anhaltspunkt für die genauere Datierung von Chilperichs Edikt, das der tiberischen Novelle gefolgt sein müßte, also frühestens 575 anzusetzen wäre; in der Tat hat schon Pardessus 3) wahrscheinlich gemacht, daß das Edikt nicht, wie er glaubt, um 574, sondern frühestens damals erlassen worden ist. Wie man sieht, paßt der von Pardessus gebotene terminus post quem zu unserer Hypothese vortrefflich. Vielleicht darf man dann aber auch aus dem Inhalt von Chilperichs Edikt vermuten, daß der θεῖος τύπος περὶ ἐπιβολής nicht, wie Monnier meinte, die völlige Aufhebung der adiectio verfügt hat. Aber auch wer meint, daß die vorstehenden Ausführungen auf allzu unsicherer Grundlage beruhen, wird ihnen vielleicht den Hinweis auf Quellen und Forschungen entnehmen wollen, die außerhalb unseres engeren Studienkreises liegen, deren Heranziehung für diesen aber gelegentlich von Nutzen sein kann.

1) Studien 108. 115, Anm. 6.

2) A. a. O., bes. 1-8, vgl. 133. Gegenüber der S. 8 gegen Mitteis gerichteten Bemerkung können wir heute die adiectio schon Jahrhunderte vor Konstantin nachweisen, vgl. Rostowzew, Studien zur Gesch. des röm. Kolonates (1910) 58. 199 f., Anm. 1. 348, Anm. 1. 392 ff.

3) Diplomata etc. ad res Gallo-Francicas spectantia I (1843), p. 143 (der zweiten Seitenzählung), Anm. 1.

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Über einige Fragmente des Cassius Dio.

Von A. G. Roos.

Im X. Bande dieser Zeitschrift, S. 341 ff., hat Vittorio Macchioro über einige Fragmente aus den ersten Büchern des Cassius Dio, besonders über ihre Reihenfolge, Behauptungen aufgestellt, denen zwar meines Wissens noch nicht widersprochen wurde, die aber doch größtenteils unrichtig sind. Im Nachfolgenden werde ich seine Vermutungen der Reihe nach einer Kritik unterwerfen und wo möglich berichtigen. Eine allgemeine Bemerkung gehe voran. Die uns aus den ersten 35 Büchern Dios überlieferten Fragmente danken wir, abgesehen von Zonaras' Epitome, größtenteils den auf uns gekommenen Teilen des großen Exzerptenwerkes des Konstantinos Porphyrogennetos, und zwar den Titeln De Legationibus, De Virtutibus et Vitiis, De Sententiis; in dem nur teilweise erhaltenen Titel De Insidiis kommen keine Stücke aus Dio vor1). Es ist nun zu beachten, daß die Bearbeiter der einzelnen Exzerptenreihen, die die ihnen angewiesenen Geschichtswerke nach einem bestimmten Gesichtspunkte (z. B. dem der лßɛ7α, dem der dostǹ zai zazia usw.) zu exzerpieren hatten, dabei nicht willkürlich nun aus diesem, dann aus jenem Teile des zu exzerpierenden Werkes die ihnen zusagenden Stücke auslasen, sondern diese Werke von Anfang bis zum Ende durchnahmen. Die, für uns glückliche, Folge dieser Arbeitsweise ist, daß in jedem der genannten Titel die Exzerpte aus den einzelnen Werken sich in derselben Reihenfolge vorfinden, in welcher sie in den vollständigen Werken von den Exzerptoren gelesen wurden. Dieses geht aus der Reihenfolge, welche die aus noch erhaltenen Schriften entnommenen Exzerpte aufweisen, deutlich hervor. Bei Exzerpten aus jetzt verlorenen Schriften haben wir durch diese Beobachtung einen festen Anhalt: wir dürfen die Reihenfolge, in welcher dieselben uns überliefert sind, nicht willkürlich ändern, sondern müssen bei ihrer Erklärung und bei der Rekonstruktion des Verlorenen eben diese überlieferte Ordnung zum Ausgangspunkt nehmen. Gegen dieses Prinzip ist in den älteren Ausgaben griechischer Historiker 1) Die beste Übersicht über dieses Exzerptenwerk, das jetzt in der Ausgabe von De Boor, Boissevain und Büttner-Wobst-Roos bequem zu benutzen ist, gibt Büttner-Wobst, Die Anlage der historischen Encyklopädie des Konstantinos Porphyrogennetos, Byzantin. Zeitschr. XV, S. 88-120.

manchmal gesündigt worden: öfter ist ein Fragment, welches auf ein bestimmtes historisches Ereignis bezogen wurde, dieser Beziehung wegen von seiner überlieferten Stelle verdrängt, da man sich nicht klar war, daß eben diese Stelle die angenommene Beziehung ausschloß und daß man also, anstatt die Reihenfolge der Exzerpte zu ändern, das Fragment auf irgend ein anderes Ereignis zu beziehen hatte. Die bei den Dionischen Fragmenten früher fälschlich gemachten Umstellungen sind von Boissevain in seiner Ausgabe alle beseitigt, und in der Mnemosyne, Vol. XXXVIII (1910) S. 281 ff., habe ich gezeigt, daß die von Angelo Mai herrührende und noch in Jacoby's Ausgabe befolgte Reihenfolge der Exzerpte aus den letzten Büchern der Römischen Geschichte des Dionysios von Halicarnass in einigen Punkten dem oben erörterten Prinzip widerspricht und also zu berichtigen ist.

Kehren wir zu Macchioro zurück. Nach einigen einleitenden Bemerkungen über die manchmal fast wörtliche Übereinstimmung Dios mit seiner Quelle, bespricht er S. 344 zuerst Fragment 1, 1 (Vol. I, S. 12 ed. Boissevain)1):

ὁ δὲ Δίων φησὶν ὅτι σπουδὴν ἔχω συγγράψαι πάνθ' ὅσα τοῖς Ῥωμαίοις καὶ εἰρηνοῦσι καὶ πολεμούσι ἀξίως μνήμης ἐπράχθη, ὥστε μηδὲν τῶν ἀναγκαίων μήτε ἐκείνων τινὰ μήτε τῶν ἄλλων ποθῆσαι.

Es ist dieses Fragment, welches von Bekker dem Prooemium Dios zugeschrieben und deshalb ganz an den Anfang des Werkes gestellt wurde, das zweite in der Reihenfolge der Dionischen Exzerpte in dem nur im Codex Peirescianus überlieferten Titel regì ágɛtñs zaì zazias (Bd. II, S. 235 in der Ausgabe dieser Exzerpte); das erste Dionische Fragment im Peirescianus (Dio, Fragm. 6, 2, S. 12 Boiss.) handelt über Numa und erzählt, wo er in Rom seinen Wohnort hatte. Da auch das dritte Peirescianische Fragment (Dio, Fragm. 6, 5, S. 13 Boiss.) von Numa handelt es ist ohne Frage dem Schluß von Dios Erörterungen über ihn entnommen hat Numas Regierung Dio zu dem uns im zweiten, oben ausgeschriebenen, Fragmente erhaltenen Ausspruch veranlaßt. Er hat auch an dieser Stelle nichts Verwunderliches, denn da Dio bei Romulus fast nur Kriegstaten zu erzählen hatte, konnte er zur Erklärung, weshalb er auch die friedliche Regierung Numas ausführlich darstellte, sehr wohl anführen, daß er eben alles, was die Römer Merkwürdiges geleistet, nicht nur im Krieg, sondern auch im Frieden, zu beschreiben beabsichtige. Die Vermutung Boissevains (S. 12, Anm.), daß im voll

1) Es ist zu beachten, daß Boissevain, wenn er die Reihenfolge, in der die Fragmente in den früheren Ausgaben (Bekker, Dindorf) aufgeführt werden, ändert, nichtsdestoweniger die alten Nummern unverändert läßt, vgl. die Bemerkung in seiner Praefatio S. CIV. Unser Fragment behält also bei ihm die Nummer 1, 1, obschon er es nicht mehr an den Anfang des Werkes stellt.

ständigen Dio der Anfang etwa gewesen sein mag: καὶ γὰρ σπουδὴν zo, ist also sehr ansprechend und jedenfalls hat er mit vollstem Recht in seiner Ausgabe dem Fragmente die überlieferte Stelle, nach dem ersten Peirescianischen Exzerpt, zurückgegeben. An sich würden sich ja die Worte unseres Fragmentes auch in einem Prooemium sehr gut ausnehmen, und eben deshalb hatte sie Bekker diesem zugeschrieben, allein da sie einmal bei Numas Regierung überliefert sind und, wie wir sahen, sich an dieser Stelle ausgezeichnet erklären lassen, ist die Beziehung zum Prooemium ausgeschlossen.

Der Irrtum Bekkers wird nun von Macchioro wieder hervorgeholt. Auf seine gegen Boissevain gerichteten Ausführungen, die teilweise auf Mißverständnissen beruhen, gehe ich hier nicht weiter ein, ebenso wenig auf die aus andern Prooemien zitierten Stellen, die mit unserem Fragment mehr oder weniger Ähnlichkeit zeigen: die Notwendigkeit auch dieses nun einem Prooemium zuzuschreiben, ergibt sich ja daraus nicht. Nun meint aber Macchioro den Beweis erbringen zu können, daß es tatsächlich zu Dios Einleitung gehört. Wir besitzen nämlich ein Fragment, welches ohne Frage dieser Einleitung entnommen ist, unter den im bekannten, von Angelo Mai entdeckten, Vatikanischen Palimpsest (il carbonaccio) enthaltenen Exzerpten De sententiis (Fragm. 1, 2, S. 1 in Boissevains Dio-Ausgabe, S. 408 in seiner Ausgabe der Exc. De sent.: es ist jetzt im Palimpsest das erste Dionische Exzerpt, der Anfang fehlt):

πάντα ὡς εἰπεῖν τὰ περὶ αὐτῶν τισι γεγραμμένα, συνέγραψα δὲ οὐ πάντα ἀλλ' ὅσα ἐξέκρινα. μὴ μέντοι μηδ' ὅτι κεκαλλιεπημένοις, ἐς ὅσον γε καὶ τὰ πράγματα ἐπέτρεψε, λόγοις κέχρημαι, ἐς τὴν ἀλήθεια αὐτῶν διὰ τοῦτό τις υποπτεύσῃ, ὅπερ ἐπ' ἄλλων τινῶν συμβέβηκεν ἐγὼ γὰρ ἀμφότερα, ὡς οἷόν τε ἦν, ὁμοίως ἀκριβῶσαι ἐσπούδασα, ἄρξομαι δὲ ὅθενπερ τὰ σαφέστατα τῶν περὶ τήνδε τὴν γῆν, ἣν κατοικοῦμεν, συμβῆναι λεγομένων παρελάβομεν.

Macchioro meint nun, daß diesem Fragmente das Peirescianische unmittelbar anzufügen sei: letztgenanntes gibt er vermutungsweise mit der von Boissevain vorgeschlagenen Ergänzung zei ráo. Dio soll also geschrieben haben:

...

συμβῆναι λεγομένων παρελάβομεν. καὶ γὰρ (3) σπουδὴν ἔχω συγγράψαι κτλ.

Diese Zusammenfügung der beiden Fragmente wäre meines Erachtens, wenn sie nicht schon durch die obigen Erörterungen, in denen die Nichtzugehörigkeit des Peirescianischen Exzerpts zum Prooemium Dios erwiesen wurde, ausgeschlossen wäre, auch deshalb abzulehnen, da sie doch nur einen recht gezwungenen Sinn ergeben würde. Zudem aber hat der Zufall uns die Worte erhalten, die Dio dem Fragmente 1, 2 folgen ließ. Im Vatikanischen Palimpsest geht nämlich der Text nach raped ouer ohne

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