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So lange die Welt steht, hat es eine solche Huldigung nicht gegeben. Auch heutzutage huldigt wohl ein großes Volk einem edlen Beherrscher freiwillig und mit Begeisterung. Als z. B. im Jahre 1870 unser Kaiser mitten im französischen Lande und in der französischen Königsstadt die Zügel der Regierung über ganz Deutschland ergriff, da erfüllte inniger Jubel und heißer Dank unser Volk, soweit es drüben in Feindes Land stand; und durch unser Volk hier im Vaterlande ging eine gottgewirkte Begeisterung und Freude darüber. Und noch heute, wenn er persönlich irgend wohin kommt, so begrüßt ihn das Volk mit tausendstimmigen Freudenrufen. Das ist auch eine Huldigung, und zwar eine freiwillige und von Herzen kommende.

So freiwillig und von Herzen war auch die Huldigung, welche hier das jüdische Volk dem Herrn Jesu darbrachte. Aber was sich sonst bei keiner Huldigung eines Volkes auch gegen seinen besten Herrscher findet, was hier einzig in seiner Art war, das ist das: Das Volk Israel huldigte dem Herrn Jesu nicht nur als seinem menschlichen und irdischen Könige in den Worten: Hosianna dem Sohne Davids! sondern es huldigte ihm auch als seinem göttlichen, ewigen und himmlischen Herrn und König in dem Freudenruf: Gelobet sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! und in dem weiteren Rufe: Hosianna in der Höhe! Denn diese letteren Worte waren eigentlich ein Gebet, welches das Volk an den Herrn Jesum richtete, und sie bedeuten: Gieb doch Heil in der Höhe!

Offenbar war bei diesem unvergleichlichen Einzuge des Herrn Jesu ein helles Licht richtiger Gotteserkenntnis über das Volk gekommen, daß sie in diesem Manne, der so sanftmüthig, niedrig und demüthig in die Hauptstadt und ehemalige Residenzstadt des ganzen Volkes hineinritt, den Herrn Messias, den König über die ganze Welt, und zugleich den Menschen, den König über ihr Volk, erkannten.

Hier muß ich etwas weiter zurückgreifen. Das Volk der Juden ist nun in allen Ländern und Erdtheilen zerstreut, hat kein Vaterland und ist kein eigentliches Volk mehr. Aber es war einst ein blühendes, glückliches und mächtiges Volk gewesen; unter David hatte es seine höchste Blüthezeit gehabt. Dieser David war aber auch der Mann nach dem Herzen Gottes gewesen. Seitdem war's mit dem Volke von Jahr zu Jahr und von Jahrhundert zu Jahrhundert zurückgegangen. Erst hatte sich das ganze Volk in zwei Reiche gespalten. So hat es einige hundert Jahre lang gelebt, aber sein Leben war nur ein allmähliges Hinsterben.

Glaube, Gottesfurcht, Sittlichkeit, Sicherheit, Wohlstand waren stets mehr in Verfall gerathen. Oft und schrecklich hat sie Gott der Herr gezüchtigt. Dann bekehrten sie sich wohl zu ihm und Gott half ihnen wieder. Aber noch schneller verließen sie den Herrn wieder und lebten ihren Lüften. Endlich kamen die Eroberer von außen, unterjochten das Volk und führten es zum großen Theil in andere Länder gefangen. Nun hatten sie gar keine Könige mehr. Zulegt kamen sie noch ganz unter fremde Herrschaft, wie etwa das ehemalige Königreich Polen. O, es wurde ein unglückliches Volf!

Als nun Jesus aus dem Geschlechte und der Familie Davids erschien, da hatte das Volk schon mehrere hundert Jahre keine angestammte Könige und keine feste Regierung mehr, und sie waren ein unterjochtes Volk. Wie aber die Polen bis heute die Hoffnung nicht aufgegeben haben, wieder ein vereinigtes und selb= ständiges Reich zu werden, so hatte auch das Volk Israel diese Hoffnung nach so langer Zeit noch nicht aufgegeben. Nun war Jesus als Menschensohn, als Davidssohn, wirklich der rechtmäßige Thronerbe über Israel. Er war aber als Gottes Sohn zugleich der höchste Herr über die ganze Welt. Und dieser Gedanke, diese Gewißheit bliste dem Volke eben, da sie ihn auf einem Esel zu Jerusalem hineinreiten sahen, auf einmal durch's Herz, und sie wurden gewiß: Er ist's, er ist der Jehova Christus, der längst von den Propheten verheißene Davidssohn und Messias!

Zugleich erfaßte sie mit Macht die Hoffnung: Jezt wird das Reich Israel wieder aufgerichtet, jezt werden wir wieder ein freies, großes, selbständiges Volk! Und daher auf einmal der Freudenjubel, diese Huldigung in zweifachem Sinn.

Dabei ist noch zu bemerken, daß damals nicht blos die Bewohner der großen Hauptstadt in Jerusalem versammelt waren, sondern viel Volk aus dem ganzen Lande. Denn das hohe Osterfest war vor der Thür, und da sammelte sich das Volk aus dem ganzen Lande in der Stadt des Tempels. Es war das also eine Huldigung des gesammten Volkes gegen Jesum. Wir reden

II. Von der Veranlassung zu dieser Huldigung. Wie kam das Volk so plöglich zu dieser Erkenntnis, zu diesem Lichte, zu dieser Hoffnung, zu dieser Huldigung? Drei Jahre war es nun, daß Christus durch Wort und That seine Herrlichkeit im Volke offenbart hatte. Am meisten zwar in Galiläa, doch auch in anderen Theilen des Landes hatte er unerhörte Gotteswerke vollbracht. Das Volk staunte sie zwar an, zog Nuzen daraus, befriedigte seine Neugierde und Wundersucht, aber es blieb, wie es war, ungöttlich

und gott-los. Indessen wurden die Thaten immer gewaltiger, es standen sogar Tote auf durch Jesu Wort. Da ging denn doch eine tiefere Bewegung durchs Volk, im ganzen Lande rumorte es, und man fragte vielfach: Wer ist der Jesus von Nazareth? Von wannen ist er? Sollte er nicht der Christus vom Himmel sein?! Endlich erfolgte die Auferweckung des Lazarus, deffen Leiche schon vier Tage in Verwesung begriffen war. Das ging denn doch über alles, was man selbst vom größesten Propheten erwarten konnte, das wirkte durchschlagend nach zwei Seiten hin. Bei vielen war seit der Auferweckung des Lazarus die Ermordung Jesu eine befchloffene Sache. Denn durch das Volk ging nun die Ahnung: Er ist's! Und das mag wohl die äußere Veranlassung zu der jauchzenden Huldigung des Volkes gewesen sein.

Die Hauptsache ist und bleibt aber die innere Anregung. Es ist nicht zu bezweifeln, daß Gott der Herr selbst ihnen auf einmal die Augen öffnete, es kam eine Anregung des Heiligen Geistes, eine innere Erleuchtung über sie. Noch einmal kam Gott der Herr dem Volke, das zum Gerichte und Untergang reif war und fast schon in den lezten Zuckungen lag, zu Hilfe durch ein Licht von oben, durch ein Aufwecken und Aufrütteln des Heiligen Geistes, damit sie noch in der letzten Stunde Jesum Christum erkennen, sich ihm hingeben, sich von Sünden erlösen, mit Gott vereinigen und vom Untergang retten lassen sollten.

Dazu kam endlich noch eine dritte Veranlassung. Der Heilige Geist wirkt nicht unmittelbar, sondern er ist für uns Menschen an Gottes Wort gebunden. Ein solches Gotteswort hatte das Volk im Propheten Zacharia. Schon vor einigen hundert Jahren hatte der Herr Jehova dem Volke durch diesen Propheten gesagt: Du Tochter (d. h. Stadt) Zion, freue dich sehr, und du Tochter Jerusalem, jauchze; siehe, dein König kommt, er kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm, und reitet auf einem Esel und auf einem jungen Füllen der Eselin!

Wie es nun mit vielen gehörten und gelernten Worten aus der Bibel geht: sie werden vergessen, man weiß keinen Gebrauch davon zu machen, und mancher denkt: Wozu habe ich doch diesen und jenen Spruch gelernt? das hat doch gar keinen Nußen. Da auf einmal kommt ein Ereignis im Leben und weckt den Spruch, der längst vergessen war, der aber in der Tiefe der Seele noch vergraben lag. Und nun wird das längst vergessene Bibelwort lebendig, und es zeigt sich, daß es nicht vergeblich gehört und gelernt war; jest sieht man ein, wozu man es brauchen kann. Das

Leben muß die Bibel auslegen, muß das gelernte Bibelwort wecken und lebendig machen. Die Anfechtung, das Kreuz und allerlei sonstige Ereignisse lehren auf's Wort merken.

So ging es auch hier. Im nationalen Unglücke des Volkes, bei seinem zunehmenden Rückgang und Verfall wurden von vielen noch besonders die Stellen und Abschnitte der heiligen Schrift gelernt und getrieben, in welchen Gott von dem zukünftigen Erlöser und Retter des Volkes geweissagt hatte. Denket nur, wie's uns geht, wenn wir im Unglück sind. Da hören wir auch am liebsten die Worte und Reden, die uns wieder bessere Zeiten und Glück verheißen. So geht's auch einem ganzen Volke, wenn's im Unglück ist.

Unter diesen Stellen befindet sich auch die Weissagung: Du Tochter Zion und du Stadt Jerusalem jauchze; siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm, und reitet auf einem Esel und auf einem jungen Füllen der Eselin! Das hatte wohl mancher gelernt. Aber der König, der Gerechte und Helfer, kam nicht und kam nicht; und so wurde das Wort vergeffen, oder wenigstens nicht beachtet, es blieb ein totes Wort. Niemand dachte daran.

Da sah auf einmal das Volk den, der so oft von sich gesagt: Ich bin vom Himmel gekommen, ich bin der Sohn Gottes, ich bin das Leben, den, der so große göttliche Thaten gethan, der den verwesenden Leichnam des Lazarus wieder lebendig ge= macht, den sah es auf einmal im sonderbarsten Aufzug von der Welt. Auf einem Esel reitend und ein Eselsfüllen nebenher führend, zog er in Jerusalem ein. Und grade das Absonderliche seines Aufzuges rief ihnen augenblicklich das alte, bisher nicht beachtete weissagende Gotteswort in's Gedächtnis und Bewußtsein. Und einer sagte zum andern: Du, das ist ja grade so, wie im Propheten steht, sich nur den Esel, auf dem er reitet, und das Eselsfüllen daneben! Und einer oder der andere führte den Spruch an: Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm, und reitet auf einem Esel und auf einem jungen Füllen der Eselin! Wahrhaftig, sagte ein anderer, das ist ja buchstäblich so, wie der Prophet vor Jahrhunderten geweissagt hat, das ist bisher noch nie geschehen, der ist's, in dem ist die Weissagung erfüllt, der ist unser König, der ist's, der da kommen soll!

Und unter dem inneren Lichte, unter dem Anregen des Heiligen Geistes wurde die Ahnung zur Gewißheit: Er ist's!" Und damit war auch die Hoffnung gewiß: Jezt ist die Zeit des

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nationalen Elendes vorbei, der ist der Gerechte und Helfer. Und nun brach sich der Jubel und die jauchzende Huldigung Bahn und pflanzte sich fort von Mund zu Mund und wurde zu einem allgemeinen Freudenrausch. Und an diesem Jauchzen erkannten sie um so gewisser, daß sie sich nicht irrten. Denn in dem alten weissagenden Gottesspruch stand auch das Jauchzen des Volkes geweissagt.

III. Was war denn nun die Frucht und Wirkung dieser Erkenntuis und Huldigung? Meine Lieben, wenn ich daran denke, dann könnte ich Thränen vergießen. Denn wir sind und haben auch ein von Jesu hoch begnadigtes Volk. Jesus ist zwar nicht unser nationaler König, wie er es von seinem Leibvolke ist, aber er ist unser ewiger und göttlicher König. Und er will uns und unser Volk so gern vor der Zersehung, der Auflösung und dem Untergang bewahren, und er ist der einzige, der es davor bewahren kann. Ach, unsere Tert-Geschichte ist eine wehmüthige Geschichte.

Denn wie ging's dort? So schnell die Erkenntnis und der Freudenrausch kam, so schnell verflog beides auch wieder. Das Volk war zu leicht, leichtsinnig und leichtlebig geworden; es war zu sehr demoralisirt. Im Volk als Ganzem war kein göttlicher Gehalt, keine feste göttliche Zucht und Sitte mehr, es war durch das Lange Parteitreiben schon ganz in Zerseyung gekommen, und kein Eindruck ging bei ihm tief, keine Einwirkung blieb nachhaltig. Das Volksgewissen hatte in früheren Zeiten über die einzelnen eine überwältigende Macht und bot jedem einen starken Halt. Aber jezt war das Volksgewissen lose und lar. Darum fiel es dem Volke nicht ein, das von Gott ihm geschenkte Licht, die gewonnene Erkenntnis festzuhalten und sie in ernstes, geheiligtes Leben zu verwandeln. Gott bewahre! Sondern das war einmal etwas Neues, eine Abwechslung gewesen. Und Abwechslung, Zerstreuung und jeden Tag wieder etwas Neues, das wollte das Volk sehen und haben.

Es war kein Halt, kein göttlicher, sittlicher Grund und Boden mehr im Volke. Darum kümmerten sie sich schon am anderen Tage nicht mehr um denselben Jesus, dem sie heute jauchzend ge= huldigt hatten. Auch waren ihnen die Forderungen, welche Jesus an sein Volk, an seine Jünger und Kinder stellte, viel zu ernst. Ernst und strenge leben, Lust und Genuß fahren lassen, sich selbst verleugnen und der Freiheit von Sünde nachstreben, o, das wollten sie nicht. Ihr Privatleben und Volksleben nach Jesu Sinn und Willen einrichten, das wollten sie nicht. Lieber wollten sie von diesem König und seinem Reich nichts wissen. Sie wollten

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