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fie eine Wittwe geworden. Und mit ihrer Wittwenschaft war sie nach und nach ganz der Welt abgestorben. Nur eine Liebe, ein Sehnen und Hoffen hatte sie, es war der Herr, der Trost Israels, Jesus Christus. Sie war alt und schwach, das Gehen wurde ihr schwer; die Heimath, die irdische Heimath für ihr Herz war das Haus des Herrn; die ewige Heimath, nach der sie sich sehnte, war droben. Nun wartete sie auf das größeste Weltereignis, auf die Ankunft ihres Herrn im Fleische, auf den Trost Israels. Sie dachte und wußte: Wenn es dann endlich erfolgt, wenn dann endlich der Sohn Gottes als ein Mensch erscheint, dann wird man ihn im Hause des Herrn, im Tempel, sehen und finden. Also zog sie's zu dem Tempel, dort war ihr Herz bei Tag und Nacht, dort hoffte sie noch in ihren lezten Erdentagen den Herrn der Herrlichkeit zu sehen.

Also sie war schwach und müde, ihre Beine trugen sie noch kaum zum Tempel, und doch hoffte sie, dort noch des höchsten Glückes theilhaftig zu werden. Wie mache ich's, dachte sie, daß ich's am Ende nicht gar versäume und verpasse, worauf ich mein ganzes Leben lang gewartet habe? Am Ende kommt der Herr eines Tages zu seinem Tempel, dann bin ich vielleicht grade nicht da, und dann habe ich mein Leben lang vergeblich gewartet und zulet doch noch die rechte Stunde versäumt. Also was that sie?

Sie ging gar nicht mehr vom Tempel nach Hause. In dem Vorhofe des Tempels blieb sie bei Tag und bei Nacht mit Wachen und Beten und mit kümmerlicher Kost, nur damit sie die Ankunft des Herrn nicht versäume. Welch' eine Liebe zn dem Herrn Jesu ist das! Da müssen wir doch sagen: Wenn wir auch meinen, ihn sehr lieb zu haben, so ist doch unsre Liebe gegen die Jesusliebe dieses alten Mütterchens wie nichts.

Und was sie geglaubt und gehofft, was sie erbeten und erharrt, was sie mit Wachen und mit Fasten erstrebt hatte, was das Ziel und der Zweck ihres ganzen Lebens gewesen war, es wurde ihr zu Theil. Suchet, so werdet ihr finden! - und sie fand ihn, ihn, den ihre Seele liebte.

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Maria mit Joseph kam, und sie trug das Kind. Da kommt das alte Mütterchen, gekrümmt vom Alter und der mageren Kost, es kommt herzu, und ihr Herz klopft. Das alte Herz wird noch einmal jung, ihre Augen leuchten, aber ihre Kniee zittern und ihre Arme auch. Auf die Arme kann sie das göttliche Kind nicht nehmen, die Arme sind zu schwach. Aber sie sieht den Ewigen und ist selig, sie kann sich nicht satt sehen und ist lauter Anbetung und heißer Dank. Sie ist selig im Anschauen ihres Heilandes.

Nun hat sie ihn gesehen, und wes das Herz voll ist, dessen geht auch ihr Mund über. Schweigen kann sie von dem großen Glücke nicht. Vor allen pries sie den Herrn selbst, das Jesuskind, mit ihrem schwachen Munde. Dann aber ging sie wieder vom Tempel weg, und nun redete sie von diesem Herrn, von diesem Kinde, zu allen, die auf die Erlösung zu Jerusalem warteten. Den wenigen Stillen im Lande, den wenigen in der großen prächtigen Hauptstadt, die noch Gottes Verheißungen glaubten und auf ihre Erfüllung warteten, denen wurde sie ein Evangelist, eine Verkünderin der frohesten Botschaft. Ich hab' ihn gesehen! sprach ihr sterbender Mund, ich hab' ihn selbst gesehen, den Herrn der Herrlichkeit, und meine Seele ist genesen! Amen.

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so

8.

Predigt am Neujahrstage.

Herr, du bist der Quell und Hort unseres Lebens; darum kommen wir am Anfang des neuen Jahres zu dir und setzeu uns zu deinen Füßen. Wir wollen gleich anfangs dein Wort und deinen Willen, deinen Rathschluß und deine Gebote hören, damit wir in diesem Jahre in deinen Wegen wandeln. Ach hilf uns dazu durch den Heiligen Geist! Amen.

Text: 1. Sam. 7, 12.

Da nahm Samuel einen Stein, und setzte ihn zwischen Mizpa und Sen, und hieß ihn Eben-Ezer, und sprach: Bis hierher hat uns der Herr geholfen.

Geliebte in dem Herrn! Das ist nun wieder ein Wendepunkt in unserm Leben, eine Haltestelle auf unsrer Reise. Ein Neujahrstag ist ein Höhepunkt auf unserm Wege, von dem wir rückwärts blicken auf das Stück unsrer Straße, welches wir gegangen sind, und vorwärts blicken auf den Weg, der noch vor uns liegt, und aufwärts blicken zu dem Ziel unsrer Reise, zu der Heimath, in welcher wir von der Reise ausruhen wollen.

Aber ist nicht der Neujahrstag ein Tag, wie jeder andere? Was ist denn geschehen, daß wir zusammen kommen und uns mit ernsten Gedanken beschäftigen? Vollenden wir nicht in jeder Stunde ein Jahr unsres Lebens? Ich sehe keinen Unterschied zwischen dem

gestrigen und heutigen Tage. Es ist zwischen gestern und heute eine Nacht gewesen, wie jede andere Nacht.

Und doch, es ist ein anderer Tag, und die verflossene Nacht war eine andere, als ihre Schwestern. Gestern schrieben wir noch 1884, heute schreiben wir 1885. Das ist der Unterschied. Was das aber heißt, das könnt ihr schon auf eurem Kalender sehen. Es heißt: Ein Jahr der Gnade unsres Herrn Jesu Christi ist wieder für uns und die Welt dahingegangen, hingegangen für immer; ein neues Jahr der Gnade unsres Herrn Jesu Christi bricht noch einmal für uns an.

Als das alttestamentliche Gottesvolk in heißem Kampf und Streite stand, da opferte der große Gottesmann Samuel dem Herrn ein ganzes Brandopfer, und schrie zum Herrn für Israel, und der Herr erhörte ihn. Denn er ließ ein furchtbares Wetter über die Feinde seines Volkes kommen und schreckte sie, daß sie flohen und von Israel gänzlich geschlagen wurden. Was das aber in einem Kriege heißt, wenn der Herr sein Wetter und seinen Schrecken auf ein Heer fallen läßt, das haben wir selbst erlebt.

Da suchte nun Samuel als ein weiser Regent sein Volk davor zu bewahren, daß die Sieger sich nicht erheben und nicht sich selbst den Ruhm und die Ehre geben sollten. Denn nichts bringt ein Volk gewisser in's Unglück und zu Falle, als wenn es Gotte die Ehre raubt und Gottes Thun und Helfen sich selbst zuschreibt. Also sette Samuel zwar einen Stein, ein Siegesdenkmal, an dem Orte des Sieges; aber er schrieb darauf: Eben-Ezer, das heißt: Stein der Hilfe, und sagte dabei dem ganzen Volke: Bis hierher hat uns der Herr geholfen.

Bis hierher hat uns der Herr geholfen.

An dieses Gotteswort wollen wir unsre Neujahrsbetrachtung anknüpfen.

1. Es wurde uns geholfen. 365 Tage sind eine lange oder eine kurze Zeit, je nachdem man's nimmt. Sie sind dahin geflogen, daß es uns ist, als hätte das Jahr erst gestern angefangen. Und doch wie vieles hat sich in diesen 365 Tagen zugetragen! Es ist wohl niemand unter uns, dem dies Jahr nicht ein wichtiges Ereignis gebracht hat, wichtig für die Zeit, und wichtig für die Ewigkeit. Es ist wohl kein einziger unter uns, in dessen Verhältnissen nicht einflußreiche Veränderungen vorgegangen sind. Dem einen brachte das verflossene Jahr ein neues Leben in's Haus, ein neugebornes Kind, einen Bruder, eine Schwester, einen Gatten, einen Dienst

boten, einen Dienstherrn. Dem andern brachte es den Tod in's Haus, den Tod eines Kindes, eines Vaters, einer Mutter, eines Bruders, einer Schwester, eines Mannes, eines Weibes. Dem einen brachte es einen neuen Beruf, ein neues Amt, eine neue Arbeit und erweiterte Thätigkeit. Den andern sette dies Jahr mehr in die Stille, nahm ihm die langgewohnte Berufsthätigkeit ab, bereitete ihm einen Feierabend, eine Zeit zum Stillstehen und zum Besinnen über das Ende. Diesem brachte das vergangene Jahr seines Herzens Wunsch, Freude, Glück und Wohlergehen; jenem brachte es Verlust, Entbehrung, verborgene oder offenbare Noth, Sorge und Kummer in's Haus. Hier kehrte kurze Krankheit oder langes Siechthum ein; dort Genesung und neuer Lebensmuth.

Wer kann die Veränderungen alle nennen und überblicken, die ein einziges Jahr blos in einer Gemeinde von der Größe der unsrigen mit sich bringt! Aber fast alle diese Veränderungen, selbst die Aenderungen zum Besseren, sind mit Kampf und Sorge verbunden, sind mit der bangen Frage verknüpft: Wie wird's werden? wie wird sich's wenden? wie wird's enden?

Nun, wir haben das Ende des alten und den Anfang des neuen Jahres erlebt, und, Gott sei gepriesen, es wurde uns ge= holfen. Wir haben Brot zu essen und Kleider anzuziehen gehabt, wir haben in Frieden gewohnt und das Leben davon gebracht, wir blieben von Feuersnoth, verheerenden Seuchen und schrecklichen Naturerscheinungen verschont. Es wurde uns geholfen.

wie viele Güte und Wohlthat schließt so ein ganzes Jahr ein, und jeden Morgen, der an den Himmel kam, war die Güte und Treue einer unsichtbaren Hand neu über uns. Wer ein Jahr beschließen und ein neues antreten kann, ohne mit Rührung auf die zahllosen Wohlthaten zurückzublicken, der ist ein erstorbener Mensch und los von Gott. Wo sind so manche bange Sorgen, die im Anfang oder im Laufe des verflossenen Jahres wie unübersteigliche Berge vor uns lagen? Wir sind darüber hinausgekommen, und jetzt, da so mancher hohe Berg hinter uns liegt, kommt er uns wie ein Maulwurfshügel vor. Wie kommt das? Eine unsichtbare Hand hat geholfen, hat darüber hinaus geholfen.

Meine Lieben, es hat uns vom ersten Tage dieses Jahres an, ja, vom ersten Tage unsres Lebens an eine Hilfe, eine mächtige Hilfe jede Stunde und Minute umgeben, sonst wären wir nicht bis hierher gekommen. Darum richten wir heute einen Eben-Ezer, ein Denkmal der Hilfe auf und sagen: Es wurde uns geholfen.

II. Wer ist es, der uns geholfen hat? Es ist der Herr, der einzig wahre und wirkliche Gott. Glaubt ihr, daß ihr durch eure eigne Kraft und Hilfe bis hierher gekommen seid? Nun, wir haben unser Möglichstes gethan, wir haben unsre Kräfte gebraucht und angestrengt, aber was ist unsre Arbeit, unsre Anstrengung, unsre Selbsthilfe, wenn wir blos auf uns angewiesen sind? Es wäre wahrhaftig eine große Blindheit, wenn wir uns die Ehre und das Verdienst zuschreiben wollten, daß wir durch gute und böse Tage, durch Nöthe und Gefahren bis hierher gekommen sind. O was ist doch unser Thun und Mühen, wenn der Herr nicht hilft!

Wie manchem hat er im Laufe des lezten Jahres alle Kraft genommen und hat ihn so hinfällig und ohnmächtig gemacht, daß er klagte: Ach, wie schwach bin ich! ach, ich komme noch um vor Schwachheit! Das hat der Herr gethan, damit der Mensch inne werde, daß er sich nicht selbst helfen kann, daß er ohne die Hilfe des Herrn vergehen muß. Es ist auch eine dankenswerthe Wohlthat Gottes, wenn er uns einmal so schwach macht, daß wir nicht mehr den Löffel zum Munde führen, nicht mehr stehen und auch nicht mehr sizen können. Dabei lernen wir manchmal in vierzehn Tagen mehr, als früher in vierzehn Jahren; wir lernen, daß, wenn uns der Herr Kraft giebt, wir dann Kraft haben, und, wenn er uns keine Kraft giebt, wir dann auch keine haben. Dann lernen wir, was wir oft nicht zugeben wollten: Bis hierher hat mir der Herr geholfen, und nicht ich selbst.

Darum, meine Brüder und Schwestern, richtet heute in eurem Herzen und Hause den Eben-Ezer, das Denkmal des Dankes für die Hilfe des Herrn auf. Wir wollen's machen, wie Samuel, als er dem Volke sagte: „Ihr verdanket den Sieg im Streite nicht euch selbst. Euer Streiten, Ringen, Arbeiten war gut und recht, aber ohne den Herrn wäre alles vergeblich gewesen, bis hierher hat uns der Herr geholfen."

Laßt uns das mit in's neue Jahr hinüber nehmen: Ohne den Herrn, den lebendigen Gott, vermögen wir nichts, aber mit dem Herrn vermögen wir vieles, ja, ich vermag alles durch den, der mich mächtig machet, Christus. Lobe den Herren, der gnädig bisher dich regieret, der dich auf Adelers Fittigen sicher geführet, der dich erhält in der gefährlichen Welt; hast du nicht dieses verspüret? Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet, der dir Gesundheit verliehen, dich freundlich geleitet; in wieviel Noth hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet!

Also bis hierher hat uns der Herr geholfen; und mit diesem starken Manne, mit diesem allmächtigen Helfer wollen wir

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